Book Title: Akalanka Und Die Buddhististche Tradition
Author(s): Piotr Balcerowicz
Publisher: Piotr Balcerowicz

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Page 12
________________ 172 Piotr Balcerowicz men, sind eindeutig von Bhartṛhari und Dharmakirti dem Typus von räumlich begrenztem Unsichtbaren (desabheda, desaviprakrsta) zugeordnet. Bhartṛhari, Dharmakirti, die Mimämsa-Tradition und die spätere Yoga-Schule (nach dem YBh) kennen ferner die Kategorie von zeitlich begrenztem Unsichtbaren (d.h. vergangenen und zukünftigen Gegenständen), die in der Klassifikation des Vaiseṣika und des früheren Yoga fehlen. In Werken wie YS, YBh, VS(C), PBh und MSV erkennt man ein sich stets wiederholendes Muster, wobei gleiche Begriffe und Konzepte in der gleichen Reihenfolge aufgelistet werden; sogar die terminologische Abweichung bei Uddyotakara (siehe n. 46 und 47) unterstützt die These, dass es sich um eine kontinuierliche Tradition gehandelt haben muss. Sie bildete teilweise den Kontext, in dem Dharmakirti das Konzept der Nichtwahrnehmung von Unsichtbarem formulierte, wobei er sich möglicherweise an die Typologie Bhartharis anlehnte. Diese Tradition bot auch ein wichtiges Klassifikationsprinzip, das von Bhartṛhari und Dharmakirti kreativ und kritisch überarbeitet wurde. Aus dem obigen Vergleich der Struktur der Aufzählung von Ursachen der Nichtwahrnehmung eines grundsätzlich sichtbaren Objekts ergeben sich weitere wichtige Beobachtungen. Wir merken, dass der zeitliche Faktor bei Sabarasvamin (c. 400-425) und Bhartṛhari (c. 425-450) zum ersten Mal auftaucht. Die früheren Werked.h. das Yogasútra Patanjalis (mit verschiedenen historischen Schichten, die zwischen dem 2. und 4. Jh. liegen) und die Samkhyakärikā Isvarakṛṣṇas (350-450, eher 350-400), die einen Versuch präsentiert, die ältere Liste um neue Elemente zu erweitern (vgl. oben n. 52), aber vielleicht auch das Vaisesikasutra, das die dreifache Aufteilung Die von Dharmakirti und Bhartṛhari befürwortete Typologie fand auch den Weg in die spätere Nyaya-Tradition; siehe z.B. NSA p. 170: yogipratyakşam tu desakalasvabhavaviprakṛstarthagrahakam ("Die übersinnliche Wahrnehmung eines Yoga-Adepten erkennt ihrerseits die Objekte, die dem Ort, der Zeit und dem Eigenwesen (dem Typus) nach entfernt sind."), und NBha p. 170: desaviprakrstaḥ satyalokadayo 'tidarastha vyavahitas ca nagabhuvanadayaḥ, kalavi prakrslas tv alttanagataḥ, svabhavaviprakṛṣṭaḥ paramanvakasadaya iti ("[Die] dem Ort nach entfernten [Gegenstände] sind fernab gelegene [Objekte], wie z. B. die 'wahre Welt' usw. (d.h. die siebte [brahmaloka] und oberste Welt), und verdeckte [Objekte], wie z.B. die [unterirdischen/unterseeischen] Schlangenwelten usw.; [die] der Zeit nach entfernten [Gegenstände] sind vergangene und zukünftige [Objekte]; [die] dem Eigenwesen (dem Typus) nach entfernten [Gegenstände] sind Atome, Äther usw."). 1/ Akalanka und die buddhistische Tradition 173 zu implizieren scheint erwähnen die "zeitlich entfernten" (d.h. vergangenen oder zukünftigen) Gegenstände überhaupt nicht. Dagegen tritt die zeitliche Ursache in der Periode nach Sabarasvamin und Bhartṛhari auf, z. B. im Yogabhāṣya (nach der 2. Hälfte des 5. Jh.) und im Mīmāmsāślokavārttika Kumārilas. Nicht in allen philosophischen Werken des sechsten oder siebten Jahrhunderts, wie z. B. dem Bhasya Prasastapäādas (sakṣma - vyavahita - viprakrsta), der Aptamimämsä Samantabhadras (sükṣma antarita dura) oder dem Nyayavarttika Uddyotakaras (*(süksma/svabhava]vyavahita - duravasthita; vgl. n. 47), halten es die Autoren für notwendig, den zeitlichen Faktor zu berücksichtigen, was darauf hinweist, dass die neue, den zeitlichen Faktor einschließende Klassifikation noch nicht so stark etabliert war wie später zur Zeit Akalankas (siehe unten n. 125; Ass: svabhavaviprakarsin - kalaviprakarsin - desaviprakarsin) oder Bhāsarvajñas (siehe n. 57; NSA: desaviprakrsta-kalaviprakrsta-svabhavavi prakṛṣṭa). Das Bild der historischen Entwicklung, das sich daraus entfaltet, sieht meines Erachtens folgendermaßen aus: Die Dreiteilung (nicht wahrgenommene Objekte im Bezug auf ihre Feinheit, ihr Verdecktsein und ihre Entfernung) wird im Yoga-Milieu eingeführt (YS: sakṣma vyavahita - riprakṛsta) und weiter entwickelt. Es werden dann in der Samkhya-Yoga-Tradition gelegentlich Versuche unternommen, diese Dreiteilung auszubauen und neue Ursachen der Nicht wahrnehmung einzubeziehen (SK: atidara sämipya - indriyaghata-mano'navasthana-saukṣmya-vyavadhana-abhibhava-samānābhihāra), die aber die Zeit als eine zusätzliche Ursache der Nichtwahrnehmung übersehen. Erst Sabarasvamin in der MimämsäTradition erweitert die Liste um den zeitlichen Faktor (SBh: bhuta -bhavat-bhavisyat - sakṣma - vyavahita - viprakrsta). Bhartṛhari fügt, wahrscheinlich unter dem Einfluss Sabarasvamins, in der Auflistung den Zeitfaktor hinzu, setzt ihn aber als ein neues Element an das Ende der Liste (VP: avasthabheda desabheda - kalabheda), was nicht zufällig ist. Zusätzlich strukturiert er die gesamte Aufzählung um: Er interpretiert "den feinen Charakter" (sükṣmatva) der Gegenstände als "ihren spezifischen, charakteristischen Zustand" und gruppiert ferner die zwei Kategorien von "verdeckten und fernen Gegenständen" in einer Rubrik als "entfernte Objekte im Bezug auf ihren Ort", die wegen ihrer räumlichen Lokalisierung (entweder durch Entfernung oder Verdeckung durch andere Objekte) den Sinnen nicht zugänglich sind. Das würde auch -

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