Book Title: Akalanka Und Die Buddhististche Tradition
Author(s): Piotr Balcerowicz
Publisher: Piotr Balcerowicz

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Page 32
________________ 212 Piotr Balcerowicz Akalanka und die buddhistische Tradition 213 8.2 beiden Eigenschaften kommen auch dem nicht Existierenden auf keinen Fall in jeder Hinsicht zu, weil es nicht mehr der Fall wäre, dass das nicht Existierende) der Bereich von Wörtern ist." Die Verse, die offensichtlich die traditionell jinistische Vielfaltigkeitslehre (anekantavāda) einführen, werden von Akalanka als Konklusion zum Abschluss seines Exkurses zitiert, in dem er pauschal alle möglichen Argumente gegen die Existenz einer Seele als logisch fehlerhaft widerlegt.175 Eines dieser Argumente lautet folgendermaBen: "Es gibt keine Seele, weil sie nicht wahrnehmbar ist, wie ein Hasenhorn."178 Der Kontext ist also derjenige der Nichtwahrnehmung von Unsichtbarem, in diesem Fall der unsichtbaren Seele als zentralem Ausgangspunkt und Voraussetzung jinistischer Soteriologie und Epistemologie: Es sind die Seelen, die Erlösung und Allwissenheit erlangen. Akalanka behauptet, dass auch unsichtbare Ge. genstände auf gewisse Weise erkennbar sind; dank der vielfaltigen Natur gibt es keine Objekte, die absolut nicht wahrnehmbar sind.17 Die Nicht wahrnehmbarkeit von Unsichtbarem ist infolgedessen niemals vollständig, und der Grund hierfür liegt in der ontologischen Struktur der Welt. Wie aber das Verhältnis zwischen dem ontologischen Aspekt der Lehre des anekāntarāda und der logischen Maßgeb. lichkeit der adr&yanupalabdhi genau aussieht, soll eine Fragestellung für künftige Forschung sein. Die vorangehende Analyse des Arguments der Nichtwahrnehmung von Unsichtbarem bestätigt die These eines entscheidenden Einflusses Dharmakirtis auf die Erkenntnistheorie Akalankas. Wenn von Akalanka gelegentlich in Digambara-Kreisen als "the father of Jaina logic" gesprochen wird, in sollte vielleicht Dharmakirti - auch in Anbetracht seines Einflusses auf andere jinistische Philosophen, wie Siddhasena Mahamati, den Verfasser des Nyayāvatára! - die Rolle des "Großvaters" zugeteilt werden.... Auf keinen Fall handelt es sich jedoch bei Akalanka um einen Epigonen: Trotz des Einflusses zeigt er sich als völlig unabhängig denkender, exzellenter Philosoph und äußerst scharfsinniger Kritiker u.a. der buddhistischen Tradition, der seine überaus subtilen und originellen Argumente in ein komplex strukturiertes Beweisgewand kleidet. Akalankas Philosophie, vor allem seine Erkenntnistheorie, nur als eine Erweiterung und Anwendung von Dharmakirtischen Ideen zu betrachten, wurde gegen das Zeugnis seiner Werke sprechen und dem Philosophen Un. recht zufügen. Die kritische Übernahme von bestimmten neuen, sich gerade unter den intellektuellen Eliten etablierenden Termini, mit deren Hilfe man sich viel effizienter mit gegnerischen Ansichten auseinandersetzen kann, oder die konstruktive Umgestaltung der im philosophischen Diskurs gängigen Ideen gehört zur Ublichen Praxis in der Geschichte der Philosophie. 8.3 19 RVår ad 2.8, p. 122.19-22: astitram upalabdhid ca kathamcid asalah ampleh) nästitanupalabdhil ca kathamcil sala eva le // sarvathaiva salo nemau dharmau sarudimadosalah sarvathairdsato nemau tācam gocaralatyayat /l. 175 Der Abschnitt (RVár ad 2.8, p. 121.11-122.24) beginnt mit der These almaninavo na yuktah sadhanadosadarfandl. - "Die Leugnung (der Existenz] einer Seele ist nicht stimmig, weil man (logische] Fehler der dabei angefahrten] Beweise demonstrieren kann." 1** RVår ad 2.8. p. 122.3: nästy almāpratyaksatudc cha asragavad il. ITT RVår ad 2.8, p. 122.23: naatitvdpratyaksatuabhyam api rahitam tad avastu ili dharmyasiddhis ca. - "Etwas, das auch vom Nichtseiendsein und von der Nichtwahrnehmbarkeit frei ist, ist nichts Reales, und deswegen ist für die Nichtwahrnehmbarkeit als beweisende Eigenschaft in der Begründung der Ir. realitat der Seele) kein Eigenschaftsträger erwiesen." Die Implikation ist, dass es keinen Eigenschaftstriger gibt, der absolute Unsichtbarkeit besitzen und den man mit der Seele identifizieren könnte: Die Seele kann nicht im absoluten Sinn unsichtbar sein. Aus der obigen Diskussion darüber, wie Akalanka den Rahmen des adryanupalabdhi-Grunds Dharmakirtis betrachtet, könnten sich auch nützliche Erkenntnisse für Dharmakirti-Forscher ergeben. In den letzten Jahren wurde gelegentlich diskutiert, inwiefern Dharmakirti tatsächlich die Schlüssigkeit des Arguments der Nichtwahrnehmung von Unsichtbarem (adr&yānupalabdhi) anerkannte, da diese Annahme erst in einer späteren tibetischen Tradition eindeutig belegt ist. Die gegen Dharmakirti gerichtete Kritik Akalankas könn 198 Vgl. Shah 1967: 38-39. 10 Siehe z. B. Nagin Shah in seiner Einleitung zu AMT,, p. 33.12. 180 Vgl. Balcerowicz 2001: iii-xxxvi und 2003: 343ft. 151 Vgl. z.B. Tillemnans 1995: 131: "What is not obvious at all for someone relying on only the Indian texts is that, following Tibetan exegesis on Dharma

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