Book Title: Akalanka Und Die Buddhististche Tradition
Author(s): Piotr Balcerowicz
Publisher: Piotr Balcerowicz

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Page 31
________________ 210 Piotr Balcerowicz Akalanka und die buddhistische Tradition 211 oder allwissenden Person nur situationsgebunden ist; für ganz bestimmte Betrachter, nämlich andere Allwissende, wird sie sichtlar: (Gegnerischer Einwand): Wieso fuhrt denn das Argument) der Nichtwahrnehmung von Unsichtbarem zu sicherer Erkenntnis, wo doch, auch wenn ein reales Ding ds ist, [seine Nichtwahrnehmung] möglich ist! [Es ist) genauso wie (wenn man) die speziellen Funktionen des Bewusstseins eines anderen (nicht wahrnimmt). [Wir antworten): Soll etwa ein Allwissender unsichtbar sein? (Gegner): Ja! [Wir antworten): Nein (das ist falsch), weil sich die unerwünschte Folge er. gäbe, dass er auch für sich selbst (unsichtbar wäre). Aus dem Vorangehenden wird ersichtlich, dass für Akalanka Allwissenheit und Erlösung eine mit Erkenntnismitteln definitiv beweisbare Begebenheit sind, obgleich diese unter normalen Umständen nicht wahrnehmbar sind. Ihre Beweisbarkeit beruht auf drei Bedingungen: einerseits auf den zwei Prämissen, dass (1) auch nicht wahrnehmbare Entitaten zu Gegenstanden einer legitimen Schlussfolgerung werden können und (2) die feste Relation (uyd pli) zwischen sichtbaren (drdya) Wirkungen und deren unsichtbaren (adrya) Ursachen festgestellt werden kann, und andererseits (3) in der von Akalanka angenommenen Gültigkeit des Arguments der Nichtwahr. nehmung von Unsichtbarem (adráydnupalabdhi). Die Möglichkeit der Beweisbarkeit von Allwissenheit und Erlosung wird allein durch den im vorliegenden Zusammenhang einzig gultigen logischen Grund des "Sachverhalts, der nicht anders erklarbar ist" (anyathanu papatti) gesichert; dagegen soll das buddhistische logische Modell die Beweisbarkeit von nicht wahrnehmbaren Entitäten nicht gewährleisten. Ferner ist es nach Ansicht Akalankas durchaus möglich, sowohl die Abwesenheit als auch die Anwesenheit eines unsichtbaren Objekts (adrsya) ohne Zweifel festzustellen. Das Erstgenannte gelingt durch die positive Beweiskraft des Arguments der adrlynupalabdhi als Unterart der anyathanupapatli, und zwar aufgrund der Nichtbeobachtung von sichtbaren Wirkungen ohne die für Dharmakirti notwendige essentielle Verwandtschaft im Hinblick auf die Natur (svabharapratibandha; vgl. 83.1.1) zwischen addhya und sadhana. Auch die Anwesenheit eines unsichtbaren Gegenstands wird aufgrund der Beobachtung seiner sichtbaren Wirkungen durch den logischen Grund des "Sachverhalts, der nicht anders erklarbar ist" (anyathanu. papatti), bewiesen. Der logische Grund der anyathanupa patti besitzt also die Fahigkeit, unsichtbare Ursachen mit sichtbaren Wirkungen zu verknüpfen, worin er sich vom dreiformigen Grund (d.h. dem durch trairpya bestimmten) Dharmakirtis unterscheidet. Eine mögliche Antwort auf die Frage, ob es andere spezifische Grunde gab, die Akalanka dazu veranlassten, die Gültigkeit des adrayanupalabdhi-Grunds zu akzeptieren, konnten die zwei folgenden, nicht näher identifizierten Strophen' bieten: Seiendsein und Wahrnehmbarkeit kommen dem nicht Existierenden in gewisser Weise zu, (was man) aufgrund der von den Sinnen abgeleiteten Erkenntnis! [feststellt). Und Nichseiendsein und Nichtwahrnehmbarkeit kommen (auch] dem Existierenden in gewisser Weise zu [in] Deiner Lehre, o Jina)." Diese beiden Eigenschaften kommen aber] dem Existierenden auf keinen Fall in jeder Hinsicht zu, weil sich der (logische] Fehler (d.h. die unerwünschte Folge) (ergabe), dass alles) alles (ware). Diese 1 NBT ad 2.27 (p. 117): saty api vastuni tasyah sambhava ily dha; vgl. HBT p. 168.4-6: evam copalabdhilaksanaprdpladnu palabdhil saly api rasturi sa bhavality asaduyarahdrasiddhav anailantikty acakpale. * NVIV ad NVI, 2.183, Bd. II, p. 218.18-19 (= NVI, 352): katham punar adlydupalabher gamakalam saty api rastur ili cel, kim penal sartaj tasyadriyatuam? tatha cel, na, nayam api talprasangat. 179 Obwohl zwischen Allwissenheit und Erlösung eine zeitliche Abhängigkeit besteht und den beiden zum Teil unterschiedliche Ursachen zu Grunde liegen, nämlich die Zerstörung der die Geisteskräfte der Seele verringernden karmischen Materie im Fall der Allwissenheit (siehe z. B. TS 10.1) und die Zerstörung aller karmischen Materie im Fall der Erlösung (siehe z. B. TS 10.2), werden sie oft als eine konzeptuelle Einheit betrachtet, da die Erlangung der einen not wendigerweise mit dem Erlangen der anderen verbunden ist. in Beide Strophen sind im Stotra-Stil komponiert, ahnlich wie alle bekann. ten Werke Samantabhadras. Vermutlich stammen sie aber aus der Zeit nach Dharmakirti und wurden als Reaktion auf Dharmakirti verfasst; vgl. Balcerowicz bevorstehend b. Ober die Synonymitat von mati (durch die Sinnesorgane bewirkte Er kenntnis), die praktisch mit der sinnlichen Wahrnehmung (pratyakpa) gleich ist, und smrti (von den Sinnen abgeleitete Erkenntnis, der mittels der Sinnesorgane erlangte Grund des Gedachtnisses und der Erinnerung) bei Akalanka siehe Balcerowicz 2005, besonders $ 1 und 9. 1 Das Expletiv te ist typisch für die jinistische Stotra Literatur. In Werken Samantabhadras kommt es als an den Jins gerichteter Aufruf sehr oft vor, siehe z. B. Sv8t 43, 45, 52, 53, 60, 61, 64, 98, 100, 101, 103 und 114, AMI 6, 14. 38, 100 und 108 sowie YA 34 und 48.

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