Book Title: Zur Advaitischen Theorie Der Objekterkenntnis
Author(s): Lambert Schmithausen
Publisher: Lambert Schmithausen

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Page 10
________________ 338 LAMBERT SCHMITHAUSEN Dritte Theorie (Viv 310, 3–8 u. 316, 4-317, 2) Die Geistigkeit (des Jivah) ist, wie bei der 1. Theorie, allverbreitet (sarvagatam, 310, 3). Daß er trotzdem nicht alle Objekte beleuchtet oder bewußt macht, wird jedoch darauf zurückgeführt, daß er, im Gegensatz zur Auffassung der 1. Theorie, auch selbst nicht leuchtet (svayam api na prakāśate), und dies wiederum beruht darauf, daß er durch das Nichtwissen (avidyā, ajñānam) verhüllt (avrtah) ist (310, 3-5; 316, 4f.). Dieses Verhülltsein der allverbreiteten (Jiva-)Geistigkeit durch das Nichtwissen ist trotz dessen Begrenztheit (paricchinnatvam) möglich; man kann ja auch mit einem Finger die Sonne verdecken (310, 5f.). Die Verhüllung wird jedoch partiell überwältigt (abhibhavaḥ) oder verdeckt (tirodhānam) durch die Verfärbung (uparāgaḥ) (des Jivah) durch den Inneren Sinn (310, 6£. u. 316, 5). Dort wird seine Geistigkeit manifestiert (310, 7 u. 316, 5), leuchtet also auf, und beleuchtet auch das mit dem Inneren Sinn verbundene Objekt (316,5-317, 1). B. Interpretation Vorbemerkung: 1. Einheitlich scheint in allen drei Theorien die Lehre vom Inneren Sinn zu sein, der wechselnd als antahkaranam oder ahamkāraḥ bezeichnet wird. Diese Terminologie geht auf Padmapāda zurück. Der ahamkāraḥ ist dort eigentlich das übergeordnete Vermögen, das neben dem vor allem als antaḥkaranam bezeichneten Erkenntnisvermögen auch noch ein Tätigkeitsvermögen, prāṇaḥ genannt, enthält 26. Da jedoch im vorliegenden Zusammenhang das Tätigkeitsvermögen keine Rolle spielt, konnte der Unterschied zwischen ahamkāraḥ und antaḥkaraṇam in der Darstellung unberücksichtigt bleiben und beide mit ,,Innerer Sinn“ wiedergegeben werden. 2. a) Der Innere Sinn ist nach Prakāśātman lichtartig (prakāśasvabhāvaḥ), trotz seiner Stofflichkeit, die sich daraus ergibt, daß er ein Produkt des die Urmaterie vertretenden Nichtwissens ist, und die in seiner Teilbarkeit (sāvayavatvam) zum Ausdruck kommt (Viv 304, 9). b) Im Gegensatz etwa zu Vindhyavāsins (YBh 330, 2 angedeuteter) Auffassung, der Innere Sinn sei allverbreitet (vgl. GPh I, 403), setzen die im Vivaranam referierten advaitischen Theorien voraus, daß der Innere Sinn von begrenzter Ausdehnung ist; denn in allen drei Theorien ist er konstitutiv für die Begrenztheit des Jivaḥ als Erkenntnissubjekt. Auch die spätere advaitische Tradition bestätigt die begrenzte Ausdehnung des Inneren Sinnes: SBi 56, 3 etwa heißt es, er befinde sich inmitten des Leibes und durchdringe diesen ganz (sarīramadhye sthitaḥ sarvasarīravyāpakah). 26 Vgl. P. HACKER, Untersuchungen über Texte des frühen Advaitavāda, 1. Die Schüler Sankaras. Akademie d. Wiss. u. d. Lit., Abh. d. geistes- u. sozialwiss. KI., Jahrgang 1950, Nr. 26, p. 124; im folgenden zitiert: HACKER, Schüler Sankaras.

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