Book Title: Zur Advaitischen Theorie Der Objekterkenntnis
Author(s): Lambert Schmithausen
Publisher: Lambert Schmithausen

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Page 23
________________ Zur advaitischen Theorie der Objekterkenntnis 351 ist, die Objekte kein selbständiges Sein haben, sondern nur als Scheinentfaltungen der (Brahma-)Geistigkeit existieren können. Auch für die advaitische Tradition scheint es im Rahmen dieser Theorie selbstverständlich zu sein, daß der Grund des Bewußtseins des Objektes das „Verbundensein durch Übertragung“ (ādhyāsikasambandhaḥ) ist (vgl. SLS 155, 3ff.). Bemerkenswert ist, daß, im Gegensatz zur 2. Theorie des Vivaranam, bei Padmapāda in diesem Zusammenhang von einer Differenzierung der Geistigkeit in Jivaḥ und Brahma nicht die Rede ist. Das dürfte daran liegen, daß es in diesem Zusammenhang ja gerade auf die Einheit der Geistigkeit ankommt. Da aber der Jivaḥ für Padmapāda durch den Inneren Sinn konstituiert wird (vgl. unter a, sowie Pañc 115, 4), kann die dem Objekt zugrundeliegende Geistigkeit in der Tat nur Brahma-Geistigkeit sein. Gegen Prakāśātmans Deutung der Stelle im Sinne der 3. Theorie (vgl. deren Interpr., 3b) spricht, daß von einer Verhüllung und ihrer Überwältigung nicht gesprochen wird; vgl. auch Pañc 28, 2, wo es heißt, daß zur Erklärung des Unerkanntseins der Objekte keine Verhüllung derselben angenommen werden müsse, da es sich schon aus dem Fehlen eines entsprechenden Erkenntnismittels oder - Vorganges (pramānavaikalyāt), d. h. aus dem Fehlen eines Kontaktes zwischen Jivaḥ und Objekt, erkläre. Auffällig ist ferner, daß Padmapāda im Zusammenhang der obigen Erklärung der Objekterkenntnis statt der für das Sāmkhya typischen Termini vrttih und pariņāmaḥ die eher auf die (Bhāţta-)Mimāmsā verweisenden Termini vyāpāraḥ (vgl. etwa Slokavārttikam IV, 56; BSi 45, 13) und kriyā verwendet. Auch die Lehre von der Manifestation des am Objekt befindlichen Bewußt-seins durch die Tätigkeit des Erkennens ähnelt der Bhātta-Lehre von der „Offenbarkeit“ (prākatyam) als einer vom Erkenntnisakt am Objekt erzeugten Eigenschaft. Diese Lehre liegt zwar erst in späteren Texten (etwa Cidānandas Nītitattvāvirbhāva” (p. 132, 1ff.)) in voll entwickelter Gestalt vor, doch finden sich entscheidende Ansätze schon bei Kumārila (vgl. VV, Studie $ 63) und Mandanamiśra (ib. § 104) 45, bei welch letzterem auch schon der Terminus prakațată - allerdings im Zusammenhang mit der Erkenntnis des Brahma - vorkommt (BSi 34, 13) 46. Liegt bei Padmapāda tatsächlich ein Einfluß von seiten der BhāttaMīmāmsă vor, so besteht dennoch seine nicht zu unterschätzende Leistung 45 Vgl. auch Nititattvāvirbhāvaḥ 133, 17ff.: „Damit ist (auch) widerlegt, daß der Sinn des Wortes Bewußt-sein das Geeignetsein für ein entsprechendes) Verhalten (vyavahāra-yogyatvam, Mandanas Lehre!) sei; denn ... wenn dieses etwas) Vorübergehendes ist (ägantukatve), so hätte man damit das Offenbarsein (prākatyam) akzeptiert, nur unter einem anderen Namen." 46 Der Terminus hat übrigens (anscheinend über Vācaspati, vgl. Bhā 552, 7) auch Eingang in das Advaita gefunden (vgl. etwa Citsukha, VivT 305, 21 u. 102, 7) – doch wohl ein Zeichen dafür, daß man sich, trotz gewisser Unterschiede, der Verwandtschaft der beiden Lehren bewußt war.

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