Book Title: Zur Advaitischen Theorie Der Objekterkenntnis
Author(s): Lambert Schmithausen
Publisher: Lambert Schmithausen

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Page 28
________________ 356 LAMBERT SCHMITHAUSEN Die Frage ist jedoch, ob auch die Beziehung der Jiva-Geistigkeit zum Objekt nach der Weise der 1. Theorie als eine äußerliche, oder ob sie nicht vielmehr im Sinne der 2. Theorie als „Verbundensein durch Übertragung“ (ādhyāsika-sambandhaḥ) zu fassen ist. Die Entscheidung dieser Frage hängt an den metaphysischen Voraussetzungen: Im ersteren Falle wäre die JivaGeistigkeit als von der die Objekte schaffenden Brahma-Geistigkeit verschieden, als ihr Spiegelbild im Nichtwissen, zu fassen; im zweiten Falle hingegen dürfte keine Entgegensetzung zwischen Jivaḥ und objektschaffender (Brahma-) Geistigkeit bestehen, und die Jiva-Geistigkeit selbst müßte in ihrer verhüllten, gewissermaßen untergründigen Gestalt) die Objekte schaffen; sie würde sie dann an sich) immer schon erkennen und müßte lediglich diese Erkenntnis durch Beseitigung der sie überlagernden Verhüllung manifestieren. Die letztere Deutung scheint mir die wahrscheinlichere; denn tatsächlich ist ja im Rahmen dieser Theorie nicht von einem Unterschied zwischen (urbildlicher) Brahma-Geistigkeit und (spiegelbildlicher) Jiva-Geistigkeit die Rede, sondern einzig und allein von der verhüllten (Jiva-) Geistigkeit, was leicht im Sinne der Lehre, daß das Brahma selbst durch das Nichtwissen zum Jivaḥ werde (also nicht als allwissender Weltschöpfer neben dem Jivah besteht), gedeutet werden kann. Auch der Umstand, daß der Jivaḥ als allverbreitet, das Nichtwissen hingegen als begrenzt bestimmt ist, scheint eine Konstitution des Jivaḥ durch Spiegelung der Brahma-Geistigkeit im Nichtwissen auszuschließen, da er in diesem Falle wie dieses begrenzt sein müßte. 2. Unsere Deutung der 3. Theorie scheint auch durch den Umstand bestätigt zu werden, daß sie wahrscheinlich durch Vimuktātman angeregt wurde, dem bekanntlich von der Tradition die oben benutzte Formulierung, daß das Brahma selbst durch sein Nichtwissen die unerlöste Geistigkeit sei, zugeschrieben wird (vgl. etwa Nayanaprasādini zu Tattvapradīpikā (Kāsi 1956) 572, 5). Vimuktātman beschreibt nämlich nicht nur das Nichtleuchten des Brahma – das nach dem soeben Gesagten unmittelbar mit der Geistigkeit des Jivaḥ identisch ist — (ISi 71, 3ff.); er vertritt darüber hinaus auch den Standpunkt, alles Erkennen beseitige ein Nichtwissen (bezüglich des betreffenden Objektes) (ISi 64, 9f.; vgl. auch ISi 72, 11ff.) 50. Diese „Beseitigung“ (nivsttiḥ) von Nichtwissen ist natürlich nicht ganz das Gleiche wie die „Überwältigung" (abhibhavaḥ) einer (durch das Nichtwissen bewirkten) Verhüllung. Deshalb gilt auch hier, daß eine direkte Beziehung auf Vimuktātman kaum in Frage kommt; er kann wohl nur als Anreger gelten. 3. a) Die 3. Theorie wird offensichtlich auch von Prakāśātman selbst vertreten, da er sie mehrfach (und nicht immer ohne Gewaltsamkeit) in den 50 Ob sich auch die Lehre von der Begrenztheit des Nichtwissens - die nach TDi 262, 18-20 keineswegs selbstverständlich ist - bei Vimuktātman nachweisen läßt, vermag ich nicht zu entscheiden.

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