Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 3
________________ Substanz (dnaoya) im Vaibesika 143 II. Wenn wir die Gebrauchsweisen von dravya und verwandten Begrif. fen und Termini in der indischen Tradition -- d. h. vor allem im Veiseşika und Nyaya, in der Philosophie der Grammatik und Mimāmsā, aber auch z. B. im Jinismus und in der Kritik der Buddhisten und Vedāntins - überblicken, so wird ein weites Bedeutungsfeld und eine Vielzahl begriffs- und problemgeschichtlicher Zusammenhänge sichtbar: Im Kon. text von Begriffen wie guna, paryāya, sāmānya, jāti, āksti, vyakti, asraya, und in einer Reihe wechselnder Zuordnungen und Gegenüberstellungen, bezeichnet dravya u. a. das Beständige gegenüber dem Unbeständigen, das Selbständige gegenüber dem Unselbständigen, das Individuelle und Besondere gegenüber dem Allgemeinen, das Konkrete gegenüber dem Abstrakten, das „Selbstsein“ oder „Eigenwesentliche“ gegenüber dem Relativen. Während es einerseits an die kosmogonisch-kosmologische, schon in den Upanişaden zentrale Thematik des Beständigen im Werden, des Weltsubstrats anschließt, steht es andererseits im Schnittpunkt logischer und erkenntnistheoretischer Uberlegungen zum Begriff und Problem des konkreten ,,Dinges". – Grundsätzliche philosophische Perspektiven und goschichtliche Reflexionsstufen finden jeweils ihren symptomatischen Ausdruck im Zugang zum Substanzthema; auch in der Kritik und Polemik, für die Formulierung von Alternativen und Gegenposi. tionen, erweist sich dravya noch als wichtiger begrifflicher Katalysator. Schon einige der frühesten uns erhaltenen expliziten Stellungnahmen und Definitionsversuche, wie sie vor allem Patañjali in seinem Mahăbháşya', durchweg in Anknüpfung an ältere Autoritäten, präsentiert, illustrieren die Mehrdeutigkeit und Spannweite des Themas: dravya be .. Bharthari erklärt (Vakyapadiya III/1, Dravyasamuddesa 1), daß die Substanz (draryo) schlechthin, als das Absolute, dasjenige sei, worum es in allen Schulen des Denkens, wenn auch unter verschiedenen Bezeichnungen, letztlich geht: åtmå vastu svabhāvas ca sariram tattvam ity apil dravyam ity asya paryayas tac ca nityam iti ampiam II Helarăja bemerkt dazu (ed. SUBRAMANIA IYER, Poona 1963), daß es außer diesem absoluten (paramarthika) Substanzbegriff auch einen empirisch-um. gangssprachlichen (samvyavahärika)-d. h. den gewöhnlichen" offenen Ding. begriff — gebe. Vgl. besonders Mahābhāşya (od. F. KIELHORN; 3rd ed. K. V. ABHYANKAR, Poona 1962-1972) II 366; hier wird dravya zunächst als von den Qualitäten (guna) verschiedenes Substrat, dann als „Zusammenlauf von Qualitäten“ (gunasamdräva) bestimmt. Vgl. auch II 200; drawya als gunasamudaya. Zum ambivalenten Verhältnis von dravya und akyti vgl. besonder I 7.-Ambivalent ist das Wort auch in NS.

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