Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 19
________________ Substanz (dravya) im Vaisesika innerhalb eines Ganzen stattfindende Differenzierung ausgelegt werden kann. Dies mag ein naheliegender Ausweg aus der von Prasastapāda hinterlassenen begrifflichen Situation sein; das von ihm postulierte Anschauen der Substanz rein als solcher wird dadurch jedoch nicht erklärt. Und für eine wirklich eindeutige und bewußtseinsinhaltlich faßbare Erklärung gibt Prasastapada, wie wir gesehen haben, ja auch keine Handhabe. Das svarupālocanamātra der Substanz als solcher ist und bleibt ein hypothetisch angenommenes Moment im Wahrnehmen, für das er in Passagen mit eher deskriptiv-psychologischem Charakter keinerlei Verwendung hat. So kommt z. B. in Prasastapādas Beschreibung des vom „,unbestimmten Erfassen" (anadhyavasaya) zum ,,Feststellen" (adhyavasaya) führenden Prozesses der Erkenntnisbestimmung die,,Substanz selbst" überhaupt nicht vor. Auch in diesem Zusammenhang verwendet Prasastapāda den Ausdruck alocanamatra: In Hinsicht auf vertraute wie auch auf unbekannte Gegenstände gibt es ein,,unbestimmtes Erfassen", d. h. ein,,bloßes Anschauen", das sich in der Frage,,Was (ist das)?" äußert (kimityälocanamätra). Daran anschließend wird eine Reihe immer engerer Bestimmungsfaktoren aufgezählt, die vom höchsten Universale (sāmānya), Sein im allgemeinen (sattā), zum speziellen sāmānyaviśeṣa einer Baumspezies, nämlich panasatva, führt. Wir dürfen hier auch wiederum daran erinnern, daß Śridhara das „,ungesonderte bloße Anschauen" (avibhaktam alocanamātram), welches nach Prasastapāda als Mittel für das Erkennen des als Bestimmungsfaktor wirksamen sāmānyavišesa dient, als Kontakt (samnikarsa) zwischen Objekt und Organ interpretiert. Entsprechend legt er in demselben wahrnehmungstheoretischen Abschnitt dar, wie durch mehr oder weniger engen „Kontakt" mit dem Objekt (etwa beim Sehen aus der Ferne) jeweils engere oder weitere Universalien (sāmānya, sāmānyaviseṣa) als Erkenntnisinhalte ausgelöst" werden, wobei dem bloßen unspezifizierten Kontakt als solchem offenbar das höchste Universale Sein (satta) entspricht. Die,,Substanz selbst" als vorgeblicher Träger dieser Bestimmungen (visesana) kommt dabei als Erkenntnisinhalt überhaupt nicht ins Spiel. 159 "Eine Ambivalenz, die sich offenbar in die genannte Stelle NK 193-194 eingeschlichen hat (... viseṣaṇādigrahaṇasya sahakāriņo 'bhāvāt ...). "PB 182; zu adhyavasaya vgl. NS II a 1 ff. Vgl. NK 189 (samanyam hi bahuvişayatvät sväérayasya cakşuḥsannikarşamåtreṇa-upalabhyate...) sowie die oben, Anm. 54, zitierte Stelle. - Wir dürfen hier-zur allgemeinen thematischen Orientierung und ohne Anspruch auf aktuelle Zusammenhänge - daran erinnern, wie etwa Mandana das Seiende rein als solches (sanmätra) als Objekt der vorstellungsfreien Wahrnehmung präsentiert und in dieser Funktion mit dem bloßen Ding als solchem (vastumátra) zusammenfallen läßt; vgl. Brahmasiddhi, ed. S. KUPPUSWAMI SASTRI (Madras 1937) 58; 71.

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