Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 20
________________ 160 WILHELM HALBTASS In der Tat wäre es in Prasastapādas System ganz unzulässig, eine Erkenntnis dadurch als unbestimmt zu kennzeichnen, daß man ihr die „Substanz allein", d. h. den bloßen Bestimmungsträger, als Inhalt zu. weist. Die Substanz ist zwar, insofern sie Substrat (äsraya) von guna, sāmānya usw. ist, Bestimmungsträger; aber sie ist, entsprechend der oben (vgl. Abschnitt III) diskutierten „Doppelbödigkeit“ des Substanzbegriffs, deshalb doch keineswegs unbestimmt, und sie ist auch kein „bloßes Etwas" oder bare particular. Auch als ,,Substanz allein" ist sie ein dharmin, hat ein Bestimmtsein sui generis, welches freilich, als ihr Eigenwesen (svarūpa), von ihr selbst gänzlich untrennbar ist. In diesem Sinne müßte auch das svarūpålocanamätra der Substanz selbst, wie es sich vor dem Erfassen der übrigen, als prädikative Bestimmungen hinzu. tretenden Kategorien darstellt, bereits sein eigenes Bestimmtsein auf. weisen. So sind wir wiederum angelangt bei dem, wie wir feststellten, durch die Verteilung auf zwei Ebenen des Bestimmtseins und durch einen semantic ascent scheinbar umgangenen Paradox, daß die Substanz „ihre Bestim. mungen als etwas außer ihr Seiendes hat und gleichzeitig auch ,ohne' sie bestimmt ist“es. -Auch für das Verständnis seiner wahrnehmungstheoretischen Rolle ist diese implizite ,,Doppelbödigkeit“ des Substangbegriffs zu berücksichtigen. VI. Was wir bei Prasastapāda nicht fanden, nämlich den Versuch, die ,,Substanz selbst" als besonderen, von den Qualitäten trennbaren und sogar ganz ohne sie fabbaren Wahrnehmungsinhalt deskriptiv und phänomenologisch aufzuweisen, finden wir bei einigen etwa derselben Periode angehörenden Naiyāyikas, namentlich bei Aviddhakarna, Bhåvivikta und Uddyotakara. Zum Abschluß unserer Erörterungen sei noch auf einige thematisch aufschlußreiche Gesichtspunkte ihrer z. T. nur aus der buddhistischen Polemik, bekannten Argumentation hingewiesen. Zunächst Uddyotakara. Unter den Argumenten, mit denen er im Nyåyavärttika den Substanzbegriff gegen die Kritik der Buddhisten, zumal gegen die erkenntnistheoretische Reduktion der Substanz auf ihre wahrnehmbaren Qualitäten, verteidigt, findet sich auch das folgende Beispiel: Wenn ein Kristall sich in der Nähe eines dunkelfarbigen Gegen. standes befindet, dann sehen wir zwar den Kristall selbst, jedoch, inso a Zu diesem Begriff vgl. Universals and Particulars, od. M. J. Loux (New York 1970) 235ff. S. o., Abuchnitt III.

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