Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 23
________________ Substanz (dravya) im Vaibesika 163 wähnte substanztheoretische Gebrauch von samsthāna bzw. akāra kann also sozusagen an den frei gewordenen Teil der alten Bedeutung von rupa anknüpfen, indem er ihn der Bedeutung „Farbe“ gegenüberstellt und für die Sicherung der „Substanz selbst“ in Anspruch nimmt. Der Begriff des samsthāna wird auch in die Lehre von der Erfabbarkeit der Substanz durch zwei Sinnesorgane (dvindriyagrāhyatva) eingefügt, die in der erkenntnistheoretischen Diskussion um das Substanzthema eine wichtige Rolle spielt. Diese Lehre, auf die sich, in entsprechend modifizierter Perspektive, schon das Nyāyasūtra für den Nachweis der Substantialität des åtman beruft, geht davon aus, daß die verschiedenen Elementqualitäten jeweils einem bestimmten Sinnesorgan zugeordnet sind und daß ein Gegenstand, der durch mehr als ein Sinnesorgan erfaßt werden kann, seiner Natur nach von diesen spezifischen Qualitäten und von den Qualitäten überhaupt verschieden sein muß. Spä. testens seit dem Nyāyabhāşya dient das Argument in expliziter Form dem Nachweis substantialer Gegenstände des Wahrnehmens. Die Substanz, insofern sie sowohl sichtbar wie tastbar ist, gilt als Bedingung der Möglichkeit des pratisamdhāna, des identifizierenden Bezuges visueller und taktiler Eindrücke auf ein und dasselbe Objekt: „Den Topf, den ich gesehen habe, berühre ich; eben den Topf, den ich berührt habe, sehe ich"75. - Bei näherer erkenntnistheoretischer Analyse konnte kaum verborgen bleiben, daß das, was hier tatsächlich als sichtbar und tastbar identifiziert werden kann, wiederum nur die Gestalt ist. Dementsprechend nimmt z. B. Sridhara das dvindriyagrāhyatva-Argument mit der Bemer. kung auf, es sei eine bestimmte Gestalt (samsthānavidesa) vorauszusetzen, welche das Erfassen eines Gegenstandes durch den Gesichts- und Tastsinn verständlich mache--- Wir dürfen hier an eine mit dem Substanzproblem eng verknüpfte symptomatische Episode der neueren westlichen Erkenntnistheorie erinnern - an die Diskussion um „Molyneux' Problem", d. h. um die Frage, ob ein Blindgeborener nach Erlangung der Sehfähigkeit eine ihm durch den Tastsinn vertraute Figur visuell zu identifizieren ver. möge; hier freilich geht es nur darum, ob eine Figur als solche visuell-taktil identifizierbar sej, nicht aber um die numerische Identität einer Substanz ** Vgl. NS LII & 1: dardanasparianabhyam ekarthagrahandt. " NBh zu NS IV a 36 (= IV a 33 RÚBEN), ND 702: yam kumbham adräkşam tam sprádmi, yam eva-aspråkşam tam paśyāmi-iti; ähnlich zu III a 1, ND1 434; und in z. T. wörtlichem Anschluß daran zahlreiche spätere Texte, z. B. Vy. 44 (... na ca dvöbhyam indriyabhydm eldrthagrahanarp vind pratieandhanam nydyyam). * NK 41: samsthanavisepas kalpaniya), yona darsanaspartandbhydim olarthagrahanam api sidhyati. Das Problem wurde bekanntlich J. LOCOE vorgelogt und von ihm die kutiert.

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