Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 15
________________ Substanz (dravya) im Vaibesika 155 zu isolieren oder den bloßen Bestimmungsträger als Gegenstand eines separaten Wahrnehmungsaktes zu erweisen, wird nicht unternommen. Auch bei Prasastapāda finden wir in dieser Hinsicht keine wirklich explizite und eindeutig festlegbare Stellungnahme. Zwar scheint seine Bemerkung, daß es im Falle der Substanz (natürlich als arayarin) eine „bloße Anschauung des Eigenwesens“ (svarūpālocanamätra) gebe", anzudeuten, daß er innerhalb der Dingwahrnehmung bzw. als eine ihrer Phasen ein Erfassen der bloßen Substanz als solcher annimmt. Jedoch über den genaueren Sinn der „Anschauung des Eigenwesens“, über den tatsächlichen Inhalt und die mögliche Trennbarkeit des als ,,bloße Substanz", als Bestimmungsträger Erfaßten wird nichts gesagt. Sicherlich dürfen wir kaum annehmen, daß der sorgfältige Systematiker Prasastapåda, nachdem er im Einklang mit Vaibeşikasūtra IV, 1, 6 die Qualität Farbe (rupa) als Bedingung des Sehens von Substanzen herausgestellt hat, im selben Atemzug ein Gegebensein der Substanz auch ohne diese seine Bedingung behaupten wolle“. Prasastapādas Lehre von der Substanzwahrnehmung, soweit sie uns im Padārthadharmasamgraha zugänglich ist, bleibt im übrigen auch in. sofern ambivalent, als sie die kausale Erklärung des Wahrnehmungsvorgangs und die immanente Deskription und Analyse der Wahrnehmungsinhalte, also „äußere" Bedingungen und innere" Gegebenheiten, nicht klar auseinanderhält. In einigen Kommentaren und anderen zugehörigen Texten tritt die Problem verschlingung freilich schärfer und folgenreicher hervor als bei Prasastapāda se!bst“. – Hinsichtlich der Rolle von rupa läßt sich die Doppeldeutigkeit folgendermaßen formulieren: Einerseits scheint es darum zu gehen, das dann, wenn man überhaupt ein Ding sieht, stets auch Farbe als Wahrnehmungsinhalt gegenwärtig sein müsse, an. solcher; vgl. VS. IV, 1, 8: rūpamamskarabhavad vayāv anupalabdhih; zum Pro. blem der Erschließung des Windes II, 1, 8 ff. Nur im Falle solcher Dinge, die auch sichtbar sind, kann von einem Fühlen der „Substanz selbst" die Rede. sein. Vgl. aber Vy. 270 ff., bes. 273. 44 Vgl. PB 186—188. - Ich kann mich in diesem Zusammenhang kurz fassen, da Prasastap&das Wahrnehmungslehre in jüngster Zeit mehrfach diskutiert worden ist; vgl. M. HATTORI, Two Types of Non-Qualificative Perception. Beiträge zur Geistesgeschichte Indiens, Festschr. E. Frauwellner (=WZKS 12/13, 1968/69) 161-169; dazu L. SCHMITHAUSEN, Zur Lehre von der vorstellungsfreien Wahrnehmung bei Prasastapăda, WZKS 14 (1970) 125-129. u Es dürfte ein Gebot der Vorsicht sein, Prasastapadas Darstellung nicht ohne weiteres durch die im folgenden noch zu diskutierenden (8. u., Abschnitt VI) Argumente Aviddhakarnas und anderer zu erläutern. Wir dürfen natürlich nicht vergessen, daß es im realistischen Kontext des Systems keinen Begriff der Bewußtseinsimmanenz und kein wirkliches Problem des Übergangs zu „extramentalen" Bewußtseinskorrelaten gibt.

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