Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 8
________________ 148 WILHELM HALBTA88 vorbereitet 80: In frühen kosmologischen und naturphilosophischen Tex. ten, vor allem in den philosophischen Partien des Mahabharata, begegnen wir nicht nur dem Terminus guna, sondern auch bereits zahlreichen spezifischen Beispielen dessen, was im klassischen Vaisegika unter diesem Titel präsentiert und diskutiert wird, insbesondere den fünf Sinneg- und Elementqualitäten 21 Farbe, Geschmack, Geruch, Gefühl (d. h. taktile Beschaffenheit) und Ton (rūpa, rasa, gandha, sparsa, tabda). Jedoch erscheinen diese auch als visesa bezeichneten gunas hier nicht als kategorial verstandene, von den Substanzen in ihrem Seinssinn verschiedene Beschaffenheiten. Sie sind vielmehr spezifische Produkte, gleichsam Absonderungen, der fünf Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft und Ather, und sie werden diesen im kosmologischen Evolutionsmodell als ein weiteres Evolutionsprodukt hinzugefügt; in diesem Zusammenhang geht es überhaupt nicht um kategoriale Fragen oder um Prädikationsprobleme, sondern um die kosmologische Aufreihung verschiedener Stufen im Evolutionsprozeß. - Zu erinnern ist bei dieser Gelegenheit auch an den Be. griff der „inneren Differenzierung“ (vikära, pariņāma u. dgl.), in dessen Nähe guna oft zu finden ist, sowie an den bekannten kosmologischen und „nicht-kategorialen" Gebrauch von guna im Samkhya. Vom Vaibenika dürfen wir sagen, daß es nicht nur in grundsätzlichom und allgemeinem Sinne von kosmologisch-naturphilosophischer Herkunft ist; es steht auch in manchen Einzelheiten seiner Substanzlehre auf demselben Boden wie die epische Naturphilosophie. Ebenso deutlich ist es auf der anderen Seite, daß dieses System in seiner weiteren Ent. wicklung den naturphilosophisch-kosmologischen, von hylozoistischen * Bei aller grundsätzlichen Wichtigkeit grammatischer Begriffsbildung für die Gestaltung der Kategorienlehre kann doch keine Rede davon sein, daß, wie H. von GLASENAPP (Die Philosophie der Inder, Stuttgart 1949, S. 62) meint, „die ontologische Unterscheidung von Dingen, Eigenschaften und Handlungen" überhaupt erst durch die Klassifikation von Worten, wie wir sie bei Patanjali finden, angebahnt worden sei. Andererseits dürfen wir kaum mit K. A. SUBRAMANIA IYER (The Conception of guns among the Vaiyyåkare. nas, New Indian Antiquary 5, 1942/43, 121-130) annehmen, daß etwa schon Panini selbst auf die fortig entwickelten Vaiseşika-Kategorien dravya und guna habe zurückgreifen können. Eindeutige und einseitige Abhängigkeitsverhältnisse lassen sich hier nicht konstruieren. u Vgl. z. B. Mahabhårata (krit. Ausgabe) XII, 224, 35ff.; 225, 1 ff.; 177, 26 ff. - Zum Verhältnis dieser und ähnlicher Lehren zum klassischen Sam. khya vgl. 0. STRAUSS, Zur Geschichte des Samkhya, WZKM 27 (1913) 257-275. * Z. B. Bhagavadgita XIII, 19; zuweilen werden die Evoluto der prakti (mahat, ahamidina usw.) selbst ausdrücklich als guna bezeichnet (z. B. Anugta 50, 33ff.).

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