Book Title: Zum Begriff Der Substanz Im Vaisesika
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 7
________________ Substanz (draya) im Vaiserika 147 zen" vorgeführten konkreten Dinge ein grundsätzlich kosmologisch-natur. philosophisches und enumeratives Realitätsverständnis verbindlich bleibt, führt, wie zu zeigen sein wird, zu einigen der notorischen Verstiegenheiten des Vaiseșika und zu symptomatischen Verständigungsschwierigkeiten zwischen diesem System und seinen Opponenten. Alle Substanzen können im Verhältnis zu ihren Qualitäten als Träger, Substrate (āšraya) bestimmt werden, aber nicht allen kommt es zu, selbst ohne Substrat, „nicht-getragen“ zu sein; nur die ewigen Substanzen sind zugleich auch substratloslo und insofern ohne (materiale) Ursache '7. Nur die teillosen Substanzen, die den teilbaren zugrunde liegen, sind Substrate in absolutem, in keiner Hinsicht eingeschränktem oder bedingtem Sinne. Sie sind die selbst nicht verursachten Ursachen und Substrate der „nicht-ewigen" empirischen Dinge, die ihrerseits Materialursachen und Substrate ihrer Qualitäten sind. Die teillosen Substanzen sind, als das Tragende und Beständige im Vergänglichen und Abhängigen, Substanzen schlechthin. Die Frage nach dem Bestand im Werden, nach seiner letzten Materialursache, gehört in Indien wie im Westen bekanntlich zu den ältesten philosophischen Fragen; und das Substanzproblem in diesem kosmologischen Sinne ist nicht selten sogar als geschichtlicher Ausgangspunkt wissenschaftlich-philosophischen Denkens bezeichnet worden 18. - Schon Aristoteles sieht das Problem der Substanz (ouoia) als eigentliches Leitthema im kosmologisch-physikalischen Denken seiner vorsokratischen Vorgänger; zugleich weist er jedoch auf das grundsätzlich Andersartige seines eigenen Ansatzes hin und hebt hervor, daß der kosmologisch-physi. kalische Ansatz auf den Gesichtspunkt des stofflichen Substrats, der bloßen Unterlage" (Únoxcluevov) beschränkt bleibt und weder zum Begriff der Substanz als konkretes Ding (TÓSE TI) noch zu einer Unterschei. dung von „Bodeutungen des Seins“ und damit zu einer kategorialen Be. stimmung des Verhältnisses von Substanz und Qualität gelangt. Auch in der indischen Tradition ist, wie schon bemerkt, das Substanzthema ein in seinen Ursprüngen kosmologisches Thema; und in kos mologischem Kontext wird auch die Konzeption der Qualität" (una) 10 Vgl. PB 21: andsritatvanityatve ca-anyatra-avayavidnavyobhyan. 17 Vgl. PB.17: karyatvdnityatve karanavatam eva. 16 Z.B.E. CASSIRER, Substanzbegriff und Funktionsbegriff (Berlin 1910) 200: „Der logische Gedanke der Substanz steht an der Spitze der wissenschaftlichen Weltbetrachtung überhaupt; er ist es, der geschichtlich die Grensncheide zwischen Forschung und Mythos vollzieht.“ 10 Vgl. 2. B. Metaphysik 992 b 18 ff. (zum Ungenügon des Bogriffs des Elemento", GrouxeTov).

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