Book Title: Zur Genese Des Buddhismus In Seinem Geschichtlichen Context
Author(s): Johannes Bronkhorst
Publisher: Johannes Bronkhorst

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Page 5
________________ bung und auf den Weg, der dazu führt; dies sind die vier edlen Wahrheiten. Dem Thema der Befreiung vom Leiden wird, soviel ich weiß, in den alten buddhistischen Texten nie widersprochen. Wir können also davon ausgehen, daß es ein Hauptthema der Unterweisung des Buddha war. Dieses Thema wird sehr oft in der Form der sogenannten vier edlen Wahrheiten ausgedrückt. Die Erklärung der vier edlen Wahrheiten verbindet nun aber das Leiden mit dem Kreislauf von Wiedergeburten. Sie identifiziert die Entstehung des Leidens als den Durst, der von Wiedergeburt zu Wiedergeburt führt. Es scheint mir deshalb gewagt und auch nicht nötig zu behaupten, der Buddha habe nur die Befreiung vom Leiden gepredigt ohne Glauben an den Kreislauf der Wiedergeburten. Nach diesem Exkurs über die wahrscheinliche Motivation des historischen Buddha wenden wir uns jetzt der Frage zu, wohin uns unsere Methode bezüglich der durch ihn gepredigten Lehre führt. Der Buddha hat die Befreiung vom Leiden und (wahrscheinlich) vom Kreislauf der Wiedergeburten gepredigt, eine Befreiung, die er angeblich selber gefunden hat. Zu dieser Befreiung führt ein Weg, den der Buddha selber gegangen sein soll. Über diesen Weg gibt es viele oft widersprüchliche Angaben in den alten Texten, und gerade hier ist die oben dargestellte Methode imstande, das Nichtauthentische - oder vielleicht besser: einiges Nichtauthentisches - auszuscheiden. Was übrigbleibt, ist im wesentlichen folgendes: Um die Befreiung zu erreichen, muß man sich aus der normalen Welt zurückziehen. In späterer Zeit bedeutet dies meistens, daß man als Mönch in ein Kloster eintritt. In ältester Zeit zog man, wie es aussieht, jedoch als Bettler herum, ganz alleine. Nebst dem Befolgen von sittlichen Geboten und Verboten werden besonders Aufmerksamkeit und Bewußtheit bei allem Handeln als äußerst wichtig betont. Um die Befreiung zu erlangen ist es zunächst nötig, sich der Versenkung zu widmen. Diese kulminiert in den vier sogenannten Versenkungsstufen (dhyana), die öfters wie folgt beschrie. ben werden: Nachdem er den) Hindernissen entsagt hat und die schwächenden Störungen des Sinnes erkannt hat, erlangt er durch Loslösung von den Begierden und Loslösung von den unheilsamen psychischen Eigenschaften, unter Nachdenken und Überlegen, durch diese Loslösung entstandene Befriedigung und Wohlbehagen und verharrt darin. Das ist die erste Versenkungsstufe. Nachdem Nachdenken und überlegen zur Ruhe gekommen sind, erlangt er innere Beruhigung und Konzentration des Geistes und so, frei von Nachdenken und Überlegen, durch diese Sammlung entstandene Befriedigung und Wohlbehagen und verharrt darin. Das ist die zweite Versenkungsstufe. Nach Abkehr von der Befriedigung verharrt er gleichmütig, aufmerksam und bewußt und empfindet mit seinem Körper Wohlbehagen. Das ist es, wovon die Edlen sagen: Er ist gleichmütig, aufmerksam und verharrt in Wohlbe. hagen." Das ist die dritte Versenkungsstufe. Nachdem er Wohlbehagen und Mißbehagen von sich getan hat und früher noch Wohlgefallen und Mißfallen geschwunden sind, erlangt er frei von Misbehagen und Wohlbehagen, reinen Gleichmut und Aufmerksamkeit und verharrt darin. Das ist die vierte Versenkungsstufe. Diese vier Versenkungsstufen sind immer noch bloße Vorbereitung. Das entscheidende Geschehnis findet in der vierten Versenkungsstufe statt, ist aber nicht mit ihr identisch. Dieses Geschehnis wird in den Texten in vie. lerlei unterschiedlichen Weisen beschrieben, doch stimmen die meisten wohl darin überein, daß hier mit Hilfe einer bestimmten Erkenntnis die Befleckungen vernichtet werden. Was genau mit dem Wort Befleckungen' (ásrava/āsavagemeint wird oder besser: wurde, ist nicht klar. Das Resultat ist aber unverkennbar. Die Texte bringen es folgendermaßen zum Ausdruck: Indem er solches erkennt, solches schaut, wird sein Geist von den Befleckungen (die Texte zählen hier drei Arten von Befleckungen auf, die ich aber weg. lasse, JB]" erlöst. Nachdem der Geist befreit ist, entsteht bei ihm die Ein: sicht: Ich bin befreit, Vernichtet ist die Wiedergeburt, gelebt ist der hei. lige Wandel, getan ist, was zu tun war, damit ich nicht wiederum hierher zurückkehre." Also erkennt er! Viel bleibt notwendigerweise unklar in diesen und ähnlichen Textpassagen. Zu bemerken ist, daß hier die Befreiung in erster Linie als Befreiung von der Wiedergeburt dargestellt wird. Nach der Erkenntnis: Ich bin befreit", folgt nämlich sofort: Vernichtet ist die Wiedergeburt". Das Leiden wird hier überhaupt nicht erwähnt. . Einiges scheint mir klar aus diesen und ähnlichen Textstellen hervorzugehen: Erstens wäre es ein Irrtum zu glauben, der Buddha habe in erster Linie einer mystischen Erfahrung nachgestrebt. Dies scheint mir in Widerspruch mit den Texten. Das Ziel ist, soweit ich sehe, nie die Erfahrung, sondern die Befreiung. Wenn mystische Erfahrung überhaupt auftritt, dann . Ch. Zafiropulo gibt Gründe an für die Annahme, daß die Unterteilung in drei oder vier Arten von Befleckungen erst später zustande gekommen ist diese Annahme ist auch aus ande ren Gründen verlockend. In: L'illumination du Buddha: de la quête à l'annonce de l'éveil Essais de chronologie relative et de stratigraphie textuelle Innsbrucker Beiträge zur Kultur wissenschaft. Sonderheft, 87), Innsbruck 1993, 101 1. Er gibt auch (S. 125) eine originelle Deu. tung des Unterschiedes zwischen dem Teil der vier edlen Wahrheiten und dem, der die Auf. hebung der Befleckungen betrifft. 198 199 .

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