Book Title: Zur Genese Des Buddhismus In Seinem Geschichtlichen Context
Author(s): Johannes Bronkhorst
Publisher: Johannes Bronkhorst

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Page 4
________________ Dieser Komplex bewegt sich um den Glauben an einen Kreislauf von Wie dergeburten, der durch die Werke (karman), die man in einem vorangegangenen Leben getan hat, bestimmt wird. Verschiedene religiöse Bewe. gungen jener Zeit suchten diesem Kreislauf, jedenfalls auf individueller Ebene, ein Ende zu setzen. Um dies zu erreichen, glaubten einige, daß man alle Werke unterdrücken müsse; bestimmte Asketen gingen so weit, durch bewegungsloses Fasten den Tod zu suchen. Andere wiederum glaubten, es gehe darum zu entdecken, daß der Kern des menschlichen oder auch, im Falle von Tieren und anderen Lebewesen, des nicht-menschlichen) Wesens, sein wahres Selbst, überhaupt nicht an Werken beteiligt und deswegen beständig und nicht dem Wechsel unterworfen ist. Wenn man dies entdeckt oder realisiert hat, sei man vom Kreislauf der Wiedergeburten befreit. Wie gesagt, die soeben besprochene Methode führt zu dem Schluß, daß die älteste uns erreichbare Form des Buddhismus - und ich werde auch weiterhin, obwohl mit Vorsicht, vom Buddhismus des Buddha sprechen - diese beiden Wege zur Befreiung abgelehnt hat. Man erreicht die Befreiung nicht durch bewegungslose Askese noch auch durch die Einsicht in die wahre, d. h. nicht-aktive Natur des Selbstes. Aber die Ausgangsproblematik - der Glaube an einen durch Werke bedingten Kreislauf von Wie. dergeburten und die Suche nach Befreiung davon - durchdringt die alten buddhistischen Texte und könnte von Anfang an dem Buddhismus eigen gewesen sein. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die Ablehnung der zwei üblichen Befreiungsmethoden - in Verbindung mit der vorhandenen Problematik von karman und Wiedergeburt - die spätere Tendenz des Buddhismus, fremde Lehren in leicht angepaßter Gestalt in sich aufzunehmen, weitgehend erklären kann. Wenn nämlich Werke zu Wiedergeburten führen, dann liegt es auf der Hand, daß man, um nicht mehr wiedergeboren zu werden, den Werken ein Ende setzen muß; auch das Realisieren, daß man in Wirklichkeit nie gehandelt hat, führt zum erwünschten Resultat. Haupt. sache ist aber, daß den Werken in befriedigender Weise Rechnung getragen wird. Es sieht so aus, als ob für bestimmte Buddhisten die vom Bud. dha gepredigte Lösung nicht so elegant und befriedigend auf die Problematik der Werke gepaßt hat wie die ihrer Konkurrenten. Der Vorschlag ist gemacht worden, daß der historische Buddha überhaupt, oder vielleicht nur am Anfang seiner Laufbahn, nicht an den Kreis lauf von Wiedergeburten geglaubt hat. Dieser Vorschlag ist auf den ersten Blick sehr verlockend. Falls es zutreffen würde, daß der Buddha (wenigstens anfangs) keine Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten gesucht und später gepredigt hat, könnte man ihm auch nicht vorwerfen, daß seine Lösung nicht auf die Problematik der Werke eingeht. Leider ist es so gut wie unmöglich, diesen Vorschlag zu beweisen. Die gerade dargestellte Methode ist ihm gegenüber hilflos, weil der Glaube an den Kreislauf von Wiedergeburten in den alten Texten meines Wissens nie bestritten wird. Die Frage ist auch gestellt worden, ob karman schon im frühen Buddhismus in der Wiedergeburtslehre eine Rolle gespielt hat. Hier wird der Glaube an die Wiedergeburt zwar anerkannt, nicht aber die Rolle der Werke als bedingendes Element. Auch diese Annahme würde die gerade dargestellten Schwierigkeiten lösen. Und tatsächlich erwähnen die alten Texte statt der Werke öfters den Durst als bedingendes Element. Es scheint mir, daß die soeben dargestellten Probleme weder die erste noch auch die zweite Lösung brauchen. Die Vorstellung von Werken im Buddhismus ist nicht streng physisch, wie dies zum Beispiel im Jinismus der Fall gewesen zu sein scheint. Im Buddhismus spielen der Durst und die Absicht eine große Rolle, und nichts spricht dagegen, daß dies vom Anfang an der Fall gewesen sei. So gesehen ist das Verlangen oder der Durst genauso wichtig oder sogar wichtiger als die konkret-physischen Werke.' Und weil es nun eben nicht in erster Linie um die konkret-physischen Werke ging, waren die Immobilisierungsversuche anderer keine möglichen Lösungen zum Problem. So gesehen war es das Mißverständnis späterer Buddhisten über die Natur der Werke innerhalb ihrer Religion, das letzten Endes für die Entlehnungen aus anderen Religionen verantwortlich ist. Übrigens reden die alten buddhistischen Texte nicht nur von der Befreiung von Wiedergeburten, sondern ebenso von der Befreiung vom Leiden, Tatsächlich hat man öfters den Eindruck, daß das Leiden wenn möglich noch wesentlicher ist für den frühen Buddhismus als der Kreislauf von Wie. dergeburten, wie zum Beispiel in der folgenden Textpassage: „Früher wie auch heute, o Mönche, lehre ich nur das Leiden und die Aufhebung des Leidens." Die Unterweisung in der Lehre des Buddha, sagen andere Textstellen, bezieht sich auf das Leiden, auf dessen Ursprung, dessen Aufhe Bronkhorst, The Twn Traditions of Meditation in Ancient India, Delhi 1993, 31-67. Ähnlich Brhadāranyaka-Upanisad 4,4,6 (vgl. Vertet. Das Erwachen des Buddha, a, a, O. (Anm. 4) 54. Anm. 20. 196 197

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