Book Title: Zur Genese Des Buddhismus In Seinem Geschichtlichen Context
Author(s): Johannes Bronkhorst
Publisher: Johannes Bronkhorst
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szendenzerfahrung. Sie stünde dann anderen Stellen nahe, an denen es heißt, daß die,todlose Stätte' (amatam padam) mit dem Körper berührt werde. Das klingt nicht nach bloßer Psychotherapie. Es trifft zwar zu: daß in den Texten manchmal erlösende Erfahrungen beschrieben werden, die den Eindruck einer relativ intellektualistischen Einsicht machen. Deshalb aber den anderen Strang, demzufolge die erlösende Erfahrung auf einer anderen, tieferen Ebene abläuft, auszugrenzen, weil es das auch außerhalb des Buddhismus gibt - im Sinne der bereits diskutierten Kriterien für die Authentizität bzw. Inauthentizität bestimmter Texte (vgl. oben S. 207 f.) - erscheint mir doch problematisch. Nihom Herr Bronkhorst hat, wie ich meine, implizit davon gesprochen, daß Religion immer etwas Numinoses an sich hat, und das möchte er größtenteils vom Buddhismus, insbesondere vom frühen Buddhismus, ausgeschlossen wissen. Natürlich kann man sich fragen, ob das eine gute Definition von Religion ist, was ich selber eher bezweifeln möchte. Neufeld von einer anderen Seite kommt der folgende Versuch, die Fragen, die sich im Anschluß an das letzte Referat ergeben haben, miteinander in Beziehung zu bringen. Der Begriff, religio'ist ja im Christentum sehr lange für das Ordensleben gebraucht worden: der
homo religiosus'ist der Ordenschrist. In diesem Licht betrachtet- es war ja auch öfters vom Buddha als Gründer eines Ordens oder einer ordensähnlichen Gemeinschaft die Rede-könnte man meinen, daß der Schwerpunkt seiner Lehre auf einer Art Lebensregel liegt, daß seine Lehre zunächst einmal nicht eine Theorie ist, sondern Anweisung zu einer Lebensform. Was aber soll in dieser Lebensform geschehen? Offensichtlich - ähnlich wie im Christentum, aber auch in anderen Religionen - so etwas wie eine Bekehrung eine Entscheidung zu etwas Radikalerem, Verbindlicherem, zu etwas Forderndem. Ist in diesem Sinne
nicht auch der Buddhismus zu verstehen: nicht nur als eine theoretische Ausrichtung, sondern als Versuch einer radikaleren Lebensausrichtung? Heißt es dort nicht so sehr, daß ich irgendeine Wahrheit gefunden habe, die die anderen nicht so gesehen haben, als viel mehr: ich habe eine Verpflichtung entdeckt, der ich jetzt nachleben will und deren Wert auch darin liegt, wieweit ich ihr nachlebe? Vielleicht kann diese Überlegung auch helfen, eine gemeinsame Basis zu finden in Fragen, bei denen man oft Gefahr läuft, Worte zu gebrauchen, die in dem einen Sinn so und in einem anderen Sinne wieder anders zu verstehen sind, wie dies beispielsweise bei dem Begriff, Divinisierung' zutrifft. Hat der Buddha keinen Gottesbegriff, hat doch offensichtlich die ganze Frage, ob der Buddha, divinisiert worden ist, von vornherein einen ganz anderen Stellenwert. Becker Damit nimmt unsere Diskussion jetzt eine ganz interessante Wendung, so daß ich mich als christlicher Theologe frage, ob wir uns nicht dem Zeitgeist hier im Westen so sehr ausgesetzt haben, daß wir von Bekehrung von Ordensleben usw. gar nicht mehr reden können und jetzt im Buddhismus auf Elemente stoßen, die auch Teil unserer Religion sind und die uns dazu veranlassen, wieder nach entsprechenden Begriffen zu suchen. Schmithausen Was Herr Neufeld sagte, finde ich sehr zutreffend. Es läßt sich auch zu fast allem ein entsprechender buddhistischer Terminus finden. Was wir mit,die Lehre' wiederzugeben pflegen, ist nicht desana (das Lehren'), sondern dhamma, und dhamma (skt. dharma) hat einen ausgeprägt praktisch-normativen Sinn. In der Hindu-Tradition werden damit Normen des Verhaltens, des richtigen Verhaltens, bezeichnet. Dies trifft auch für den Buddhismus an vielen Stellen zu, an denen mit dhamma moralische Verhaltensweisen oder spirituelle Praktiken gemeint sind. Und es sind in der Tat die Mönche und Nonnen, die
,religio' als
Anweisung zu einer radikaleren Lebensform
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