Book Title: Zur Genese Des Buddhismus In Seinem Geschichtlichen Context
Author(s): Johannes Bronkhorst
Publisher: Johannes Bronkhorst

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Page 7
________________ schen der Lehre des Buddha und den Ansichten sogar seiner frühesten Schüler zu betonen. Bestimmte Forscher weisen wohl mit Recht darauf hin, es spreche nichts dagegen, daß der Buddha schon während seines Lebens mehr oder weniger als ein Gott betrachtet wurde. Der Buddhismus des Buddha und der Buddhismus seiner ersten (und späteren) Jünger sind also vielleicht völlig verschiedene Sachen. Was ich versucht habe Ihnen anzubieten ist eine Beschreibung der Lehre des Buddha, wie die Texte dies zu ermöglichen scheinen, und nicht das, was seine Schüler geglaubt und praktiziert haben. Und hier finden wir, daß die philologische Analyse der alten Texte dem Gedanken zuzustimmen scheint, daß jeden falls der Gründer des Buddhismus,nur' eine psychische Umwandlung gelehrt hat. Ist dies Religion oder Psychotherapie? Die Antwort hängt wohl davon ab, wie man Religion definiert. Dazu kommt noch folgendes. Wenn man damit einverstanden ist, daß der historische Buddha einen Weg zur Befreiung vom Leiden und von der Wiedergeburt gelehrt hat, einen Weg, wie die Texte es immer wieder betonen, den er selber bis zum Ende gegangen ist, stellt sich im weiteren die Frage, ob ihm dies tatsächlich gelungen ist. Hat der historische Buddha wirklich die Befreiung vom Leiden und von der Wiedergeburt erlangt? Und ist so eine Frage überhaupt sinnvoll? Für diejenigen, die nicht an Wiedergeburt glauben, ist die Frage nach der Befreiung von der Wiedergeburt eine religiöse Frage, die nur inner. halb einer Tradition, in der Wiedergeburt anerkannt wird, sinnvoll ist. Die Wissenschaft kann sich nicht mit ihr beschäftigen. Das gleiche gilt aber nicht für die Befreiung vom Leiden. Das Leiden wird folgendermaßen beschrieben: Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden, mit Unliebem vereint sein ist Leiden, von Liebem getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden, kurz die fünferlei Objekte des Ergreifens sind Leiden." Befreiung vom Leiden in diesem Sinne ist etwas, das jede Person, vielleicht in ganz banaler Weise, beschäftigt. Und Leiden in diesem Sinne ist nicht auf eine oder mehrere religiöse Stromungen beschränkt. Es scheint deshalb sinnvoll und in bestimmter Weise auch notwendig zu fragen, ob es dem historischen Buddha tatsächlich gelungen ist, durch eine psychische Umwandlung die völlige Vernichtung des Leidens zu erreichen, wie es die Texte behaupten. Die Frage ist berechtigt, die Antwort aber äußerst schwierig. Auch wenn wir mit Sicherheit wüßten, was der Buddha gelehrt hat (und Sie haben gesehen, daß so eine Sicherheit kaum zu erreichen ist), würden wir noch immer nicht wissen, ob er die Wahrheit gesprochen hat. Er konnte übertrieben oder sich getäuscht haben. Vielleicht hat er sich auch so geäußert, nur um seine Anhänger anzuregen. Aus den Texten werden wir dies nie wissen. Diese erzählen uns nur, daß der historische Buddha manchmal krank gewesen ist und anscheinend an einer Vergiftung gestorben ist. Dies wurde zwar durch einzelne seiner späteren Schüler als problematisch erfahren, nicht aber, wie es aussieht, durch den Buddha selber. Das bedeutet wohl, daß die von ihm gepredigte Befreiung vom Leiden sich irgendwie nicht auf Krankheiten selber, sondern vielmehr auf das durch sie verursachte Leiden bezieht. Wie dem auch sei, wenn wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß der historische Buddha sich tatsächlich vom Leiden (oder von bestimmten Arten von Leiden) befreit hat, werden wir, wie es mir scheint, nicht mit einem religiösen, sondern mit einem psychologischen Problem konfrontiert. Hier ist nicht die Gelegenheit, weiter auf diese Problematik einzugehen. Hauptsache ist, daß die soeben gestellte Frage: Ist der Buddhismus des Buddha Religion oder Psychotherapie? nicht einfach auf die Seite gelegt werden kann. Zum Schluß noch eine wichtige Frage. Gelangt man mit der Rekonstruktion der Lehre des Buddha zum Proprium des Buddhismus? An dieser Stelle möchte ich den deutschen Indologen Paul Hacker zitieren, der in den folgenden spottenden Worten die Suche nach Ursprüngen kritisiert hat: Der Gelehrte hat einen totalen Sieg errungen. Auf dem philologischen Schlachtfeld liegen die Textkörper, zerschlagen und entseelt, schön in einer Reihe geordnet, neben einem Schutthaufen von inneren Widersprüchen, Mißverständnissen, Verderbnissen. Über dem Totenfeld aber leuchter in der Ferne in positivistischer Abstraktheit die romantische blaue Blume des Ursprungs." Hacker hat wohl recht, Ursprungsfragen kritisch zu betrachten. Leider gibt es keinen anderen Weg, wenn man versucht, etwas über den Ursprung des Buddhismus zu entdecken. Aber Hacker hat sicher recht, daß in dieser Weise vielleicht wenig vom Buddhismus, das heißt von der Religion, die wir heute als Buddhismus kennen und anerkennen, übrigbleibt. Siehe z. B. P. Harrison, Some Rellections on the Personality of the Buddha, in: Otani Gakuho 74 (1995) 1-28, hier: 181. "Siehe P. Harrison, a. a. . (Anm. 12,81; weiters P. Demiéville, Byo - Maladie, in: Hobogirin 3 11937) 224-265, hier: 232 1. "Maladie et sainteté"). .P. Hacker, Kleine Schriften (hrsg. von L. Schmithausen, Wiesbaden 1978, 10. 202 203 .

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