Book Title: Zur Genese Des Buddhismus In Seinem Geschichtlichen Context
Author(s): Johannes Bronkhorst
Publisher: Johannes Bronkhorst
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kreativer Umgang mit der Tradition und seine Herausforderung
ten Phänomen, und ihre Beantwortung kann auch nützlich sein für das Verständnis der Gesamtentwicklung. von Doemming Persönlich von der Sinnhaftigkeit der Frage auch heute noch überzeugt, scheint mir doch manches dafür zu sprechen, den Stellenwert der Orientierung an der Tradition und ihrer geschichtlichen Herkunft zu relativieren. Hier denke ich an den Philosophen Vilém Flusser, der vom Ende der Geschichte", vom „Ende der Schrift" oder vom Ende des linearen Denkens" und vom Universum der Bilder" spricht." Dahinter stecken Theorien und Erfahrungen der heutigen Welt, die etwas mit der,Bodenlosigkeit, mit der ,Hauslosigkeit als Metapher zu tun haben. Schmithausen Es gibt heute gerade auch im westlichen Buddhismus Versuche, mit der buddhistischen Tradition kreativ umzugehen. Soll sie auf unsere Gegenwartsprobleme antworten, ist ein kreativer, flexibler Umgang mit ihr legitim. Doch haben merkwürdigerweise gerade solche Autoren oft das Bedürfnis, ihre Auffassungen an der Tradition festzumachen und zu behaupten: dies war die ursprüngliche Lehre des Buddha, so war es im Urbuddhismus, so sind die kanonischen Texte zu verstehen. Man verhält sich also einerseits kreativ zur Tradition, hält aber anderseits eben jene von Frau von Doemming angesprochene, Hauslosigkeit nicht aus. Zumal dann, wenn sich dies mit offener Polemik gegen die Ergebnisse philologischhistorisch ausgerichteter westlicher Wissenschaft verbindet, komme ich, als Vertreter solcher Wissenschaft, in Schwierigkeiten, wenn die alten Quellen die gewünschte Deutung nicht stützen oder gar deutlich dagegen sprechen. Ein konsequent durchgehaltener Schritt in die, Hauslosigkeit hingegen würde den historischen Ansatz m. E. nicht tangieren.
Vgl. V. Flusser, Ende der Geschichte, Ende der Stadt?, Wien 1992; ders., Krise der Linearität, Bern 1988, ders., Ins Universum der technischen Bilder, Göttingen '1990, sowie: Bodenlos. Eine philosophische Autobiographie (Bollmann-Bibliothek; 10), Bensheim u. a. 1992.
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Buddha
zu Lebzeiten divinisiert"?
Heller Hieß es, daß der Buddha schon zu Lebzei ten vergöttlicht wurde Is. oben S. 201 f.), ist dann die sogenannte, Abschlußpredigt' des Buddha, die im Mahāparinibbana-Sutta (DN 16) überliefert ist, als abwehrende Reaktion Buddhas auf die sich abzeichnende Vergöttlichung zu verstehen? Denn in diesem Sutta verweist der Buddha angesichts seines bevorstehenden Todes und der darum aufkommenden Unruhe unter seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen von sich weg auf die Lehre und erinnert seine Gemeinde daran, daß die Lehre- und nicht die vergängliche Person des Buddha - ihnen Zuflucht und rettende Insel sein solle.'
Nihom Was die Frage der Vergöttlichung des Buddha anbelangt, sollte man jedenfalls daran denken, daß es in Indien die Tradition der Gurus gibt: des acarya, des Meisters, der immer in einer bestimmten Weise vergöttlicht bzw. verehrt wird. Es gälte daher im Interesse der gestellten Frage, dem nachzugehen, wie in den Zeiten des Buddha die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler gelebt und verstanden wurde. In jedem Falle sollte man es vermeiden, die sehr ausgeprägte Idee des Lehrers, wie sie in den Upanisaden zutage tritt, ohne weiteres auf die Zeit des Buddha zu übertragen.
Schmithausen Ich finde den Begriff, Vergöttlichung' etwas problematisch, jedenfalls differenzierungsbedürftig. Gewiß ist dem Buddha schon zu Lebzeiten aufgrund seiner spirituellen Vollkommenheit und seines Charismas Verehrung gezollt worden, und es dürften ihm aus dem gleichen Grunde übernormale Fähigkeiten zugetraut worden sein. In gewissem Sinne steht er, als Erlöster und Erwachter, sogar über den Göttern (vgl. Vin I: 8), die ja nach buddhistischer Auffassung immer noch im samsåra befangen sind. Die spätere
Vgl. M. Winternitz, Der ältere Buddhismus nach Texten des Tipitaka, Tübingen '1929, 17-27.
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