Book Title: Zur Advaitischen Theorie Der Objekterkenntnis
Author(s): Lambert Schmithausen
Publisher: Lambert Schmithausen

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Page 2
________________ 330 LAMBERT SCHMITHAUSEN 1. 1. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schulen fehlt im Advaita-Vedānta eine einheitliche Stellungnahme zum Grundproblem der Erkenntnistheorie, zur Frage des Verhältnisses von Subjekt und Objekt. Obwohl die Mehrzahl der Advaitins trotz ihrer illusionistischen Ontologie die Auffassung vertrat, das Objekt (worunter hier und im folgenden vor allem das äußere Objekt verstanden sein soll) sei nicht vom Subjekt bzw. dessen Erkenntnisakt gesetzt, sondern diesem vielmehr vorausgesetzt, gab es auch Lehrer, die das Objekt partiell oder total als eine Schöpfung des Subjektes auffaßten. a) Nach Mandanamiśras Brahmasiddhiḥ z. B. ist die gesamte vielheitliche Welt als solche eine Verfälschung des [in der reiner-Anschauung, avikalpakam pratyakşam (BSi 71, 1) erlebten, aber nicht begriffenen (vgl. BSi 70, 16: niscayāśaktau)] einheitlichen Brahman durch die Vorstellungen (vikalpāḥ, kalpanāḥ) der Einzelseelen (vgl. BSi 10, 3ff.) 1 und somit immer ein Produkt des jeweiligen einzelnen Subjektes. Die Identität der Außenwelt für alle Lebewesen ist nur scheinbar und in Wirklichkeit bloße Gleichheit?, beruhend wohl auf der Gleichheit der Vorstellungstätigkeit, des "zerstreuenden" oder "projizierenden" Nichtwissens (viksepikā avidyā, vgl. BSi 149, 17ff.), bei den betreffenden Lebewesen. b) Ein anderes Beispiel, aus späterer Zeit, ist das System Prakāśānandas, nach dessen Ansicht Sein nur Bewußtsein ist (pratātimātram sattvam, pratītir eva sattvam, VSM 43, 5 u. 7). "Wie die Traum(welt), (obwohl) nur Bewußtsein (vijñānamātram), als in Erkennen und Erkanntes gespalten aufgefaßt wird, so auch die Welt des Wachens" (VSM 54, 5f.). Dieser radikale Idealismus scheint schon durch seine Terminologie (vijñānamātram!) seine Bezogenheit auf den buddhistischen Vijñānavāda zu verraten. Auch ist es gewiß kein Zufall, wenn im Siddhāntaleśasaņgrahaḥ (p. 362, 2f.) als Stütze für diese Form des „Drşti-srsti-vādaḥ" ein deutlich vom Vijñānavāda beeinflußter Vers aus dem Vişnupurāņam 3 zitiert wird. Auch Maņdanas Lehre von der Idealität der Vielheit ist, als Umkehrung von Dharmakirtis Lehre von der Idealität der Gemeinsamkeit (sāmānyam) (vgl. VV, Studie § 134), buddhistisch inspiriert. 2. Die meisten Advaitins, insbesondere auch der spätere Sankara 4 und seine Nachfolger, hielten demgegenüber daran fest, daß das Objekt nicht vom 1 Vgl. VV, Studie $ 134b. 2 Vgl. Viv 693, 7, nach Citsukha die Auffassung Mandanamisras. Eine entsprechende Aussage scheint zwar in der BSi zu fehlen, doch ist dieser Gedanke (der übrigens dem Yogācāra entlehnt zu sein scheint, vgl. Taisho, Bd. 31, p. 10 c 14-16) m. E. eine notwendige und adäquate Explikation des stark von Dharmakirti und dem buddhistischen Vijñānavāda beeinflußten Systems der BSi. 3 Vgl. hierzu HACKER in OLZ, LV 7/8, p. 350. Vgl. T. VETTERS Beitrag zum vorliegenden Band.

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