Book Title: Candramati Und Sein Dasapadarthasastram
Author(s): Erich Frauwallner
Publisher: Erich Frauwallner

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Page 2
________________ philosophischen Schulen so vertraut, daß er sicher kein ganz unbedeutendes Werk mitbrachte, um es zu übersetzen und mit seiner Hilfe seinen Schülern die Kenntnis eines der führenden philosophischen Systeme Indiens zu vermitteln. Außerdem ist auch die Begründung, welche Ui für seine Beurteilung gibt, anfechtbar. Er folgert die späte Entstehung des Werkes daraus 3), daß der berühmte buddhistische Lehrer Dharmapāla, vor allem in seinem Kommentar zum Catuḥśatakam des Aryadeva ), die Lehre von den sechs Kategorien bekämpft, während Candramati darüber hinaus zehn Kategorien lehrte; Dharmapāla könne also das Werk Candramati's noch nicht gekannt haben. Aber dieser Schluß ist nicht zwingend. Die Lehre von den sechs Kategorien ist alte Schullehre des Vaiśeşika und wurde nie aufgegeben. Candramati's Lehre stellt daneben eine heterodoxe Entwicklung dar, die nicht durchgedrungen ist. Die Polemik Dharmapala's konnte sich also gar wohl mit der orthodoxen Lehre der Schule auseinandersetzen, ohne diese Nebenentwicklung zu berücksichtigen. Dazu kommt noch Folgendes. Die Polemik Dharmapala's stammt aus dem Kommentar zu einem Werk, das Jahrhunderte älter war und die Lehre von den zehn Kategorien gar nicht kennen konnte. Er hatte also gerade hier am wenigsten Anlaß, mit seiner Polemik über den überkommenen Rahmen hinauszugehen, der sich auf die sechs Kategorien. beschränkte. Damit fällt die Notwendigkeit weg, Candramati nach Dharmapāla anzusetzen. Das hat aber zur Folge, daß auch sein Verhältnis zu Prasastapāda fraglich wird. Ui glaubte bei dem von ihm angenommenen zeitlichen Verhältnis, jede Übereinstimmung mit Prasastapāda als Abhängigkeit deuten zu dürfen. Nun müssen wir mit der Möglichkeit rechnen, daß das Verhältnis umgekehrt ist. Schließlich müssen solche Übereinstimmungen überhaupt vorsichtiger beurteilt werden, als es bei Ui geschieht. Die Kategorienlehre des Vaiseṣika ist in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten entstanden, hatte also zur Zeit Hiuan-tsang's eine Geschichte von fast einem halben Jahrtausend hinter sich. Es ist nicht anzunehmen, daß diese Entwicklung, abgesehen von den Sūtren, nur in den Werken Prasastapāda's und Candramati's ihren Niederschlag fand. Wir werden wenigstens mit Kommentaren zu den Sūtren rechnen müssen, und auch solche Kommentare konnten nach indischem Brauch Vieles enthalten, was über den erklärten Text hinausging. Jedenfalls ist es ratsam, wo Übereinstimmungen vorlie 66 3) a. a. O., S. 9 f., vgl. auch S. 2 f. 4) T 1571.

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