Book Title: Candramati Und Sein Dasapadarthasastram
Author(s): Erich Frauwallner
Publisher: Erich Frauwallner

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Page 18
________________ Das Vaiseșika ist aus einer alten Naturphilosophie hervorgegangen. Erst allmählich hat sich auf dem Boden dieser Naturphilosophie die Kategorienlehre entwickelt, nach der dann das ganze System umgestaltet wurde. Diese Geschichte des Systems spiegelt sich deutlich in den Sūtren. Neben Abschnitten, welche die alte Naturphilosophie noch rein wiedergeben, stehen solche, die die Spuren späterer Umarbeitung tragen, und dazwischen immer wieder Einschübe aus den verschiedensten Zeiten, in denen die Kategorienlehre niedergelegt ist. Daher stammt auch das bunte Aussehen des Werkes und man hat es nicht mit Unrecht als den unübersichtlichsten unter den alten Sūtra-Texten bezeichnet. Es ist nun klar, daß unter diesen Umständen die Darstellung der Lehre in den Sūtren auf die Dauer nicht genügen konnte, und daß auch Darstellungen in Kommentarform, welche sich an die Sūtren anlehnten, unbefriedigend ausfallen mußten. Es war das dringende Bedürfnis nach einer neuen Darstellung gegeben, welche den Stoff in besserer übersichtlicher Form brachte und welche vor allem die Kategorienlehre, die allmählich zum Hauptbestandteil des Systems geworden war, zusammenfassend behandelte. Das Daśapadārthaśās. tram Candramati's ist nun ein Werk, welches diese Forderungen erfüllt. Nehmen wir also an, daß Candramati der erste war, der den kühnen Schritt tat, sich von der Darstellung der Sūtren freizumachen und die Kategorienlehre in selbständiger Darstellung zu behandeln, so ist sein Ruhm verständlich. Denn tatsächlich war das ein entscheidender Schritt, welcher eine Umwälzung in der Geschichte des Systems bedeutete. Und so dürftig sich sein Werk neben dem Prasastapāda's ausnehmen mag, von diesem Gesichtspunkt aus gesehen war es eine bedeutende Leistung. Aber auch das Werk Prasastapāda's wird unter diesen Voraussetzungen erst recht verständlich. Wie kam er dazu, nach Candramati sein Werk zu schreiben? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns Folgendes vor Augen halten. Candramati's Werk war vom Standpunkt der Vaišeşika-Schule in doppelter Hinsicht anfechtbar. Zunächst hatte Candramati über die Kategorienlehre die alte Naturphilosophie vollkommen vernachlässigt. Besonders schwer aber wog folgendes. Candramati war in der Kategorienlehre von der orthodoxen Schule abgewichen und hatte an Stelle der herkömmlichen sechs Kategorien zehn gelehrt. Es ist verständlich, daß gerade der Mann, der den revolutionären Schritt tat, dem System über die Sūtren hinweg eine vollkommen neue Form zu geben, auch in anderen Dingen 82

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