Book Title: Zur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie Author(s): Wilhelm Halbfass Publisher: Wilhelm Halbfass View full book textPage 5
________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie 281 mäßiger Zugehörigkeit verteilt; ein jeder hat sich gemäß seiner geburtsmäßigen Position zu bewähren. Ein „guter" Sūdra mag ethisch „besser“ sein als ein „schlechter" Brahmane; aber solche ethische Rangordnung ändert doch nichts daran, daß ein Brahmane stets Brahmane und ein Śūdra stets Sūdra zu bleiben hat 15). Das Respektieren dieser hereditären Zugehörigkeit und das Vermeiden von Vermischung (samkara) ist selbst wiederum, gemäß dem Begriff des svadharma, ein Maßstab und sogar eine fundamentale Bedingung ethischer Bewährung: Besser ist es, sein eigenes standesgemäßes Werk schlecht, als das Werk eines anderen Standes gut zu tun 16). In den Umkreis sprach- und erkenntnistheoretischer Erörterungen wird das Problem der Kastenbezeichnungen und Kastenunterschiede ,entsprechend der „Nebenordnung“ ethischer und biologischer Momente, im Mahābhāşya des Patañjali einbezogen. In einem Abschnitt des Tatpuruşāhnika 17) (zu Pānini II, 2,6: nan), in dem es um die Funktion der Partikel a — in Bildungen wie abrāhmaṇa geht, wird die Möglichkeit erwogen, daß die Nominalbedeutung, auf die sich die Negationspartikel in einem solchen Falle bezieht, im Sinne einer Summierung von Eigenschaften (gunasamudāya) zu verstehen ist, daß also das a- in diesem Zusammenhang einen Mangel oder eine Unvollständigkeit anzeigt. Gleichzeitig ist dadurch die Anwendbarkeit des Wortteiles -brāhmaṇa erklärt, insofern ein Teil derjenigen Eigenschaften, deren Gesamtheit die volle Bedeutung des Wortes brāhmana ausmacht, auch in der Zusammensetzung mit der Negationspartikel erhalten bleibt. Den traditionellen ,,Bedeutungsteilen“ Askese (tapas), Gelehrsamkeit (śruta) und legitime Geburt (yoni) werden mehrere äußerliche Identifikationsmerkmale hinzugefügt 18) (gaura, śucyācāra, pingala, ka pilakeśa, d. h. hellfarbig, von einwandfreiem Lebenswandel, braunäugig, mit rotbraunem Haar). Im Sinne dieser Interpretation wäre ein mit bestimmten ethischen und physiologischen Merkmalen ausgestatteter vaisya ebenso als ,,Teilbrahmane" anzusehen wie ein Mensch, dessen „Brahmanentum" lediglich in seiner Herkunft von brahmanischen Eltern besteht. - İm ganzen bleibt diese Diskussion jedoch recht unverfänglich, und sie dürfte kaum als Bezugnahme auf schwerwiegende philosophische oder gesellschaftstheoretische Konflikte zu verstehen sein. Der begriffliche Status des Brahmanen usw. erscheint keineswegs als gefährdet, und die Tatsache, 15) Vgl. z.B. Bhagavadgitā I, 41ff. (dazu unten, Anm. 30) und den Gebrauch von svadharma, der den traditionell-hereditären Status stets gelten läßt. 16) A.a. O. III, 35: sreyān svadharmo vigunah paradharmāt svanurthitat; auch XVIII, 47 und Manu X, 97: varam svadharmo viguno, na pärakhyaḥ svanusthitaḥ. 17) Vgl. The Vyakarana-Mahābhāşya, ed. F. Kielhorn, 3rd ed.by K. V. Abhyankar, vol. 1, Poona 1962, S. 411f. 18) Vgl. a.a.O., S. 411: tapaḥ śrutam ca yonió ca-ity etad brāhmaṇakārakam/ tapahérutābhyām yo hino jātibrāhmana eva sah// tathā gauraḥ śucyācārah pingalah kapilakeša ity etān apy abhyantarän brāhmanye gunān kurvanti. [9]Page Navigation
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