Book Title: Zur Theorie Der Kastenordnung In Der Indischen Philosophie
Author(s): Wilhelm Halbfass
Publisher: Wilhelm Halbfass

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Page 27
________________ Zur Theorie der Kastenordnung in der indischen Philosophie 303 Stellungnahmen. Die Argumentation gegen die Ansprüche Kumarilas verrät eine scharfe, an der buddhistischen Kritik geschulte Intelligenz; und schließlich bezeichnet die Verwendung des Terminus upadhi ja auch einen eigenen .-goKKOKI sprach- und erkenntnistheoretischen Standpunkt hinsichtlich dieser Thematik einen Standpunkt, der seine eigene, bis zum Verdacht möglicher Häresie reichende Selbständigkeit und Radikalität hat. I יי נ נ [ Bekanntlich vertritt Kumārilas Schule der Mimāmsā den Hauptstrom der traditionalistischen vedisch-brahmanischen Orthodoxie. Prabhākara und seine Nachfolger sind Außenseiter geblieben und von der Orthodoxie nicht selten der gewollten oder ungewollten Bundesgenossenschaft mit dem Buddhismus verdächtigt worden. Kumārila hat einen besonders prägnanten, freilich auch einseitigen philosophischen Ausdruck für das Eigene und Besondere des hinduistischen dharma gegenüber dem Buddhismus und anderen,,Heterodoxien" gefunden. Dies gilt nicht zuletzt für seine Präsentation der Kastenfrage und für die rigorose Weise, in der er das Sein der Kasten im Begriff des realen Universale verankert und allem Wechsel, aller Mobilität und aller Reduktion auf Kriterien des ethischen Standards und der Verhaltensqualität entzieht. Seine Einstellung und Verfahrensweise gerade auch in der Frage des Kastenwesens wirken noch deutlich nach in manchen Zeugnissen der traditionalistischen Pandit-Literatur der Neuzeit und in der darin vorgetragenen Argumentation gegen Reformer und Neudeuter. Vasudeva Sastrin Abhyankara wendet sich gegen das,, Geschwätz" (pralapa) der,,Modernen" (adhunika), die den Sinn der Kastenbezeichnungen auf Verhaltensweisen beziehen wollen und postulieren, daß jemand durch sein Verhalten Brahmane werden und daß er seinen Kastenstatus somit ändern könne 105). Auch er bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Bhagavadgītā und betont, daß die in Vers XVIII, 42 aufgezählten ..wesensgemäßen Verhaltensweisen des Brahmanen" (brahmakarma svabhavajam) keinesfalls für eine ethisierende Auslegung in Anspruch zu nehmen seien: Denn diese Verhaltensweisen, wie Mäßigung usw., seien nicht als Faktoren, die das Brahmanentum allererst herstellen, gemeint, sondern lediglich als Pflichten, die ihm zukommen 106). Brahmanentum usw. als solches kann nur mit der Geburt erworben werden. Es ist ein echtes reales Universale (Abhyankara spricht von jāti und jätisämänya) und völlig den biologischen Species gleichgeordnet. Mögen sie der äußeren Gestalt nach auch ähnlich sein, so sind Brahmanen, Kṣatriyas usw. doch ebenso verschieden voneinander wie Löwen und Elefanten. Kastenmobilität kann es nicht geben 107). 105) Vgl. seinen Dharmatattvanirnaya, ed. Mārulakara, Poona 1929 (Anandāśrama Sanskrit Ser. 98; unter derselben Bandnummer ist 1935 noch ein Dharmatattvanirnayaparisista erschienen), bes. S. 18-20. 106) A. a. O., S. 18: na hi tatra samādikam karma brāhmaṇatvajātiprayojakatvena-uktam, kimtu brāhmaṇatvajātiprayojyatvena. 107) Vgl. a. a. O., S. 19: tatha ca janmasiddha jätir, na kväpi kathamapi nivartate. [31]

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