Book Title: Wirklichkeit Und Begriff Bei Dharmakirti
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 2
________________ 180 ERNST STEINKELLNER sophischen Umgangssprache in den Werken eines bestimmten Denkers überall genau zu erkennen. Aber ist es nicht gerade so, daß wir geringere Schwierigkeiten haben, bei einem Denker ein besonderes, als Fachausdruck geprägtes Wort zu verstehen als die Bedeutung eines allgemein gebräuchlichen Wortes zu erfassen, das von ihm als Fachausdruck verwendet wird? Die Verhältnisse bessern sich für unseren Fall auch nicht, wenn wir nur vom Gebrauch des Wortes in der philosophischen Literatur der buddhistischen Tradition ausgehen wollten. Auch in ihr ist sein Gebrauch so allgemein, daß wir, solange die historische Entwicklung seiner Bedeutung nicht geklärt ist, kaum einen klaren Ansatz für sein Verständnis innerhalb einer bestimmten Denkrichtung oder bei einem bestimmten Denker haben. Das Wort svabhāvaḥ ist ein determinatives Kompositum mit attributivem Verhältnis der Glieder (Karmadhāraya) und wörtlich mit „Sein, Wesen 3, Werden, welches das eigene ist“ zu übersetzen. Was versteht aber Dharmakirti unter diesem Wort oder wie verstanden sind seine verschiedenen Funktionen als Drehpunkt in Dharmakirtis ontologischen und logischen Lehren möglich? Da die noch nicht geschriebene Bedeutungsgeschichte des Wortes uns einerseits den ausreichenden Schlüssel nicht geben kann, mit dem wir den Zugang zu seiner Bedeutung bei Dharmakirti aufschließen könnten, und andererseits Bedeutungsgeschichte selber nur aus dem Verständnis des Wortes bei bestimmten Denkrichtungen oder Denkern erwächst, muß der Versuch unternommen werden, die Bedeutung des Wortes aus Dharmakirtis Werken selbst zu bestimmen. Die überaus günstige Lage der Überlieferung - alle seine Werke sind auf uns gekommen – müßte auch ausreichende Materialgrundlage dafür sein, dieses Schlüsselwort seiner Philosophie in seiner Bedeutung erfassen zu können. Der Verzicht auf einen bedeutungsgeschichtlichen Ansatz in der vorliegenden Untersuchung bringt allerdings den Nachteil mit sich, daß sich nicht gleichzeitig positiv feststellen läßt, wie groß Dharmakirtis eigener Anteil an der Ausbildung des Bedeutungsspektrums des Wortes genau ist und wieviel er von seinen Vorgängern übernommen hat. Dies 2 Ansätze dazu bei St. SCHAYER, Ausgewählte Kapitel aus der Prasannapadā. Krakowie 1931, XIX f. und 55ff., aber noch weniger im Sinne einer Bedeutungsgeschichte als in dem einer vom Madhyamaka her orien. tierten Bedeutungstypologie. Für die Bedeutung des Wortes im Madhyamaka vgl. die nach SCHAYER weiterführenden Gedanken von J. W. DE JONG (Le problème de l'absolu dans l'école Madhyamaka. Revue philosophique de la France et de l'étranger 140, 1950, 323f.) und J. MAY (Candrakirti Prasannapada Madhyamakavrtti. Paris 1959, Anm. 328). 3 ,,Sein“ und „Wesen" als substantivierte Infinitive des die Existenz aussagenden Vollverbs „sein" (= „wesen“).

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