Book Title: Wirklichkeit Und Begriff Bei Dharmakirti
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 21
________________ Wirklichkeit und Begriff bei Dharmakirti 199 Dies gilt, obwohl die Vorstellung an sich die Funktion erfüllt, falsche Übertragungen von einem Ding fernzuhalten, weil sie ja selber, wenn die Wahrnehmungen so beschaffen sind, daß sie einen Irrtum begründen, solche Übertragungen enthält. Auf diese Weise läßt sich also der Irrtum aus der Vorstellung nicht ausklammern. Hier setzt nun für Dharmakirti die Funktion der Schlußfolgerung (anumanam) ein72. Nur dann nämlich ist die Möglichkeit des Irrtums aus der Vorstellung ausschließbar, wenn sie ihre Funktion des Zuschreibens und Fernhaltens von Begriffen auf Gründe 73 gestützt ausübt. Eine solche vorstellende Erkenntnis, die einem Ding begründet einen Begriff zuschreibt oder von ihm ausschließt, ist Schlußfolgerung. Sie hat nicht nur einen anderen Gegenstand als die Wahrnehmung, den bestimmten Begriff nämlich 74, sondern kann auch durch ein eigens zu begründenden Regeln folgendes Zustandekommen irrtumsfrei sein und darf daher neben der sinnlichen Wahrnehmung als zweite Möglichkeit richtiger Erkenntnis (pramāṇam) gelten. Es überschneiden sich somit im Thema der Schlußfolgerung bei Dharmakirti drei besondere Disziplinen: die Begriffslehre, sofern es um den Gegenstand dieser Vorstellung geht, die Erkenntnislehre, sofern es um die Möglichkeit von Vorstellungen geht, die sich beim Handeln bewähren, und die Logik, sofern die Art des Zustandekommens solcher Vorstellungen und die dabei gültigen Regeln thematisch sind. 2. dharmi und dharmāḥ Die Schlußfolgerung hat es grundsätzlich nur mit Begriffen zu tun. Das lehrt schon Dignaga in einer auch von Dharmakirti (PVSV 2, 22 ff.) verwendeten Stelle: „Dieses ganze Verfahren von Erschließendem (anumānam) und zu Erschließendem (anumeyam) [ist möglich] auf Grund 71,,Die vorstellende Erkenntnis, welche ein Allgemeines zum Gegenstand hat, richtet sich, wenn irgendein [Ding] wahrgenommen wurde, ohne daß [auf dieses Ding] ein Teil eines anderen [Dinges] übertragen worden ist, bloß darauf, diesen [fremden Teil] fernzuhalten, denn die Bestimmungsvorstellung schließt die Übertragungsvorstellung aus." (kvacid dṛṣṭe 'pi yaj jñānam sāmānyārtham vikalpakam | asamāropitänyāmse tanmātrāpohagocaram || niscayāropamanasor badhyabādhakabhāvataḥ | v. 48-49b = 50-51b.) 72 Vgl. FRAUWALLNER, Beiträge zur Apohalehre I. WZKM 39 (1932) 249 ff., besonders 252f. 73 Vgl. unten p. 205 f. 74,,Daher heißt es, daß die Schlußfolgerung (lingam) die Sonderung (apohaḥ) zum Objekt hat; was könnte anderenfalls, wenn der Träger der Beschaffenheiten (dharmi) bekannt ist, außer ihm [noch] unbekannt sein ?" (tasmād apohaviṣayam iti lingam prakirtitam | anyatha dharminaḥ siddhāv asiddham kim ataḥ param || v. 47=49.)

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