Book Title: Wirklichkeit Und Begriff Bei Dharmakirti Author(s): Ernst Steinkellner Publisher: Ernst SteinkellnerPage 18
________________ 196 ERNST STEINKELLNER den Wörter, welche die Gegenstände dieser Vorstellungen ausdrücken. Damit erheben sich die Fragen, was als Gegenstand dieser Vorstellungen zu betrachten sei und ob die Festlegung der Bedeutung „Begriff" auf den Terminus svabhāvaḥ sich nicht gerade hier als zu eng erweise. Da diese Vorstellungen aus psychischen Eindrücken (vāsanā) entspringen, die ihrerseits anfanglos (anādi-) sind, ist zunächst ihre psychische Quelle für Dharmakirti unproblematisch. Ihre Differenzierung erhalten die Eindrücke dadurch, daß sie durch Erkenntnisse (pratyayah) von Seiendem, Nichtseiendem oder beidem geprägt wurden 60; das heißt, daß der sich in der Vorstellung abbildende Gegenstand durch die Erkenntnis als seiend, nichtseiend oder beides bestimmt wurde 61. Dabei ist als Grund für diese differenzierte Bestimmung des Vorstellungsbildes wohl die Praxis des menschlichen Handelns anzusehen, in der sich Seiendes und Nichtseiendes jeweils als solches durch sein Wirksamsein und Nichtwirksamsein deutlich erweist. Die in der Praxis erworbene Erfahrung mit dem Seienden resultiert in einer immer besseren Beurteilung der den Dingen gemeinsamen Unterschiede von anderen Dingen, also einer immer genaueren Begriffsbildung, durch welche die Erkenntnis den Svabhāva der Dinge immer besser bestimmt oder, anders gesagt, einen besseren Begriff von den Bhāsarvajñas selber handelt. Auch nach dieser Stelle sind es die Vorstellungen ,,Hasenhorn usw.", die sich auf Nichtseiendes stützen, und zu den auf beides gestützten Vorstellungen sagt er: „Eine Vorstellung wie erkennbar', ,gestaltlos' usw. stützt sich auf beides, weil die Beschaffenheiten des Erkennbarseins, Gestaltlosseins usw. sowohl bei Seiendem als auch bei Nichtseiendem möglich sind." (prameyāmūrtādivikalpaḥ punar ubhayāśrayah, sadasator api prameyatvämūrtatvādidharmasambhavät.) Dagegen spricht nur die Erklärung des sehr späten Manorathānandin (Pramāņavārttikavrttiḥ, Poona 1938 ff., 361, 2f.), der zwar ebenfalls ,,Hasenhorn usw." als Beispiel für die auf Nichtseiendes gestützte Vorstellung gibt, dann aber für eine auf beides gestützte ,,Urmaterie, Gott usw.". Letzteres steht jedoch offenbar in Widerspruch zu Dharmakirtis Auffassung von der Vorstellung „Urmaterie“ (vgl. Anfang dieser Anm.) und ist außerdem sinnlos. Manorathānandin hat sich hier wohl einfach geirrt. Obwohl also keine Aussage Dharmakirtis angegeben werden kann, möchte ich auf Grund der obigen Stellen doch annehmen, daß er unter einer Vorstellung, die sich auf Seiendes und Nichtseiendes stützt, etwa die des Erkennbarseins versteht und andere Beschaffenheiten, die von Seiendem und Nichtseiendem gleichermaßen aussagbar sind. 60 ,,Diese Vorstellung aber entsteht aus psychischen Eindrücken, die durch Erkenntnisse von Seiendem, Nichtseiendem oder beidem geprägt wurden." (sa tu vikalpah sadasadubhayapratyayāhitavāsanā prabhavaḥ. PVSV 106, 2f.) 61 tatpratibhāsyākārādhyavasāyavasena. PVSV 106, 3.Page Navigation
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