Book Title: Buddhismus Und Natur
Author(s): L Schmithausen
Publisher: L Schmithausen

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Page 20
________________ men war: Die kompromißlose Geltung dieses Gebotes im älteren Buddhismus läßt beides eindeutig ebensowenig zu wie die Tötung sogenannter Schädlinge112 oder das Schlachten von Tieren zum Zwecke des Verzehrs113 Vom Standpunkt der Ethik des Großen Fahrzeugs könnte man allerdings auch anders argumentieren. Während nämlich im älteren Buddhismus - für den Mönch zumindest - die eigene spirituelle Reinheit Vorrang zu haben scheint und deshalb das Gebot des Nichtverletzens (soweit ich sehe) auch von durch Mitleid inspirierten Handlungen nicht gebrochen werden darf, ist es im Großen Fahrzeug umgekehrt (vielleicht unter dem Einfluß der Lebensumstände der Laien): Hier wiegen Mitleid und altruistisches Handeln im Konfliktfall stärker als das Gebot des Nichtverletzens. So heißt es z. B., ein Bodhisattva solle das Vergehen des Mordes auf sich laden, wenn er einen anderen nur dadurch am Begehen eines schweren Vergehens hindern kann, daß er ihn umbringt114. Der Bodhisattva nimmt also schlechtes Karma für sich selbst in Kauf, um einen anderen davor zu bewahren 115. Und weil er dies in altruistischer Absicht tut, trifft ihn am Ende gar keine Schuld116. · Auch rein quantitative Güterabwägungen finden sich: Mord ist erlaubt, wenn man dadurch, daß man einen tötet, das Leben vieler rettet117. Nach dieser Maxime ließen sich möglicherweise auch Tierversuche zu medizinischen Zwecken rechtfertigen (aber nur in engsten Grenzen und sicher nicht zu kosmetischen Zwecken). Das wäre dann eine Frage der Leidensabwägung. Aber warum sollte man aufgrund der gleichen Maxime nicht auch für Menschenversuche plädieren können? Oder für eine - zur Not gewaltsame - Aktion zur Befreiung von Käfighühnern? Gewaltfrei durchgeführt, könnte sich die letztere Aktion sogar ganz konkret auf den traditionellen Vinaya berufen, der, im Zusammenhang mit dem Verbot des Diebstahls, konstatiert, daß es kein Vergehen darstelle, wenn ein Mönch ein in einer Falle gefangenes Wildtier oder in einer Reuse gefangene Fische aus Mitleid freiläßt118. Sie würde überdies an eine alte Tradition anknüpfen, die in buddhistischen Ländern weit verbreitet ist: Dort ist es zu einer Art Zeremonie geworden, zum Verzehr bestimmte oder in Gefangenschaft gehaltene Tiere freizukaufen und in ihrer natürlichen Umgebung auszusetzen119. Auch buddhistische bzw. buddhismusfreundliche Herrscher haben des öfteren zum Schutz von Tieren eingegriffen. Insbesondere der indische Kaiser Asoka (ca. 268-232 v. Chr.) erließ bekanntlich Gesetze, die das 119

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