Book Title: Buddhismus Und Natur
Author(s): L Schmithausen
Publisher: L Schmithausen

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Page 22
________________ Verweigerung der Nahrungsaufnahme bis zum Verhungern und Verdursten. Bei den Jainas kommt dies tatsächlich vor135 Zur Regel wurde aber, insbesondere bei den Jainas, folgender Ausweg: Der Asket darf zwar selbst keinerlei Tötungsakt begehen, veranlassen oder gutheißen, auch nicht zum Zwecke der Nahrungsaufnahme; es ist ihm aber gestattet, von Laien zubereitete Nahrung, die diese ihm spenden, zu verzehren. Das scheint zu implizieren, daß der Asket das im Töten liegende schlechte Karma einfach anderen überläßt, daß er ohne Vergehen bleibt, weil andere ihm das Geschäft des Tötens und damit das Vergehen abnehmen 136. Idealiter ist es aber wohl anders gedacht: Der Asket soll ja nur Speise reste erbetteln, Reste, die einfach von der Mahlzeit übriggeblieben sind und im indischen Klima, ohne Kühlschrank, in kürzester Zeit verderben würden und die, strenggenommen, auch nicht im Hinblick auf etwa anklopfende Asketen bewußt als Überschuß gekocht worden sein dürfen, wenngleich das in der Praxis oft geschehen sein mag. Es spielt selbstverständlich keine Rolle, aus was für Lebewesen diese Almosenspeise hergestellt wurde: gleichgültig, ob es sich um Tiere oder Pflanzen handelt, getötet werden mußten diese vor der Zubereitung allemal. Aber sie sind ohnehin bereits getötet worden, nicht eigens für den Asketen 137. Nun ist es offenkundig, daß eine derartige, jede Art von Tötung oder Schädigung von Lebewesen vermeidende Lebensführung, wenn man sie einmal ohne Rücksicht auf Detailprobleme und mögliche Unzulänglichkeiten in der praktischen Durchführung in ihrer Idealform akzeptiert, dennoch nur die Lebensweise eines kleineren Teiles der Gesellschaft, einer „spirituellen Elite“, eben der von Almosen lebenden Mönche und Nonnen, sein kann. Als ein allgemeines, auch für die Laien verbindliches Verhalten würde das konsequente Nichttöten und Nichtverletzen, Allbeseeltheit vorausgesetzt, de facto wohl zu einem kollektiven Sterbefasten führen. Die Laien mußten sich deshalb mit einer „zweitrangigen“ Moral begnügen, in deren Rahmen die Ansammlung von schlechtem Karma durch Töten praktisch unvermeidbar ist. Dieses Karma wird aber durch das Verdienst, das sie mit Nahrungsspenden an die Mönche erwerben, neutralisiert 138. Die sittliche Reinheit, die für die zur Erlösung führende spirituelle Praxis erforderlich ist und eine konsequente Unterlassung aller Tötungs- und Gewaltakte impliziert, wird durch das Spenden aber nicht wiederhergestellt und ist somit für Laien kaum realisierbar. Dies ändert sich aber, sobald, wie es im Buddhismus weitgehend der 121

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