Book Title: Buddhismus Und Natur
Author(s): L Schmithausen
Publisher: L Schmithausen

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Page 25
________________ In einigen Richtungen des ostasiatischen Buddhismus ist übrigens die Auffassung, daß auch Pflanzen- und manchmal wird auch das Land hinzugefügt - beseelte Lebewesen seien, erneut vertreten worden155. Hierbei scheinen auch philosophische Erwägungen eine Rolle gespielt zu haben: zum einen die (von der Hua-yen-Schule vertretene) Auffassung, daß alles Seiende miteinander verwoben ist und eines am Wesen des anderen teilhat (also auch eine Pflanze am Wesen des Lebendigen); zum anderen die Lehre, daß die wahre Wirklichkeit, die zugleich das Nirvana und sogar die Buddhaschaft konstituiert, in allem Seienden in gleicher Weise vorhanden ist, also auch in den Pflanzen, diese somit ebenfalls Buddha werden können und infolgedessen Lebewesen sein müssen. Es versteht sich, daß unter diesen Voraussetzungen nicht nur die Tiere, sondern auch die Pflanzen, ja sogar die Erde und die ganze Natur an der dem Buddha zu zollenden Ehrfurcht partizipieren. Greifen wir zum Schluß noch einmal die eingangs gestellte Frage auf, ob der Buddhismus für das Eindringen der modernen westlichen Praxis einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur mitverantwortlich ist oder ob zumindest seine traditionellen Prinzipien nicht vielmehr eine Gegenkraft darstellen, die es nur zu mobilisieren gälte. Die Antwort kann, da die Untersuchung auf Teilbereiche der buddhistischen Tradition beschränkt bleiben mußte, nur unvollständig und provisorisch sein, aber sie muß gewagt werden: Die Daseinsanalyse, die die grundsätzliche Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit oder gar Nichtigkeit des Daseins betont, war kein geeigneter Nährboden für einen Unterwerfungsfeldzug gegen die Natur zwecks Aufbau einer angeblich besseren Welt, wie er im Westen stattfand und -findet. Besagte Daseinsanalyse motiviert aber auch keine Aktivitäten zur Verbinderung der gegenwärtigen Naturzerstörung, sondern liefert eher spirituelle Voraussetzungen dafür, Verluste gleichmütig hinzunehmen. Die Natur ist, auch angesichts ihrer dunklen Seiten, zumindest im indischen Buddhismus kein Wert an sich. Das zeigt sich auch in dem weitgehend negativen Verhältnis, in dem nicht nur der endgültige Heilszustand (Nirvāņa), sondern auch der innerweltliche Idealzustand („Glückliches Land") zu ihr steht. Die negative Bewertung natürlichen Daseinsformen schließt aber nicht aus, daß im Buddhismus alle Lebewesen Gegenstand der Ethik und letztlich156 auch Anwärter für das Heil sind. Gerade weil die Lebewesen in der 124

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