Book Title: Buddhismus Und Natur
Author(s): L Schmithausen
Publisher: L Schmithausen

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Page 26
________________ Natur so viel leiden - so könnte man formulieren -, brauchen sie Schonung und Mitgefühl und letztendlich Erlösung. Nicht als bestimmte Arten, sondern als empfindende – und insofern dem Menschen grundsätzlich gleiche - Einzelwesen. Diese fundamentale Gleichheit wird im Großen Fahrzeug mit Hilfe der Lehre von der Allgegenwart der wahren Wirklichkeit bzw. der Buddhaschaft auch metaphysisch untermauert. Es dürfte vor allem diese alle Lebewesen einbeziehende Ethik gewesen sein, die, zumal in Verbindung mit dem Gebot des Nichtverletzens, im buddhistischen Kulturkreis einer rein anthropozentrischen Ausbeutung und Mißhandlung der Natur entgegengestanden hat und auch in Zukunft wieder entgegenstehen könnte. Problematisch erscheint allerdings die im Buddhismus verbreitete Einschränkung, daß nur Tiere Lebewesen seien, nicht aber Pflanzen, auch nicht in analoger Weise. Immerhin bleiben auch so Pflanzen, Erde, Wasser und Luft insofern in das Schädigungsverbot einbezogen, als sie Lebensraum für Tiere sind. Auch die Praxis des Buddhismus, Lokal- und Naturgeister einfach einzugliedern – im Gegensatz zu ihrer Dämonisierung im Christentum , hat, wie am deutlichsten das Beispiel Tibet zeigt, sicherlich dazu beigetragen, daß eine Praxis rücksichtsloser Naturausbeutung nicht aufkam. Die Eingliederung der Naturgeister hat auf diese Weise wohl de facto Gleiches geleistet wie die Allbeseeltheitslehre der alten Asketentradition (und wohl auch des Urbuddhismus), aus der sich ein schonendes Verhalten gegenüber der ganzen Natur um ihrer selbst willen ergibt. Ein Nachteil der Allbeseeltheitslehre ist, daß totale Nichtschädigung praktisch undurchführbar ist. Dies gilt aber im Lichte der neuzeitlichen Mikrobiologie wegen der Einzeller auch für ein auf Tiere (und deren Lebensräume) eingeschränktes Nichtverletzen. Überdies gibt es Konfliktsituationen, in denen die Schonung des einen die Schädigung des anderen impliziert. Das Gebot des Nichtverletzens kann daher als wenigstens annähernd erfüllbares Verhaltensprinzip nur wirksam werden, wenn man, wie es vor allem im Großen Fahrzeug geschehen ist, in ihm nicht ein rigides Tabu sieht, sondern vielmehr eine ethische Leitlinie und es dahingehend auslegt, daß eine Schädigung von Tieren, Pflanzen und Lebenstäumen so gering wie irgend möglich zu halten ist. Als ethische Leitlinie muß das Schädigungsverbot aber auch alle Arten von indirekter Schädigung einschließen, etwa indirekte Schädigung durch Baumaßnahmen oder Chemikalien, auch durch Fernwirkungen (etwa 125

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