Book Title: Anmerkunjen Zu Einer Buddhistichen Texttradition Parlokasiddhi
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 3
________________ 81 Probleme, die er birgt, unserer Kommission vorlegen kann. Er ist kurz. Nur sieben beidseitig in der alten tibetischen Kursive beschriebene Folios zu vier Zeilen im länglichen Pothi-Format, mit einem markierten Schnürloch. Neben dem Text enthält die Handschrift - offenbar von derselben Hand geschriebene interlineare Glossen, die anfangs reichhaltig sind, dann immer spärlicher werden. Inhaltlich ist der Text ein Beispiel für die Art, wie buddhistische Lehrstücke mit langer und oft auch sehr differenzierter scholastischer Tradition schließlich auch auf recht einfache Weise zusammengefaßt worden sind, um so die Ergebnisse der theoretischen Arbeit für die Belehrung und Überzeugung nutzbar zu machen. Und gerade dieser, von der Aufgabe der Vermittlung bestimmte Charakter macht unseren Text in besonderem Maße interessant. Bisher hat man nämlich nur einen einzigen Text desselben Namens gekannt, die Paralokasiddhi des Dharmottara. Sie wurde um 800 n. Chr. verfaßt und ist in einer tibetischen Übersetzung des 11. Jahrhunderts erhalten. Das kleine Werk ist ein reichlich schwieriger Essay zum Nachweis der Kontinuität des Bewußtseinsstromes, und damit natürlich auch der Wiedergeburt. Er wurde von G. ROERICH ins Englische übersetzt?, allerdings mit Mißverständnissen; auch fehlt bis heute eine kritische Textausgabe 8. Diese Paralokasiddhi wurde von den Redaktoren des tibetischen Kanons in die Abteilung „Erkenntnistheorie" (Tshad-ma) aufgenommen. Und das ist berechtigt, weil uns hier ein typisches frühes Beispiel für die verschiedenen „Beweis-Traktate" vorliegt, die in der erkenntnistheoretisch-logischen Schule seit dem 8. Jahrhundert entstanden sind. Von ganz anderer Art ist dagegen unsere Paralokasiddhi. Sie stammt aus einer Tradition, die zwar auch in der erkenntnistheoretisch-logischen Schule ihren Widerhall gefunden hat, aber doch deutlich nicht nur zeitlich über die Anfänge dieser Schule zurückliegt, sondern sich auch methodisch und inhaltlich wesentlich von den Beweis-Traktaten dieser Schule unterscheidet. Es handelt sich bei unserem Text um einen mahāyānistischen Traktat, der in seiner Methodik jenen Kategorien verpflichtet ist, wie wir sie aus dem 10. Kapitel des Samdhinirmocanasūtra kennen. 6 Peking Edition Nr. 5749, übersetzt von Bhavyarāja und Pha-tshab Ni-ma-grags. 7 Indian Culture 15, 1948-1949, 213—22 (ungesehen); Neudruck in G. N. RE RICH, Izbranniye Trudy, Moskva 1967, 235-240. 8 Eine solche Ausgabe wird von mir vorbereitet.

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