Book Title: Anmerkunjen Zu Einer Buddhistichen Texttradition Parlokasiddhi
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 15
________________ 93 der buddhistischen Interessensgebiete zu liegen scheint und die Beschäftigung mit dem Thema teilweise auch apologetischen Charakters ist, hat einer aus jener kleinen Gruppe von tibetischen Übersetzer-Gelehrten des ausgehenden 8. Jahrhunderts, die neben ihrer eigentlichen Tätigkeit auch schon selbständige Werke verfaßt haben, einen Traktat gerade über dieses Thema verfaßt. Das ist auffallend. Und wenn meine Vermutung stimmt, daß nicht nur die Glosse, sondern auch das Werk des Prajñāsena als tibetische Schöpfung zu betrachten ist, hätte es wenigstens zwei derartige Werke gegeben. Zwei Traktate aber wären angesichts der geringen Zahl von aus dieser Zeit erhaltenen oder bekannten tibetischen Originalwerken 32 ein bemerkenswerter Anteil, und es ist erlaubt festzustellen, daß der Nachweis der Wiedergeburt als Thema von besonderem Interesse für die tibetischen Träger dieser ersten Ausbreitungsperiode der Religion gewesen ist. Warum aber war der Nachweis der Wiedergeburt in dieser ersten Periode der Übernahme des buddhistischen Schrifttums und damit wesentlicher kultureller Schöpfungen Indiens durch die Tibeter von besonderem Interesse? Die Antwort kann in Ansehung unserer Quellenlage und des Forschungsstandes nur als Hypothese gegeben werden. Und zwar deshalb, weil man bisher keineswegs eindeutig feststellen konnte, wie das Menschenbild und die Vorstellungen von Dasein, Geburt und Tod in Tibets vorbuddhistischer Zeit wirklich ausgesehen haben 33 Die vorbuddhistischen Vorstellungen vom Wesen des Menschen, und von Leben und Tod, sind deshalb nur schwer zu bestimmen, weil sich einerseits verschiedene Kulturwelten in Tibet immer überlagert und überlappt haben – Einheitlichkeit daher nicht zu erwarten ist und weil die regionalen Unterschiede in der Zeit vor dem staatsbildenden Königtum auch in ideengeschichtlicher Hinsicht bedeutsam sind - es daher zwar immer notwendig wäre, aber nicht immer möglich ist, zu bestimmen, auf welche Kulturregion Tibets eine bestimmte Information zutrifft –, und weil schließlich, andererseits, die zur Verfügung stehenden Quellen sich entweder nur auf einen Teilaspekt des Lebens beziehen -- z. B. das Bestattungsritual der Könige — oder aus viel späterer, und das heißt bereits buddhistischer Zeit stammen, wie etwa die schriftlichen und 32 Vgl. SEYFORT RUEGG, loc. cit., 209212 und Anm. 8, 10, 20. 33 Die wichtigsten Arbeiten auf diesem Gebiete verdanken wir MARCELLE LALOU, GIUSEPPE TUCCI, ROLF A. STEIN und ARIANE MACDONALD.

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