Book Title: Anmerkunjen Zu Einer Buddhistichen Texttradition Parlokasiddhi
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 12
________________ 90 Autorität gehörten Lehrinhalten, mit Stellen der kanonischen Überlieferung also. Das praktische Motiv ist wohl das wichtigste, das in der Periode des älteren, hinayānistischen Buddhismus zur Aufstellung solcher Argumente für die Existenz der Wiedergeburt geführt haben mag; und zwar einfach deshalb, weil der Mönchsorden auf die Wohlgeneigtheit oder wenigstens Neutralität der Machthaber angewiesen war. Es mußte daher immer versucht werden, auch den skrupellosesten König für die buddhistische 'Lehre einzunehmen und ihn womöglich zu einem nach buddhistischen Moralgesetzen regierenden König (dharmarājan) zu wandeln 26. Aber der eigentliche Anstoß zur Entwicklung von nicht nur apologetischen Argumentationen, sondern auch aktiven Beweisführungen für die Möglichkeit einer Wiedergeburt wird erst durch den Mahāyāna-Buddhismus gegeben. Nach diesem Typus des Buddhismus, der sich in den Jahrhunderten um Christi Geburt entwickelt hat, wird die eigene Befreiung vom Leiden des ewigen Kreislaufs so lange zurückgestellt, bis alle anderen leidenden Lebewesen diese Befreiung gewonnen haben. Der erste Grund für diese Entscheidung ist ein bis zur Vollkommenheit entwickeltes Mitleid (karunā) mit den leidenden Wesen, und eine bis zur Vollkommenheit entwickelte Allwissenheit (sarvajñatā) gewährleistet, daß der Bodhisattva — der Idealtyp dieses Buddhismus — den anderen Lebewesen auch tatsächlich in der ihnen entsprechenden Weise helfen kann. Die Entwicklung dieser heilsbringenden Eigenschaften, Heilstugenden, bis zur Vollkommenheit hin ist aber, wie man beobachten kann, nicht in einem einzigen Dasein möglich; sie ist nur in unendlich vielen Existenzen vorstellbar. Die Möglichkeit einer sehr langen Abfolge von Existenzen muß also gesichert sein, wenn das Ziel nicht vollständig irreal sein sollte. So wurde die Idee der unendlichen Abfolge von Geburten, um die von der Kontinuität der Entwicklung der Geistigkeit und der verschiedenen geistigen Tugenden bereichert, von einer Selbstverständlichkeit zu einer besonderen begleitenden Voraussetzung der religiösen Lebensführung des 26 Eine ähnliche Funktion für die Veränderung und Neuordnung individuellen Verhalteng weist GREGORY SCHOPEN für den jātismara der Mahāyānasūtren aus in The Generalization of an Old Yogic Attainment in Medieval Mahāyāna Sūtra Literature: Some Notes on Jātismara, JI ABS 6/1, 1983, (109147) 135 ff.

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