Book Title: Anmerkunjen Zu Einer Buddhistichen Texttradition Parlokasiddhi
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

Previous | Next

Page 10
________________ 88 1. Die der brahmanischen und frühhinduistischen Auffassungen, sowie die der Jainas: Im Kreislauf wandern die ewigen Seelen (atman, jiva, pudgala usw.); unter der Leitung verschiedener ewiger Demiurgen (Isvara, Brahman, Siva usw.) bilden sich Lebewesen und Welt; Opfer-Werk und rituelle Observanzen bestimmen das Schicksal der Lebewesen oder — bei den Jainas — jegliches Werk an sich. 2. Dagegen lautet die buddhistische Position 17: Was im Kreislauf wandert, ist keine ewige Seele. Was wir als „irdische Persönlichkeit“ fassen können, ist nur ein Konglomerat von selbständigen, nur für einen Augenblick bestehenden psychischen und physischen Konstituenten (skandha). Von ihnen gehen die physischen und die meisten psychischen Konstituenten nicht vom Augenblick des Todes in ein nächstes Dasein über. Nur das Erkennen (vijñāna) setzt sich fort. An Stelle einer ewigen Seele ,,wandert" also scheinbar ein Bewußtseinsstrom (cittasantāna). Aber weil dieser Strom als eine nur kausal zusammenhängende Reihe von Erkenntnisphasen gedacht ist, wandert streng genommen gar nichts; nur die Kette von Ur-. sache und Wirkung setzt sich fort. An Stelle eines „Übergehens" (samkrānti) von einem Dasein zu einem anderen, steht die Idee der Verursachung eines neuen Daseins (punarbhava). 3. Beiden Auffassungen steht die aus den frühen skeptischen Richtungen entstandene des klassischen Materialismus 18 gegenüber: Es gibt nur diese Welt, und keine andere, aus der man kommen oder in die man gehen könnte. Und eine ewige Seele ist so wenig erkennbar, wie ein von den materiellen Elementen verschiedenes Erkennen. Der Geist ergibt sich aus den Elementverbindungen, die man als Körper, Sinnesorgane und Sinnesobjekte unterscheiden kann, so wie die Rauschkraft sich aus der Hefe ergibt. Diese, schon für die letzten vorchristlichen Jahrhunderte anzunehmenden 19 Grundgedanken bildeten eine brauchbare Ergänzung für die politische Theorie. Die sich seit der Maurya-Zeit, ca. ab dem 4. vorchr. Jahrhundert ausbildende systematische indische Staatslehre ist nämlich durch einen konsequenten „Macchiavellismus" charakterisiert, ohne alle moralische Bedenken in der Wahl der Mittel und Ziele. Und von der Verbindung mit der politischen Theorie her rührt wohl die Tatsache, daß die materialistische Tra 17 Vgl. neuere Arbeiten wie RUNE E. A. JOHANSSON, The Dynamic Psychology of Early Buddhism, London-Malmö 1979, 144 ff.; ST. COLLINS, loc. cit. 18 Zum Sinn dieser Bezeichnung in der indischen Tradition vgl. E. FRAUWALLNER, Geschichte der indischen Philosophie II, Salzburg 1956, 295. 19 Ibid., 296 ff., 302 f.

Loading...

Page Navigation
1 ... 8 9 10 11 12 13 14 15 16