Book Title: Erich Frauwallner
Author(s): J Slauerhoff
Publisher: J Slauerhoff

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Page 4
________________ GERHARD OBERHAMMER gende Bedeutung für die Entwicklung des indischen Denkens des ersten nachchristlichen Jahrtausends er klar erkannt hatte. Vor allem handelte es sich um das Erschließen einiger wichtiger Traktate an Hand der tibetischen Übersetzungen: etwa Dignāgas Alambanaparikṣā (1930), die Sambandhaparikṣā des Dharmakirti (1934) oder Dharmottaras Kṣaṇabhangasiddhiḥ (1935). Die Übersetzung und Interpretation der Apoha-Darstellung in Dharmakirtis Pramāņavārttikam einzig aus den tibetischen Übersetzungen (1930, 1932, 1933, 1935) behält auch heute noch - nach Entdeckung des Originaltextes — ihre systematische Gültigkeit. Daß er in diesen Jahren dennoch nicht die brahmanischen und hinduistischen Systeme vernachlässigt hat, zeigt der grundlegende Aufsatz über Bhavanā und Vidhi bei Mandaņamiśra (1938), der in der Forschung noch immer der einzige der Art ist, oder sein Vortrag über den arischen Anteil an der indischen Philosophie, von dem noch gesprochen werden muß. In diese Jahre der Entfaltung fallen zwei wichtige äußere Ereignisse im Leben Frauwallners: 1935 vermählt sich der junge Dozent und Gymnasiallehrer mit seiner ehemaligen, um 12 Jahre jüngeren Lateinschülerin Hertha Püringer; 1939 wird er zum a.o. Professor für Indologie und Iranistik an der Universität Wien ernannt. Wenn auch beides einmal für ihn schicksalhaft sein sollte, war es damals eindeutiger, und vielleicht nie mehr eingeholter Höhepunkt seines Lebens. Blickt man von diesem Zeitpunkt, an dem die kommenden Ereignisse bereits grundgelegt sind, zurück auf die breitausgreifende Arbeit dieser Jahre, um sie in das Lebenswerk einzuordnen, so glaubt man zu erkennen, daß die treibende Kraft von Frauwallners Forschen nicht die Vorliebe für einige ihn besonders fesselnde Probleme war – in späteren Jahren hätte er solche Motivation vielleicht Undiszipliniertheit genannt -, sondern eher der Eros für eine besondere Aufgabe, zu deren Bewältigung bestimmte Materialmassen gewissenhaft aufgearbeitet werden mußten. Dazu paßt es, wenn Frauwallner am Beginn seiner Professorenlaufbahn im Institut Zettelkästen anlegen läßt, um alle während der Lektüre philosophischer Texte begegnenden Definitionen wichtiger Termini systematisch zu sammeln. Wenn man dies weiß, gewinnt eine bittere Bemerkung Frauwallners aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg den Charakter einer wichtigen Selbstaussage. Im Vorwort seiner Geschichte der indischen Philosophie schreibt er: ,,Ursprünglich hatte ich ein umfassendes, wissenschaftliches Handbuch geplant, das nicht nur die Grundlinien der Entwicklung zeichnen, sondern auch alle bisherigen Forschungsergebnisse aussschöpfen, die offenen Probleme umreißen und reiche Quellen- und Literaturangaben enthalten sollte. Aber für ein solches Riesenwerk ist heute nicht die Zeit. Außerdem verlangt es wenigstens ein Mindestmaß von äußeren günstigen Bedingungen, die mir zeitlebens

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