Book Title: Erich Frauwallner
Author(s): J Slauerhoff
Publisher: J Slauerhoff

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Page 2
________________ GERHARD OBERHAMMER Reiche Anregung kommt dem Gymnasiasten von einem alten Freund der Familie, dem Znaimer Germanisten Joseph Strobl, der Kustos auf Burg Kreuzenstein ist, wo der junge Mittelschüler manches Wochenende verbringt. Von ihm wird er auf das Mittelhochdeutsche hingewiesen, dessen Grammatik er gründlich studiert, und erhält er im Frühjahr 1915 die erste Sanskritgrammatik, die er im Selbstunterricht durcharbeitet. Diese Zeit geistiger Regsamkeit bricht im Herbst 1916 mit der Kriegsmatura ab, und erst nach zweieinhalbjähriger Militärzeit in Rumänien und später an der Isonzo-Front, wird ein Neuanfang möglich, der jedoch gezielt dem beruflich-wissenschaftlichen Studium dient. Der aus dem Krieg Zurückgekehrte studiert an der Wiener Universität Altphilologie, Indologie und Iranistik und erwirbt am 25. 7. 1921 mit der lateinisch geschriebenen Dissertation ,,De synonymorum, quibus animi motus significantur, usu tragico“ das philosophische Doktorat. Ein Jahr später beendet er sein Studium mit der Lehramtsprüfung aus Latein und Griechisch, die es ihm erlaubt, in den folgenden Jahren als Lateinprofessor am Bundesrealgymnasium in Wien XIX tätig zu sein und seinen Lebensunterhalt in einer Zeit drohender Arbeitslosigkeit zu verdienen. Die folgenden Jahre, die der Vorbereitung der Habilitation dienen, sind die entscheidenden. In ihnen wird Frauwallner zum Wissenschaftler, der schon in den ersten Publikationen die Arbeitsmethode erworben hat, die im Wesentlichen die seine bleiben wird. Es ist nicht nur Bitterkeit späterer Jahre, wenn er rückblickend auf seine Studienzeit in einem kurzen Lebenslauf für die Österreichische Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1955 schreibt: „Lehrer, die auf mich wissenschaftlich größeren. Einfluß ausübten, hatte ich keine, sondern ich mußte mir meine Wege selber suchen." Er fand sie, indem er die philologische Methode, die ihm aus der klassischen Philologie gründlich vertraut war, konsequent auf die Textanalyse und Interpretation der Werke indischer Denker und Philosophen anwandte. Charakteristischerweise verband er dabei die Suche nach der authentischen, ursprünglichen Textgestalt, wie sie für die Philologie kennzeichnend ist, mit dem Grundstreben historischer Forschung. Anregung und Anstoß zu seiner konkreten Methode der Textanalyse kam ihm aus der Forschungsrichtung, die K. REINHARDT unter dem Schlagwort von der inneren Gestalt" entwickelt hatte, dessen Werke Frauwallner als junger Altphilologe kannte und dessen Poseidonius-Buch er schätzte. Noch viele Jahre später erwarb er für seine Bibliothek K. REINHARDTS RE-Artikel ,,Poseidonius von Apameia“, der 1954 erschien. In der Erkenntnis, daß die „innere Gestalt" eines Werkes nicht subjektive Willkür, sondern objektive Struktur ist, aus der erst die einzelnen Gedanken ins Gesamte gefügt erklärbar und in ihrer Identität faßbar werden - K. REINHARDT hatte dies in die Forderung gekleidet: „Quellen

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