Book Title: Studien Zum Dvadasaranayacakra Des Svetambra Mallavadin
Author(s): A Wezler
Publisher: A Wezler

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Page 16
________________ 388 A. Wezler hung zu anderen Theoremata des Sämkhya, dann läßt sich etwa folgendes Bild zeichnen. 7.1. Mit dem sarvasarvätmakatvavāda ist ein offensichtlich wichtiges konstitutives Element der Sämkhya-Ontologie zutage gefördert worden, das von der älteren philosophiegeschichtlichen Forschung als solches einfach deshalb noch nicht erkannt werden konnte, weil erstmals durch das Dvadasaranayacakra und die Nyāyā. gamānusāriņi eindeutiges und aussagekräftiges Material zugänglich geworden ist. Der Überlieferungsstand ist beim Samkhya zwar in mancher Hinsicht besser als bei anderen Systemen, insgesamt aber doch von solcher Lückenhaftigkeit, daß sich Frauwallner u.a. zu der Feststellung genötigt sah, daß,,manche Teile der Lehre in wichtigen Einzelheiten dunkel bleiben"4. Jede zusätzliche Information kann deshalb nur höchst willkommen sein, auch dann, wenn sie wie im vorliegenden Fallnicht oder zumindest nicht direkt zu einem umfassenderen Verständnis der Entstehung und Entwicklung des Systems beiträgt, sondern Licht,,nur" auf einen einzelnen, allerdings zum Fundament gehörenden Baustein des ausgebildeten Lehrgebäu des wirft. Die Textaussagen sind freilich insgesamt nicht ausführlich genug und einzelne in ihnen verwendete Termini nicht explizit genug, um allein aus ihnen ein völlig klares Bild über die diesbezüglichen Vorstellungen des Samkhya und über das Maß ihrer folgerichtigen Berücksichtigung für die Systematik gewinnen zu können. Es bleibt somit nichts anderes übrig, als das im Textmaterial Gesagte selbständig fortzudenken. Dieses bestimmten Gedanken des Sämkhya folgende,,Nachdenken" kann naturgemäß in einzelnen Fällen nur zu hypothetischen Ergebnissen führen, welche durch eventuelle spätere Textfunde ebensogut bestätigt wie invalidiert werden können. Der Satz sarvam sarvätmakam (Textstück B, o. S. 367 et passim) ist durch die Sätze sarvam ekam ekam ca sarvam (Textstück G, o. S. 371) bzw. sarvam sarvatra [asti/vidyate] (Textstück I, o. S. 372) paraphrasierbar. Auf dem Hintergrund der spezifischen Sämkhya-Vorstellung, daß das Hervorgehen der Erscheinungswelt aus der Urmaterie ein Sich-Entfalten (abhivyakti) im Sinne eines Sich-Offenbarens, In-Erscheinung-Tretens darstellt, muß dieser Satz dahingehend verstanden werden, daß in einem jeden Einzelding alle anderen Dinge der Erscheinungswelt unsichtbar enthalten, d.h. als nicht mehr wahmehmbares aufgehoben" sind. Das Text 84 G. d. I. Ph., 282. 85 Frauwallner verweist (G.d.i.Ph., Anm. 195) auf Yuktidipika (ed. R. C. Pandey 57.6-7): tatha ca varsagaṇaḥ pathanti: tad etat trailokyam vyakter apaiti na sattvad, apetam apy asti vinälapratisedhat/asamsargic casya sauksmyam, sauksmyde camupalabdhis tasmad: vyaktyapagamo vinilah, übersetzt diesen Teil des Zitats aber (G.d.i.Ph., 352): Diese Dreiwelt entschwindet aus der Sichtbarkeit, weil gelehrt ist, daß sie nicht ewig ist. Aber sie besteht auch nach ihrem Verschwinden, weil gelehrt ist, daß sie nicht vernichtet wird. Infolge ihrer Auflösung ergibt sich ein feiner Zustand, und aus diesem feinen Zustand ihre Unwahrnehmbarkeit. Was man Vernichtung nennt, ist daher nur ein Entschwinden aus der Sichtbarkeit". D.h. Frauwallner kontaminiert die Yuktidipika-Version des Zitats mit der Form, die ihm Pakṣilasvamin Vätsyayana (Nyayabhāṣya zu NS 1.2.6) gegeben hat (dort nämlich...apaiti 389 Der sarvasarvätmakatvavāda material zeigt aber, und nicht nur durch die häufige Verwendung der Termini (vi-)parināma, pārināmika etc., sondern auch durch die explizite Beschreibung dieses Prozesses selbst, daß der sarvasarvātmakatvavāda ebenso eng mit dem pariṇāmavāda verbunden war, der Auffassung also, daß das Entstehen der Erscheinungswelt ebenso wie alles Werden und Vergehen in ihr eine,,Umwandlung" darstellt,wobei dieser Begriff bekanntlich gleichermaßen den Vorgang selbst wie dessen Resultat bezeichnen kann. nityatvapratisedhat...), und folgt mit der Lesung samsargae der ihm ja allein zugänglichen editio princeps von P. Chakravarti (Calcutta 1938, 67.14-16). Die Lesung nityatvaprati sedhat-statt na sattvär, nicht aus der Seiendheit" ist auch im Bhagya zu Yogasutra 3.13 bezeugt, wobei die ganze Passage aber auch dort wie im Nyayabhasya nicht als Zitat gekennzeichnet ist. In seiner Auffassung von samsargac schließt sich Frauwallner offenbar Vacaspatimira an, der diesen Ausdruck durch svakaraṇalayat paraphrasiert (Vaifaradi zu Bhasya zu YS 3.13) und dabei Sankara verpflichtet sein könnte, der zu der auch im Yogabhasya bezeugten Lesung samsorgat in seinem Vivarana (vgl. Anm. 59) den vorangestellten erklären. den Zusatz saksätkärane macht. Sollte sich R. C. Pandey - leider müßte man sagen: ein weiteres Mal für die falsche Lesart entschieden haben? Vielleicht doch nicht. Denn Frauwallners Auffassung ist semantisch wie kontextuell (vgl. -pralaya- in dem von ihm nicht übersetzten Restteil des Zitats, s. u. S. 394) problematisch. Zunächst wäre festzustellen, daß auch der in der YD unmittelbar vorangehende Satz, an den das Zitat mit tatha ce... angefügt ist, gegen seine Deutung spricht, denn das dort variantenlos überlieferte amarga sollte bedeutungsmäßig von dem gleichlautenden bzw. negierten Begriff im Zitat eigentlich nicht divergieren, ist seinerseits aber durch den Kontext klar bestimmt. Dieser Satz lautet nämlich: käranänām tu parasparam samsargāt samsthänavidesaparigrahas, tasya virodhilaktyantaravirbhavad vyaktis tirodhiyata ity etad vinalalahdena vivaksitam,.,dadurch aber, daß sich die Ursachen miteinander verbinden, nimmt etwas eine besondere Anordnung an, Idie als Wirkung wahrnehmbar ist): dadurch, daß sich eine andere, [ihnen] widerstreitende Kraft/Fähigkeit manifestiert, wird seine Sichtbarkeit verborgen (d.h. entschwindet es auch der Sichtbarkeit): das ist, was mit dem Wort,Vernichtung" ausge drückt werden soll". Die Verwendung von samsarga in der speziellen technischen Bedeutung von Verbindung (der Ursachen/Wirkfaktoren)" ist wohlbezeugt (vgl. z.B. Jayantas Nyayamanjari (Anm. 80), 43 ff.). Man müßte also, stünde diese Lesart nicht bereits in der Ahmeda bader Handschrift, asamsargac im Zitattext konjizieren und hätte dann zu übersetzen: und weil sich ihre Ursachen] nicht (miteinander) verbinden (d.h. aufhören, miteinander verbunden zu sein), ergibt sich Jihre (d.h. der Dreiwelt)] Feinheit...". Das gilt aber zunächst nur für die Auffassung des Zitats durch den Verfasser der YD, der eigentlich nicht anders als asamsargac gelesen und diesen Begriff in der genannten technischen Bedeutung verstanden haben kann. Aber damit ist ganz und gar nicht ausgemacht, daß seine Lesung und Auffas sung auch richtig ist. Denn zum einen ergäben sich erhebliche gedankliche Schwierigkeiten, insofern auf diese Weise unterstellt würde, daß die Verbindung der Ursachen als Vorausset zung für die Entstehung einer Wirkung ebenso lange wie diese bestehen müßte. Zum anderen kennt Sankara sons und samsarga in einer ganz anderen technischen Bedeutung, und zwar der der Wiederverbindung/-vermischung einer Wirkung mit bzw. gegenüber ihrer Ursache (vgl. z.B. Vivarapa 248.3-4: tathedam trailokyam kärane samsretam vidyamānam evanabhivyaktatmakaguṇasvabharataya... und 248.5-6: tathaiva ca gatisamskarak şaye sthitisamskarabhivyaktau karanam prati samsriyamanam vyakter apaiti); er gebraucht auch den konträren Begriff visarga (248.7)! Das Sich-Offenbaren und also Sichtbarwerden der in der Ursache immer seienden Wirkung wird demnach als ein Loslassen, Aus-sich-Entlassen beschrieben, das Gegenteil, d.h. das Entschwinden aus der Sichtbarkeit, als ein Sich-Wieder-mit-der-Ursache-Verbinden. Frauwallners Wiedergabe von samsarga ist demnach zu

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