Book Title: Studien Zum Dvadasaranayacakra Des Svetambra Mallavadin
Author(s): A Wezler
Publisher: A Wezler

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Page 23
________________ 402 A. Wezler Der urvasarvatmakatvavida 403 dem menschlichen Individuum eine uneingeschränkte Seinsfulle zuzusprechen und zu bewahren, muß in der Vorstellung einer möglichen Erlösung an eine unübersteig bare Grenze gekommen sein: Wenn es denn eine Erlösung aus dem Immer wieder Geboren-Werden-Müssen gibt, dann muß ein jedes dazu fühige Lebewesen mit Erreichung dieses Ziels aufhören, ein sat zu sein; das einzige Seiende kann dann nur noch der jeweilige purus sein, der sich damit, d.h. ohne das gleichzeitige Sein eines Irrtümlich mit ihm verbundenen materiellen Organismus, im Zustand des taivalya, des absoluten Für Sich-Seins, befindet. Sein leibliches Gegenstück" samt dem psy. chischen Apparat aber muß sich, da es nicht mehr sein kann, in der Ummaterie restlos auflösen, d.h. dieser Teil der Materie muß, da er seine Aufgabe er fullt hat, seine Tätigkeit einstellen und sich fortan in einem Zustand des Gleichgewichts (samyāvastha) befinden, in dem auch im Sinne des sarkaryavāda kein Seiendes mehr vorhanden ist, das irgendwann als Wirkung erneut in Erscheinung treten könnte. Hat Kalidasa an dieses Aufgehen im undifferenzierten Sein der prakti gedacht, als er die Erreichung der Erlösung durch den ehemaligen König und jetzigen Yogin Raghu in Raghuvamsa 8.21 cd mit den Worten raghur apy ajayad gunatrayam prakrtistham samalostakaricanah beschrieb? 8. Wenn die Untersuchung nach dem weiten Bogen, der notwendigerweise geschlagen werden mußte, jetzt zum Ausgangspunkt und damit zu dem Widerspruch zurückkehrt, der in den Inhaltsangaben festgestellt wurde, die einerseits Frauwallner, andererseits Jambūvijayaji vom 3. Kapitel des Dvīdasaranayacakra gegeben haben (0.S. 364f.), dann muß als erstes Ergebnis festgehalten werden, daß man im Hinblick auf das gerade herausgearbeitete Element der Lehre des Sāmkhya sehr wohl von einem vāda sprechen kann, so wie gewisse andere, aber damit zusammen hangende Theoreme als sarkarya-vāda, parināma-vāda etc. bezeichnet werden, daß der Terminus sarvasarwimakatva-yada weder von Mallavādin noch von Simhasüri gebraucht wird, besagt nichts. Insofern wäre der sarvasarvatmakatvavadin, von dem Jambüvijayaji spricht, kein Phantom. Wenn es sich bei einer Person, für die dieser wäda charakteristisch ist, jedoch um einen Vertreter des Samkhya handel te, würde Jambüvijayajis Inhaltsangabe, träfe sie in dieser Hinsicht zu, die Widersinnigkeit implizieren, daß ein Vertreter des Samkhya die Metaphysik seines eigenen Systems widerlegt! Das zweite, weit wichtigere Ergebnis besteht demnach in einer schlagenden Bestätigung der bereits (o. S. 366) prima facie getroffenen Feststellung, daß derjenige Philosoph, der in der im 3. Kapitel des Nayacakra sich entfaltenden Auseinandersetzung die Samkhya Metaphysik destruiert, auf keinen Fall dem Samkhya zugerechnet werden kann, und daß er andererseits aber auch nicht mit dem itxaravadin, also einem Nalyāyika (oder Valsesika) identisch sein kann, wie es durch Frauwallners Zusammenfassung suggeriert wird. Theoretisch wäre die Möglichkeit gegeben, daß es sich bei diesem Kritiker um niemanden anderen als Mallavādin selbst handelt, der die Widerlegung der Metaphysik des Sämkhya bis zu dem Punkt vorantreibt, daß nurmehr das, was von Sāmkhya-Autoren einhellig als empirisch-anschaulicher Beleg für einen der AnaloRieschlüsse angeführt wird, durch welche sie die Existenz der Urmaterie erweisen wollten, übrig bleibt, eben das sanasarvatmakatva, auf das sich zwar SamkhyaPhilosophen nachdrücklich berufen, das als solches aber auch ohne ihren metaphysi. schen Oberbau" akzeptabel erscheint. Diese Möglichkeit scheidet aber praktisch doch aus, weil sie implizieren würde, daß Mallavädin sich anschließend selbst durch den Kvaravadin widerlegen lassen würde, - eine Form der Dialektik, mit der selbst beim jinistischen Perspektivismus nicht zu rechnen ist. Im übrigen bestätigen Jambūvlayas Inhaltsangaben der ersten Kapitel des DvadaSaranayacakra, was auch Frau wallner hervorhebt, daß Mallavādin nämlich durchgängig so verfährt, daß er eine bestimmte Lehre durch den Vertreter einer anderen, mit der seinen keineswegs Identischen Lehre widerlegen läßt, d. h. daß er im Rahmen seiner spezifischen systematischen Konstruktion insgesamt jeweils nicht-linistische Schulen gegeneinander ausspielt. Die Lösung, die sich deshalb allein anbietet, ist die, daß es sich bei diesem Kriti ker doch um einen sarvusarvatmakatvavadin handelt, aber eben nicht einen Vertre. ter des Samkhya, sondern einen Anhänger jener spezifischen theistischen Schule, von der oben (Abschnitt 7, S. 387ff.) schon verschiedentlich die Rede war und für die in gleicher Weise, wenn auch als Element eines ganz anderen Lehrgebäudes, der Sarvasarvatmakatvavada historisch zumindest u.a. charakteristisch war. Das mögliche Gegenargument, daß diese Theisten erst durch Prajnakaragupta bzw. mit einem höheren Maß von Sicherheit erst durch Ramanuja, also erst für eine erheblich spätere Zeit bezeugt sind, wäre nicht stichhaltig. Denn ein jedes histori sche Phänomen ist eben mindestens so alt wie das älteste Dokument, das es bezeugt: und Mallavādin bezeugt den sarvasarvatmakatvavida als Lehre nicht nur des Saint khya, sondern auch einer Schule, die sich doktrinar einerseits vom Samkhya, andererseits vom Nyāya (und/oder Valsesika) wesentlich unterscheidet. Daß die Vertre. ter dieses Nicht-Samkhya sarvasarvatmakarvavada ganz andere Philosophen bzw. Theologen waren als die Ramanuja bekannten Theisten,- das anzunehmen besteht kein Anlaß, bzw. um das wahrscheinlich zu machen, bedürfte es mehr als skeptischer Phantasie; denn die Identität beider würde ja nicht dadurch ausgeschlossen, dal thre Existenz für die Zeit zwischen Mallavādin und Rāmānuja nicht indirekt oder direkt kontinuierlich bezeugt ist, und im übrigen bleibt abzuwarten, ob ein nun entsprechend geschärfter Blick nicht doch noch derartige Zeugnisse entdeckt. Man kann auch nicht so argumentieren, daß Mallavadin, da er sich an den anderen Stellen, an denen er auf das sarvasarvatmakatwa zu sprechen kommt (Textstücke B, D und F, s.o. S. 367. u. S. 370), dabel immer auf das Samkhya bezieht, folglich auch hier keine andere Schule im Auge haben könne. Denn Simhasūris explizite Unterscheldung des Nicht-Samkhya-sarasarvatmakatvavada von dem identischen Element der Lehre des Samkhya hat auf jeden Fall, abgesehen von möglichen anderen Faktoren wie z.B. entsprechender eigener Kenntnis Simhasūris, eine sichere Grundlage im Text Mallavädins selbst, insofern dieser die Widerlegung dieses Vāda und die anschließende Darstellung des varavada mit den Worten anyah punaraha (s. o. S. 365) einleitet, durch die sich eine Mutmaßung der Art verbietet, die Kritik an der Samkhya-Metaphysik wie am sarvasarvatmakarvavada werde von ein und demselben Diskussionsteilnehmer, eben einem Nalyāyika oder Vaibesika, vorgetra

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