Book Title: Funf Gelubde Und Sechs Avashyakas Author(s): Klaus Bruhn Publisher: Klaus Bruhn View full book textPage 1
________________ HERE-NOW4U :Bruhn Grundzüge der Jaina-Ethik - Einleitung http://www.here-now4u.de/ger/spr/religion/Bruhn/einleitung.html Fünf Gelübde und sechs Avashyakas -- Grundzüge der Jaina-Ethik -- Klaus Bruhn Redaktion: Carla Geerdes Einleitung Der Jainismus -- häufig und nicht ganz zu Unrecht als Schwesterreligion des Buddhismus bezeichnet -- war bis vor kurzem außerhalb Indiens nur in Fachkreisen bekannt, stößt aber seit einiger Zeit in vielen Ländern auf zunehmendes Interesse. Wir beschäftigen uns hier mit der Ethik dieser Religion. Eine Kurzfassung der Jaina-Ethik wird meist von den Fünf Gelübden ausgehen, den Gelübden, • nicht zu töten (die himsa oder das Töten zu vermeiden, und mithin die a-himsa oder das Nicht-Töten zu praktizieren), • nicht zu lügen, • nicht zu stehlen, • Keuschheit zu üben, • auf Besitz zu verzichten. Wir wollen die Fünf Gelübde, die de facto Gebote sind, heute jedoch in einen größeren Zusammenhang stellen, und zu diesem Zweck befassen wir uns mit den sechs "Avashyakas", in welche die in den Texten auch sonst ständig genannten Fünf Gelübde mit eingebunden sind. Die Avashyakas sind religiös-moralische Rezitationstexte, und zwar Texte, deren Beherrschung und Rezitation als "notwendig" (avashya) angesehen wird. Die Rezitation muß mit der entsprechenden inneren Haltung Hand in Hand gehen, und es wäre falsch zu sagen, es handele sich um ein "bloßes Ritual". Vielmehr wird im Rahmen des Möglichen darauf geachtet, daß das in der Rezitation Gesagte auch verinnerlicht wird. Die Fünf Gelübde erscheinen dabei im vierten und sechsten Avashyaka. An wen richten sich die sechs Avashyakas? Die Jaina-Gemeinde ist vierfach: Mönche und Nonnen, männliche und weibliche Laienanhänger. Dieser Tatbestand spiegelt sich aber in der ethischen Literatur nur in ungenügender Weise wider. Zum einen ist es typisch für den Jainismus, daß er den Laienstand einerseits sehr ernst nimmt, andererseits aber aus dem Laien am liebsten doch eine Art Mönch zu machen sucht, so als sei der Laienstatus nur ein reduzierter Mönchsstatus. So ist auch der Adressat der sechs Avashyakas in erster Linie der Mönch (oder Mönch und Laie in gleicher Weise), und nur zu einem relativ kleinen Teil der Laie als solcher. Zweitens richtet sich die Literatur in erster Linie an die Männer. Das zeigt sich schon im Verhältnis von Mönchen und Nonnen, aber es zeigt sich noch deutlicher bei den Laien. Dort ist ausschließlich vom rechten Verhalten der Männer die Rede; die Frauen werden nur durch einen kurzen Hinweis eingeschlossen oder aber überhaupt nicht erwähnt (so in unserem Text). Da aber gerade im Laientum die Lebensverhältnisse von Männern und Frauen radikal verschieden sind, lassen sich die betreffenden Regeln auf die Frauen vielfach gar nicht anwenden. Davon einmal abgesehen, ist die Haltung gegenüber den Frauen ambivalent. Es gibt Loblieder auf spirituell fortgeschrittene Nonnen und Laienanhängerinnen, aber es gibt auch zahllose Tiraden gegen das weibliche Geschlecht als solches. Nach Form und Inhalt stellen die Avashyakas eine spezielle Entwicklung innerhalb der alten Jaina-Literatur dar. Die sechs Textstücke bilden zusammen das Avashyaka-Sutra (sutra = "Lehrbuch' im engeren oder weiteren Sinne), ein kleines Werk des Jaina-Kanons. Es ist strenggenommen ein Mittelding zwischen Ritualbuch und literarischem Werk. Die Thematik wechselt, aber der größere Teil ist geprägt durch die ständig in ähnlicher oder identischer Form wiederkehrenden moralischen Bekenntnisse und Anweisungen: dieses (von mir Getane) bereue ich, dieses will ich unterlassen, dieses habe ich zu unterlassen, dieser Haltung befleißige ich 1 von 2 01.04.99 11:08Page Navigation
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 ... 22