Book Title: Die Gottesidee In Der Indischen Philosophie Des Ersten Nachchristlichen Jahrtausends
Author(s): Gerhard Oberhammer
Publisher: Gerhard Oberhammer

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Page 1
________________ DIE GOTTESIDEE IN DER INDISCHEN PHILOSOPHIE DES ERSTEN NACHCHRISTLICHEN JAHRTAUSENDS Zur Typologie des Isvara-Begriffes* Von G. Oberhammer, Wien Es könnte sein, daß manchem Leser der hier folgende Beitrag in unserer Zeitschrift fehl am Platz erscheint. Die Gründe, die uns bewogen haben, ihn aufzunehmen, sind folgende: Die typologisch vergleichende Betrachtungsweise des Verfassers deckt einen Vorgang auf, der in jeder Religion zu beobachten ist, die nach dem Axiom fides quaerens intellectum eine Theologie als rationales System hervorbringt. Dieser Vorgang ist unausweichlich und besteht in dem Versuch, religiösen Glauben und philosophische Reflexion zur Synthese zu bringen. Dabei treten typische Spannungen zutage, an denen die Relativität und Bedingtheit theologischer Systematik ablesbar wird. Nach der objektiven Seite ist es die Spannung zwischen den positiv gegebenen, bzw. gesetzten und durch die autoritative Überlieferung (Mythos, Offenbarung) vermittelten Glaubensinhalten einerseits und den notwendigen Wesensstrukturen des Seins und der Seienden andererseits. Dem entspricht nach der subjektiven Seite die Spannung zwischen existentiellem Glauben und rationalem Verstehen, zwischen religiös-mystischer Erfahrung und begrifflichem Systemdenken. In dieser Spannung, die nicht kurzschlüssig nach der einen oder anderen Seite hin verkürzt oder geleugnet werden darf, steht auch der Christ. Im Spiegel anderer Religionen und deren Theologie vermag er seine eigene Position deutlicher zu sehen. Dazu kommt ein weiterer Grund, auf den wir kurz hinweisen wollen. Wir sind der Auffassung, daß auch im Raum der Kirche eine größere Vielfalt verschiedener Theologien wegen deren grundsätzlicher Relativität möglich und wegen der Entwicklung, in der sich die Kirche befindet, auch zu erwarten ist. Diese größere Vielfalt erscheint unausweichlich, wenn die notwendige Integration nicht-abendländischer Kultur- und Denkformen in die Una Catholica geleistet werden soll, und dürfte weit über das hinausgehen, was die Theologie des Ostens und des Westens oder der verschiedenen ,,Schulen" in Mittelalter und Neuzeit bisher an Verschiedenheiten aufzuweisen hatte. Es ist notwendig, sich auf diese Entwicklung vorzubereiten; nicht zuletzt durch den ehrlichen Versuch, andere Religionen und deren Theologie mitsamt den ihnen eigentümlichen Schwierigkeiten kennen und verstehen zu lernen. Die Redaktion In seinen Pensées macht Pascal eine Bemerkung, die geeignet ist, die Quelle der Gottesidee und der philosophischen Gotteslehre in ihrer eigentlichen Tiefe auszuleuchten:,,C'est le coeur qui sent Dieu et non la raison. Voilà ce que c'est que la foi: Dieu sensible au coeur, non à la raison". Es ist nicht nötig hinzuzusetzen, daß Pascal diesen Satz kaum auf die Gottesvorstellung des indischen Heidentums angewandt hätte. Dennoch kann keine bessere Aussage vom wirklichen Quellgrund der hinduistischen Gotteslehre gemacht werden. Nicht die reine Philosophie steht in Indien am Anfang der Lehre von einem einzigen, allwissenden und ewigen Gott (isvaraḥ), sondern das Herz; das Herz freilich, sofern es jene lebendige Mitte der menschlichen Person ist, in der, begrifflich noch ungeschieden, Bild, Begriff und reine Transzendenzerfahrung als ganzheitlicher Akt aufbricht, der erst in der nachträglichen Differenzierung zu Mythos, Philosophie und Mystik ausgelegt wird". * Der vorliegende Aufsatz ist der überarbeitete Text eines Vortrages, den der Verfasser 1966 an den Universitäten von Münster und Kiel gehalten hat. 1 In der Ausgabe von Brunsvicg Nr. 278. 2 Vgl. G. Oberhammer, Die Begegnung Indiens mit dem Christentum: Kairos 1 (1966) passim.

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