Book Title: Die Gottesidee In Der Indischen Philosophie Des Ersten Nachchristlichen Jahrtausends
Author(s): Gerhard Oberhammer
Publisher: Gerhard Oberhammer
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________________ Die Gottesidee in der indischen Philosophie des ersten nachchristl. Jahrtausends 457 in sich. Daher hat auch die ganze Theorie von den ,,unentfalteten Name und Gestalt" nur fur das empirische Bewusstsein Geltung. Das empirische Bewusstsein selbst aber gehort der gleichen Ordnung an wie die ,,Welt" und ist, insoweit es Nicht-Selbst ist, auch seinerseits nicht real-seiend. In typologischer Betrachtung mochte man daher sagen, dass in der Theorie von den ,,unentfalteten Name und Gestalt" als Same der Welt die Urmaterie (prakrtih) des Samkhya wiederkehrt, der man aber das Realsein genommen und gerade soviel ,, Sein" gelassen hat, dass sie im Lichte des Purusa, d. h. des Brahma, Bewustheit und damit Phanomen-Existenz erlangen kann, eine Phanomen-Exi. stenz aber, die nicht fur das Brahma selbst besteht, sondern fur das ebenfalls dieser ,,Quasi-Urmaterie" zugehorende empirische Bewusstsein allein 20. Mit dieser kurzen Analyse scheint Sankara's Gottes-Idee in ihrem Typus genugend verdeutlicht. Letztlich darf sie wohl als die begriffliche Strukturierung jenes Gottesbildes gelten, das nur der Mystiker gewinnt, der Gott in einer a-kosmischen und prinzipiell a-mythologischen Verfassung im Innern seines Herzens erfahrt. Sie ist die letzte Konsequenz der Gottes vorstellung des samkhyistischen Yoga, die ihrerseits fur den Yogin das Urbild der eigentlich a-kosmischen Verfassung des Menschen gewesen war, unter dessen Leitung er in der Meditation dem Absoluten in der eigenen Seinserfahrung begegnen konnte. 20 Gerade dieser Gedanke, der die vordergrundige Dualitat in der Gottes- bzw. Brahma-Vorstellung in eine Einheit aufhebt, weist durch das charakteristische Fehlen eines realen Tragers der ,,Phanomene" auf den Typus des samkhyistischen Yoga zuruck, in dem die ,,,Phanomen-Freiheit" (kaivalyam) des Purusa und damit auch Gottes eben durch die Annahme eines realen Tragers der Phanomene in der Prakrti ermoglicht wurde. Bei Sankara erscheint zwar derselbe Typus des a-kosmischen, phanomenfreien Bewusstseins in praktisch derselben Ableitung, aber das dafur notige Substrat der Phanomene wird seinerseits als Phanomen aufgehoben und fehlt daher, so dass ein gewisser ,,Bruch" in der rationalen Struktur seiner Gottesidee entsteht. Es scheint daher kein Zufall zu sein, dass gerade dieses Fehlen eines Tragers der ,,Phanomene" bei den spateren Vertretern der Sankara-Schule Anlass ausfuhrlicher Spekulation wurde.