Book Title: Die Reihenfolge Und Entstehung Der Werke Dharmakiritis Author(s): Erich Frauwallner Publisher: Erich Frauwallner View full book textPage 8
________________ 148 E. Frau wallner steht. Das heißt, es ist überhaupt kein Värttikam zu Dignāga, sondern ein selbständiges Werk über die Lehre vom Grund, das nur äußerlich mit den echten Kapiteln des Pramāņavārttikam vereinigt ist. Wie kam aber Dharmakirti dazu, dieses Werk mit den übrigen Kapiteln zu verbinden? Darauf gibt es meines Erachtens nur eine Antwort. Es ist vollkommen unvorstellbar, daß Dharmakirti bei der Arbeit am Pramāņavārt tikam nach der Behandlung der Wahrnehmung abbrach, die Lehre vom Schluß ausließ und sofort die Lehre vom Beweis ausarbeitete, um später ein selbständiges Werk über den Schluß zu schreiben. Dagegen wird alles klar, wenn wir annehmen, daß dieses Werk bereits vorlag, als er an die Arbeit am Pramāņavārttikam ging. Dann ist es verständlich, daß er, als er zur Lehre vom Schluß kam und etwas behandeln sollte, was anderweitig bereits gesagt war, davon absah und sich dem Kapitel vom Beweis zuwandte, das vollkommen neu geschrieben werden mußte. Und ebenso ist es verständlich, daß er bei der abschließenden Redaktion des Pramänavårttikam dieses ältere Werk nicht einfach unter die übrigen Kapitel einreihte, sondern an die Spitze stellte. Damit haben wir die Frage beantwortet, von der wir ausgegangen sind. Die eigentümliche Reihenfolge der Kapitel im Pramāņavārttikam erklärt sich also dadurch, daß das außerhalb der Reihenfolge stehende Kapitel über den Schluß ursprünglich ein selbständiges Werk war, das Dharmakirti erst nachträglich mit dem eigentlichen Pramāņavārttikam vereinigte. Gleichzeitig erklärt sich ungezwungen, warum nur zu diesem Kapitel ein Kommentar Dharmakirti's vorliegt. Jenes selbständige Werk bestand offenbar von Anfang an aus einem Verstext mit Kommentar. Zum Pramanavārttikam selbst hat Dharmakirti nie einen Kommentar geschrieben. Aber nicht nur diese einzelne, verhältnismäßig untergeordnete Frage ist damit beantwortet. Auch weitere Erkenntnisse sind damit gewonnen. Wir haben gesehen, daß das Pramāņavārttikom nicht das erste Werk Dharmakirti's war, sondern daß er vorher ein eigenes Werk über die Lehre vom Grund geschrieben hatte. Wir haben ferner gesehen, wie dieses Werk die Abfassung des Pramāņavārttikam beeinflußte und später mit ihm vereinigt wurde. Und so scheint sich hier die Möglichkeit zu bieten, einen Blick in das Schaffen Dharmakirti's und in die Entstehung seiner Werke zu tun. Das lockt aber zu versuchen, ob sich auf diesem Weg nicht noch weiter gelangen läßt. Und tatsächlich ist das auch der Fall. Was wir über das 1. Kapitel des Pramāņavārttikam als ursprünglich selbständiges Werk und über seine nachträgliche Vereinigung mit den übrigen Kapiteln des Pramāņavārttikam festgestellt haben, drängt nämlich unmittelbar zur nächsten Frage, wieso Dharmakirti sich an einer so äußerlichen Verbindung genügen ließ, warum er das ältere Werk nicht umarbeitete und den übrigen Kapiteln des Pramänavārttikam anpaßte, ähnlich wie er es später im Pramāņaviniscayah tat. Auch diese Frage läßt sich beantworten, und zwar ist die Ursache, wie ich glaube, darin zu suchen, daß das Pramänavārttikam nie vollendet wurde. Dafür spricht folgendes. Das Pramanavärttikam beginnt überaus breit. 186 Verse (Pr. vārt. II) sind der Einleitungsstrophe Dignāga's gewidmet, 541 Verse (Pr. vart. III) der Erörterung der Wahrnehmung, die bei Dignāga 13 Verse umfaßt. Ebenso breit ist der Anfang der Besprechung des Beweises gehalten (Pr. vart. IV v. 1-188). Dann erklärt Dharma kirti aber plötzlich, er wolle des leichten Verständnisses halber die Lehre vom Grund kurz zusammengefaßt behandeln (v. 189). Das geschieht in 96 Versen. DannPage Navigation
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