Book Title: Die Reihenfolge Und Entstehung Der Werke Dharmakiritis
Author(s): Erich Frauwallner
Publisher: Erich Frauwallner

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Page 10
________________ 150 E. Frauwallner sagen: Soweit das eigentliche Vārttikam zu Dignāga reicht, folgt er ihm ohne nennenswerte Anderungen. Die summarische Behandlung des Grundes hat er etwas erweitert und ergänzt. Dann aber hat er darüber hinaus eine ausführliche Darstellung der Scheingründe hinzugefügt. Das beweist, daß er die Darstellung des Pramāņavārttikam für unvollständig ansah und Ergänzungen für nötig hielt. Dabei ist es ausgeschlossen, daß er die neu aufgenommenen Gegenstände bei der Abfassung des Pramāņavārttikam als überflüssig beiseite ließ. Denn Dignāga hat sie behandelt und sie sind sachlich wichtig. Besonders deutlich spricht in dieser Hinsicht der Umfang der einzelnen Abschnitte im Pramāna vārt tikam und im Pramanaviniscayah. Die Lehre von der Behauptung umfaßt im Pramanavārttikam 188 Verse, die Lehre vom Grund 97 Verse, die Lehre von den Scheingründen ist nur nebenher berührt. In der tibetischen Übersetzung des Pramānaviniscayah nimmt dagegen jeder dieser 3 Abschnitte rund 14 Blätter ein. Die Darstellung ist also fast auf das Doppelte angewachsen. Es bleibt somit zur Erklärung dieses Sachverhaltes nur die eine Annahme übrig, daß Dharmakirti das Pramāņavārttikam nicht vollendete, sondern die Arbeit daran vorzeitig abbrach. Damit erklärt sich aber auch die äußerliche Anfügung des älteren Werkes. Wenn er die Arbeit am Pramāņavārttikam selbst unvollendet liegen ließ, hatte er begreiflicherweise keine Lust, die an sich wenig erfreuliche Umarbeitung des älteren Werkes durchzuführen. Und ebenso wie er jenes mit der summarischen Behandlung des Grundes kurzerhand abschloß, begnügte er sich hier damit, das ältere Werk rein äußerlich mit dem Pramāņavārttikam zu verbinden 15. Die Beobachtungen an dem älteren Werk und die an den übrigen Kapiteln des Pramāņavārttikam legen also die gleiche Erklärung nahe und bestätigen sich daher gegenseitig. Was Dharmakirti veranlaßte, das Pramänavärttikam unvollendet zu lassen, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Immerhin ergeben sich einige Anhaltspunkte. Das Werk war von Anfang an so breit angelegt, daß es ins Ungemessene zu wachsen drohte. Außerdem brachte es der enge Anschluß an die Worte Dignaga's mit sich, daß dieselben Gegenstände wiederholt berührt werden mußten. Wir finden daher mehrfach Erörterungen desselben Gegenstandes über verschiedene Stellen des Werkes verstreut, was sich bei der Durcharbeitung unangenehm fühlbar macht. Auch Dharmakirti scheint das als lästig empfunden und das Bedürfnis gefühlt zu haben, seine Anschauungen unabhängig von Dignāga zusammenhängend vorzutragen. Tatsache ist jedenfalls, daß er im Pramāņaviniscayaḥ eine solche selbständige Darstellung gab, in der alle jene Wiederholungen des Pramāņavārttikam vermieden und, wo es wünschenswert war, die verstreuten Verse desselben in einen Zusammenhang vereinigt sind. Schließlich muß auch folgendes berücksichtigt werden. Die Anfangs- und Schlußverse des Pramāņavārttikam sprechen eine tiefe Enttäuschung und Verbitterung aus. Er beginnt mit den Worten (Pr. vārt. I v. 2): prāyaḥ prākstasaktir apratibalaprajño janah kevalam nānarthy eva subhāṣitaih parigato vidvesty apirsyāmalaih | tenāyam na paropakāra iti nas cintäpi cetas ciram sūktābhyāsavivardhitavyasanam ity atrānubaddhasp?ham || 15 Damit steht natürlich die Vornahme kleinerer redaktioneller Änderungen nicht im Widerspruch. Als solche sind z. B. die Verweise auf die übrigen Kapitel des Pramāņavārttikam zu betrachten.

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