Book Title: Die Entwicklung Des Ksanikatvanumanam Bei Dharmakirti
Author(s): Ernst Steinkellner
Publisher: Ernst Steinkellner

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Page 2
________________ 362 ERNST STEINKELLNER kein Material enthält 2, hat dazu beigetragen, daß die Entwicklung dieses Beweises noch immer nicht geklärt ist. Es ist auch kein fruchtbarer Umweg, für diese Problematik auf den Tattvasangrahaḥ des Santarakṣita mit dem Kommentar des Kamalasila oder, noch schlimmer, gar auf gegnerische Literatur z. B. Vacaspatimiśras Polemiken - auszuweichen. In ihrer enzyklopädischen Art der Darstellung ist die sthirabhāvaparīkṣā Sāntarakṣitas (TS p. 131, 12-166, 5), in der die Traditionen beider Beweise sehr geschickt ineinander verwoben sind, zwar bewundernswürdig, doch für eine saubere Erkenntnis der Entwicklung des kṣaṇikatvānumānam kaum ein geeigneter Ausgangspunkt. Und Vacaspati richtet sich nicht nur gegen eine schon fortgeschrittene Stufe der Beweisführung - sein Hauptgegner ist bereits Dharmottara, sondern gibt auch wie andere Polemiker von seiten des Nyāya oder der Jainas die buddhistischen Lehren nur mangelhaft und zum Teil schief wieder. Dabei ist die Materiallage gerade für diesen Beweis und den entscheidenden Schritt von seiner Gestalt als vināsitvänumānam zum sattvānumānam außerordentlich günstig. Das sattvänumānam, das vor Dharmakirti nicht bekannt ist, ist seiner logischen Form nach untrennbar mit der durch Dharmakirti erneuerten buddhistischen Logik verbunden 3. Die Werke Dharmakirtis aber sind zur Gänze erhalten, wenn auch zum Teil nur in tibetischer Übersetzung. Wir sind also in der glücklichen Lage, bei der Suche nach dem Beginn der Tradition des sattvänumānam die relevante Literatur geschlossen zur Verfügung zu haben. Aufgabe der folgenden Untersuchung ist daher eine Überprüfung der sich mit dem kṣaṇikatvānumānam beschäftigenden Stellen in Dharmakirtis Werken hinsichtlich der logischen Gestalt der dort vorgetragenen Beweise und der Versuch einer historischen Interpretation dieser Stellen. Dharmakirti hat sich mit dem kṣaṇikatvānumānam zeit seines Lebens immer wieder beschäftigt. Neben den vielen Stellen, in denen der Beweis oder ein Teil der zu ihm gehörenden Argumentation als Beispiel oder in anderer untergeordneter Funktion erscheint, finden sich in seinen Werken in Form von Exkursen vier in sich geschlossene Texte, die alle Darstellungen des kṣaṇikatvānumānam sind. Eine fünfte Stelle im Vadanyāyaḥ ist an sich kein 2 Der Nyayabinduḥ, eine Art Epitome aus dem Pramanaviniscayaḥ, ist ein knapper Leitfaden zur Einführung in die Theorie der Erkenntnismittel. Wird er allein als Quelle für Dharmakirtis Lehren herangezogen, kommt es notwendig zu Fehlinterpretationen oder, unter Einfluß der Kommentare, zu anachronistischen Interpretationen. 3 Nach der Logik Dignagas wäre der Grund,,Seiendsein" (sattvam) einmalig (asadharana-) und daher falsch, weil man weder ein mit der Folge gemeinsames Vorkommen (anvayaḥ) noch Fehlen (vyatirekaḥ) an einem Beispiel (dṛṣṭantaḥ) angeben kann. Erst die Lehre vom logischen Nexus des Dessen-Selbst-Seins (tādātmyam) macht das sattvänumanam möglich und diese Lehre stammt ohne jeden Zweifel von Dharmakirti.

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