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DIE ENTWICKLUNG DES K ŞANIKATVĀNUMĀNAM BEI
DHARMAKIRTI
Von Ernst Steinkellner, Wien
Bereits 1935 hat Professor FRAUWALLNER die Ansicht vertreten, daß Dharmakirti bei der Weiterbildung des Augenblicklichkeitsbeweises (kşaņikatvānumānam) eine entscheidende Rolle gespielt hat, doch hat bis heute niemand diese Anregung aufgenommen und die beiden aus der klassischen Zeit buddhistischer Logik und Ontologie bekannten Beweise, das von FRAUWALLNER so genannte vinäsitvānumānam („Schluß aus dem Vergänglichsein“) und das sattvānumānam („Schluß aus dem Seiendsein“), in ihrem historischen Verhältnis zueinander untersucht. Auch der Umstand, daß dasjenige Werk, auf das sich Darstellungen von Dharmakirtis Auffassung zu einem bestimmten Problem immer noch hauptsächlich stützen, der Nyāyabinduh, für eine Beschreibung von Dharmakirtis Lehren nicht nur ganz allgemein völlig unzureichend ist, sondern auch für das kşanikatvānumānam im besonderen
AK
Abkürzungen:
Abhidharmakośaḥ. TS
Tattvasangrahah, (Gaekwad's O. S. 30, 31) Baroda 1926. NV
Nyāyavārttikam, (Calc. S. S. 18, 29) Calcutta 1936-1944. PVI
Pramānavārttikam, Kapitel I, (Serie Orientale Roma 23) Roma 1960. PV II, III, IV Pramāņavārttikam, Kapitel II, III, IV, Patna 1938. PVin
Pramāņaviniscayaḥ, Peking edition, Tokyo 1955ff., Vol. 130,
Nr. 5710. PVSV
Pramāņavārttikasvavșttiḥ, s. PV I. PVSVT
Pramānavärttikasvavrttiţikā, Allahabad 1943. VN.
Vādanyāyaḥ, Patna 1935-1936. HB
Hetubinduh, in: Dharmakirti's Hetubinduḥ, Teil I, Wien 1967
(zitiert wird nach der Seitenzählung mit Sternchen). HB II
Dharmakirti's Hetubinduḥ, Teil II, Übersetzung und Anmerkungen, Wien 1967.
1 E. FRAUWALLNER, Dharmottaras Kşanabhangasiddhiḥ. Text und Übersetzung. WZKM 42, 1935, p. 217: ,,Erstens folgerte man die Augenblicklichkeit der Dinge daraus, daß sie unabhängig von äußeren Ursachen ihrem eigenen Wesen nach vergänglich sind. (Ich nenne diese Schlußfolgerung vināsitvānumānam.) Zweitens suchte man ihre Augenblicklichkeit aus ihrem Sein abzuleiten. (Die Inder nennen dies sattvänumānam.) ... Das vināsitvānumānam finden wird bereits in Vasubandhus Abhidharmakosah voll ausgebildet. Es herrscht zunächst vollkommen vor und wird noch von Dharmakirti ausführlich behandelt und mit neuen Gründen gestützt. Bei Dharmakirti finden wir aber auch schon das sattvänumānam. Und zwar ist diese Art der Beweisführung mit ihren Grundanschauungen so fest im Gedankenkreis Dharmakirtis verwurzelt, daß ich sie auf ihn selbst zurückführen möchte."