Book Title: Die Erkenntnislehere Des Klassischen Samkhya Systems
Author(s): Erich Frauwallner
Publisher: Erich Frauwallner

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Page 52
________________ Dieser Befund ist meiner Ansicht nach folgendermaßen zu deuten. Das Samkhya hat früh die Regeln für die Abfassung wissenschaftlicher Werke (tantrayuktayaḥ) übernommen. Es hat unter ihnen der Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis und vom Beweis eine hervorragende Stelle eingeräumt. Und es hat auf diesem Boden seine besondere eigenartige Erkenntnislehre entwickelt. Das gilt insbesondere für die Erkenntnislehre Vṛṣagana's, der wahrscheinlich sein Hauptwerk mit Absicht als Tantram bezeichnete, ein Name, der in der philosophischen Literatur der damaligen Zeit nicht gebräuchlich war. Damit ist die Frage beantwortet, welcher Entwicklungslinie das Samkhya angehört. Nur ein Punkt bleibt noch zu klären: Steht das Samkhya in dieser Entwicklungslinie vollkommen allein oder gibt es auch andere Systeme, deren Erkenntnislehre hierher gehört, und in welchem Verhältnis steht es zu ihnen? Dazu ist zu sagen, daß sich im Vaiseṣika der Vaiseṣika-Sūtren etwas ähnliches findet, und zwar im 1. Ahnikam des 3. Adhyāyaḥ. Hier treffen wir auf eine Schlußlehre, die ebenfalls von der Dialektik unabhängig ist, und welche sich auf die feste Verbindung zweier Dinge gründet, wobei man die Arten dieser Verbindung zu bestimmen sucht. Auch hier ist die Wahrnehmung hinter die Schlußlehre an die zweite Stelle gerückt. Und das Vaiseṣika verwendet auch die Schlußfolgerung aus der einzigen bleibenden Möglichkeit5o). Diese Ähnlichkeiten sprechen für einen Zusammenhang mit der Erkenntnislehre des Samkhya, doch läßt es sich leicht zeigen, daß die Abhängigkeit auf Seiten des Vaiseṣika liegt. Meiner Ansicht nach entscheidet hier schon ein Punkt, nämlich die Stellung der sinnlichen Wahrnehmung. Im allgemeinen galt immer die sinnliche Wahrnehmung als das vornehmste Mittel richtiger Erkenntnis, das von allen Schulen, selbst den Materialisten, anerkannt wurde, und das daher stets die erste Stelle einnahm. Daß Vṛṣagana sie an die zweite Stelle rückte, hatte seinen guten Grund. Denn er leitete die wichtigsten Grundbegriffe des Sāmkhya ausschließlich mit Hilfe 5) Ich fasse mich hier kurz, da ich über die Erkenntnislehre des Vaiseṣika an anderer Stelle ausführlicher zu sprechen denke. 53

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