Book Title: Die Erkenntnislehere Des Klassischen Samkhya Systems
Author(s): Erich Frauwallner
Publisher: Erich Frauwallner
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Page #1 -------------------------------------------------------------------------- ________________ DIE ERKENNTNISLEHRE DES KLASSISCHEN SĀMKHYA. SYSTEMS Von Erich Frauwallner Page #2 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Das Sāņkhya-System gehört anerkanntermaßen zu den bedeutendslen Erscheinungen der älteren indischen Philosophie. Als ältestes System ist es in vorchristlicher Zeit entstanden. Lange Jahrhunderte war es neben dem Vaiseșika das führende System. Und seine Wirkung erstreckte sich weithin. Epos und Purāņen, vişņuitische und sivaitische Systeme zeigen seinen Einfluß und haben die vom Sām. khya ihnen aufgeprägten Züge dauernd bewahrt?). Trotzdem ist uns das System der klassischen Zeit nur mangelhaft bekannt. Im wesentlichen ist nur ein Werk aus dieser Zeit erhalten geblieben, die Samkhyakārikā des īśvarakļşņa. Diese ist in der Klarheit ihres Aufbaus und in ihrer inhaltsreichen Kürze eine Meisterleistung indischer philosophischer Systematik. Aber sie gibt nichts als eine knappe Dogmatik. Was zur Entstehung der einzelnen Lehrsätze führte, die Gedankengänge, die ihnen zugrunde liegen, und die Persönlichkeiten, die sie dachten, bleiben im Dunkeln. Wir ahnen noch das reiche philosophische Schaffen, das in der Kārikā seinen letzten Niederschlag gefunden hat. Aber die großen Werke des klassischen Sāņkhya-Systems und seine führenden Denker sind bis auf wenige Namen und dürftige Fragmente verschollen. Auch die Kommentare zur Sāmkhyakārikā ändern daran nichts. Was bisher davon bekannt war, sei es nun der Kommentar Paramārtha's oder Māthara's, Gaudapāda's oder Vācaspatimiśra's, es sind alles dürftige Erläuterungen für den Schulbetrieb, nicht mehr. Erst die neuentdeckte Yuktidipikā erwies sich als reichhaltiger. Aber auch sie läßt uns mehr das Verlorene ahnen, als daß sie ein klares Bild davon gäbe. Unter diesen Umständen ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Forschung auf dem Gebiet der indischen Philosophie, vom klassi 1) Über die Entwicklung des Sāmkhya-Systems im allgemeinen vgl. meine Dar. stellung im 1. Band meiner Geschichte der indischen Philosophie, Salzburg 1953, S. 275 ff. Page #3 -------------------------------------------------------------------------- ________________ schen Sāmkhya-System, das für die gesamte Entwicklung so bedeutend war, so viel wie möglich wiederzugewinnen. Aber leider sind die Mittel dazu mehr als dürftig. Die Fragmente älterer Werke, an. deren Sammlung man zunächst denkt, sind spärlich und werfen nur auf einzelne Punkte der alten Lehre helleres Licht. Im allgemeinen ermöglichen sie es nicht, auch nur ein Werk der klassischen Zeit wenigstens in den Grundzügen wiederherzustellen. Nur in einem Falle liegen die Dinge günstiger, nämlich auf dem Gebiet der Erkenntnislehre, und mit ihr wollen wir uns daher im Folgenden beschäftigen. Vor der entscheidenden Ausgestaltung der buddhistischen Logik durch Vasubandhu und Dignāga liegt nämlich eine Zeit, in der die Erkenntnislehre des Sāmkhya führend war. Wir sehen ihren Einfluß im Mimāņsābhāșyam Śabarasvāmī's und im Dasapadārthaśāstram Candramati’s). Und als Dignāga in seinem Pramāṇasamuccayaḥ daranging sich mit den Lehren der anderen Systeme auseinanderzusetzen, war es das Sāmkhya, auf das er besonders ausführlich einging. Von den Versen, welche die Polemik gegen die fremden Erkenntnislehren enthalten, ist fast ein Drittel gegen das Sámkhya gerichtet). Infolgedessen findet sich im Pramāṇasamuccayaḥ eine größere Anzahl von Nachrichten und Fragmenten, welche durch den Kommentar Jinendrabuddhi's aufs glücklichste ergänzt werden. Und so kann von hier aus der Versuch gemacht werden, die Erkenntnislehre des klassischen Sāņkhya-Systems wiederzugewinnen*). 2) Vgl. meinen Aufsatz „Candramati und sein Dasapadārthaśāstram" in Studia Indologica, Festschrift für Willibald Kirfel zur Vollendung seines 70. Lebensjahres, Bonn 1955, S. 66—85. 8) In den Abschnitten über Wahrnehmung, Schlußfolgerung für sich selbst und Schlußfolgerung für andere entfallen auf die Polemik gegen Vasubandhu, den Nyāya und das Vaišesika ungefähr je 12 Verse, auf die Mimamsā 18 und auf das Samkhya 25. Die dialektischen Abschnitte fallen aus, da für sie das Samkhya keine Rolle spielt. *) Für Dignāga's Pramānasamuccayavrttih (V) benütze ich die Tanjur-Ausgabe von Narthang, für Jinendrabuddhi's Tīkā (T) die Ausgabe von Derge. Da textkritische Einzelheiten für den Gang der Untersuchung im allgemeinen ohne Be. deutung sind, gebe ich von den beiden Übersetzungen der Pramāṇasamuccayavrttih in der Regel nur die jeweils klarere wieder. Page #4 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Als Ausgangspunkt wähle ich dabei das 2. Kapitel des Pramāṇasamuccayah über die Schlußfolgerung für sich selbst (svārthānumānam), da hier die Verhältnisse am günstigsten liegen. In diesem Kapitel bespricht Dignaga bei seiner Polemik gegen das Samkhya zunächst die Samkhya-Definition der Schlußfolgerung und die ver. schiedenen Arten der Verbindung zwischen Grund und Folge, welche das Samkhya lehrte. Dann fährt er fort (V f. 41 b 3 f. f. 123 b 3): gan yan rjes su dpag pa ni rnam pa gñis te / bye brag mthon ba dan spyi mthon bao źes brjod pa usw. - Hiezu sagt Jinendrabuddhi in seinem Kommentar (T f. 124 a 6b3): rjes su dpag pa rnam pa gñis źes pa ste / de la khyad par mthon ba ni gan gi tshe me dan du ba 'brel pa mthon nas du ba de kho nas me de kho na' i yan dan yan du me de kho na 'di 'o źes yod pa ñid du rtogs par byed pa'o // spyir mthon ba ni gan 'ga zig tu du ba dan me 'brel par mthon nas dus phyis du ba tsam mthon ba las me spyir rjes su dpog pa'o // spyir mthon ba'i rjes su dpag pa 'di yan rnam pa gñis te / sha ma dan Idan pa dan lhag ma dan Idan pa'o // de la sina ma dan Idan pa ni gan gi tshe rgyu ma tshan ba med pa mthon nas 'bras bu 'byun bar 'gyur ba ñid rtogs pa ste/ dper na sprin byun ba mthon nas char pa 'byun bar 'gyur ba ñid lta bu'o // lhag ma dan Idan pa ni gan gi tshe 'bras bu grub pa mthon nas rgyu byun zin pa ñid rtogs pa ste/dper na chu klun gsar du chu 'phet ba mthon ba nas sprin byun ba ñid lta bu'o // de la sna ma dan Idan pa'i rjes su dpag pa ni 'khrul paʻo // lhag ma dan Idan pa rnam par dpyad pa dan bcas pa ni 'khrul pa med pa'o // de rnams kyi gan 'di spyir mthon ba'i rjes su dpag pa lhag ma dan Idan pa 'di ni dban po las 'das pa'i dños po rnams yan dag par rtogs par byed pa'o źe'o. Jinendrabuddhi gibt also im Anschluß an die Worte Dignaga's ein längeres Textstück wieder, das zwar nicht ausdrücklich als Zitat bezeichnet, aber immerhin mit źe'o abgegrenzt ist, und das die Worte Dignaga's unmittelbar weiterführt. Dignaga's weitere Darstellung verläuft nun in der Weise, daß er einzelne kurze Sätze des Gegners wiedergibt oder auf sie anspielt und dann seine Einwände gegen sie vorbringt. Diese Sätze lauten: (V f. 41 b 5 = 123 h 4) spyir mthon 5 Page #5 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ba ni rnam pa gñis so zes bya ba; (V f. 42 a 3 = 124 a 3) sha ma dan Idan pa'i rjes su dpag pa 'khrul pa'o źes gan smras pa; (V f. 42 a 7 f. = 124 b 1) lhag ma dan Idan pa la yan rjes su dpag pa ñid la rnam par dpyad par ni ma yin gyi / 'on kyan rtags la'o; (V f. 42 b 3 f. 124 b 3f.) gan 'dir lhag ma dan Idan pa'i spyi mthon ba'i rjes su dpag pa 'di kho na dban po las 'das pa'i dnos po rtogs pa'i gtan tshigs yin no źes. = Ein Blick zeigt, daß diese Sätze sämtlich in dem von Jinendrabuddhi angeführten Text wiederkehren, und zwar in der gleichen Reihenfolge. Dignaga hatte also, als er seine Polemik gegen das Samkhya niederschrieb, einen bestimmten Text vor Augen, den er der Reihe nach durchging, indem er einzelne Sätze herausgriff und bekämpfte. Und von diesem Text hat uns Jinendrabuddhi ein längeres Stück erhalten. Schon dieses Ergebnis ist wichtig. Wir gewinnen nämlich auf diese Weise ein längeres Fragment eines Samkhya-Textes der klassischen Zeit, während die sonst erhaltenen Fragmente meist nur aus kurzen, abgerissenen Sätzen bestehen. Vor allem aber eröffnet sich die Aussicht, weitere Fragmente dieses Textes zu gewinnen. Denn es ist naheliegend, daß Dignaga den gleichen Text in seiner Polemik auch weiterhin berücksichtigte. Und tatsächlich läßt sich zeigen, daß dies der Fall war. Zwar im 2. Kapitel des Pramāņasamuccayah schließt seine Polemik gegen das Samkhya mit der Wiederlegung der angeführten Sätze und damit hört zunächst auch die Benützung dieses Textes auf. Wir können denselben aber an einer anderen Stelle wieder fassen, und zwar im 3. Kapitel. In diesem Kapitel beginnt Dignaga seine Polemik gegen das Samkhya mit folgenden Worten: (V f. 59 b 4-5 142 b 1-2) ser skya ba rnams na re gźan rtogs pa'i don gyi rjes su dpag pa ni rnam ldan pa dan bsal te 'ons pa' khyad par gyis rnam pa gñis so // de la rnam par Idan pa ni dam bca ba la sogs pa'i khyad par gyis nag gi ran bźin lna'i phyogs so źes zer ro. par Dazu sagt Jinendrabuddhi: (T f. 193 a 1-2) rnam par Idan pa dan bsal te 'ons pa'i bye brag las zes pa de la bśad pa / gan 'di spyir mthon ba ni rjes su dpag pa ste / lhag ma dan ldan pa 'di ni Ը Page #6 -------------------------------------------------------------------------- ________________ dban po las ‘das pa'i dnos po rnams rtogs par bya ba la gtan tshigs so // de'i sbyor ba ñe bar spyod pa'i bye brag las rnam pa gñis ñid de / rnam par ldan pa dan bsal te ‘ons pao zes so. Jinendrabuddhi zitiert also zu den Anfangsworten Dignāga's zwei Sätze. Davon entspricht der zweite Satz dem ersten Satz Dignāga’s. Der Wortlaut ist zwar verschieden. Das hat jedoch nichts zu bedeuten. Denn es ist in diesem Fall kein Zweifel daran möglich, daß Dignāga den Satz geändert hat. Das Sāņkhya kennt nämlich die Einteilung der Schlußfolgerung in Schlußfolgerung für sich selbst (svārthānumānam) und für andere (parārthānumānam) nicht. Dignāga behandelt aber im 3. Kapitel des Pramāṇasamuccayaḥ die Schlußfolgerung für andere. Er hat also, wie auch in anderen Fällen, den zitierten Satz so umgeformt, daß er in seinen Zusammenhang paßte. Wichtig ist aber folgendes. Jinendrabuddhi schickt, um den von ihm im originalen Wortlaut zitierten Satz verständlich zu machen, einen anderen Satz voraus, an den der zitierte unmittelbar anschließt. Dieser andere Satz ist aber der letzte Satz, den Dignāga im 2. Kapitel des Pramāṇasamuccayah bekämpft und der den Abschluß des von Jinendrabuddhi wiedergegebenen Textstückes bildet. Das heißt aber, daß Dignāga im 3. Kapitel des Pramāṇasamuccayaḥ in seiner Polemik gegen das Sāņkhya den gleichen Text vor Augen hat und bekämpft, wie im 2. Kapitel, und daß er die Bekämpfung genau dort fortsetzt, wo er sie im 2. Kapitel unterbrochen hat. Unter diesen Umständen dürfen wir hoffen, den alten SāņkhyaText, von dem wir ein längeres Stück aus dem 2. Kapitel des Pramāņasamuccayaḥ gewonnen haben, aus dem 3. Kapitel ergänzen und fortsetzen zu können. Aber diese Hoffnung erfüllt sich fürs erste nur in bescheidenem Maße. Denn Dignāga bringt zunächst nicht mehr als die angeführte kurze Wiedergabe der bekämpften Lehre. Und auch Jinendrabuddhi beschränkt sich im vorliegenden Fall auf das erwähnte Zitat und schließt daran nur Erklärungen dieses Zitats und des zweiten von Dignāga angeführten Satzes. Doch läßt sich aus der Polemik Dignāga's und Jinendrabuddhi's Erläuterungen dazu immerhin Verschiedene om Inhalt des bekämpften Textes erkennen. Page #7 -------------------------------------------------------------------------- ________________ In der angeführten Wiedergabe der gegnerischen Lehre sagt Dignāga, daß das Sāmkhya bei der Schlußfolgerung eine zweifache Art der Begründung kennt, eine direkte (vītah) und eine indirekte (āvītah), und daß die sprachliche Formulierung der direkten Be. gründung aus fünf Gliedern besteht. Dann bespricht er zunächst die direkte Begründung, und zwar zeigt er, daß die fünf Glieder der sprachlichen Formulierung, so wie sie das Sāmkhya lehrt, fehlerhaft sind und ihren Zweck nicht erfüllen. Dabei legt er eine vom Gegner vorgebrachte Schlußfolgerung zugrunde, die mit den Worten beginnt: (V f. 59 b6f. = 142 b 3f.) gtso bo ni yod pa yin te / khyad par rnams la rjes su 'gro ba mthon ba'i phyir ro, und bespricht an. schließend daran die Fehler der einzelnen Glieder. Aus diesen Ausführungen und Jinendrabuddhi's Erläuterungen dazu ergibt sich nun mancherlei, wenn auch längere Zitate fehlen. Vor allem erwähnt Dignāga im Laufe seiner Auseinandersetzungen die Definitionen mehrerer Glieder oder spielt wenigstens darauf an, während Jinendrabuddhi den genauen Wortlaut gibt. So erfahren wir die Definition der Behauptung (T f. 195 a 3) bsgrub bya nes par ‘dzin pa dam bca‘o, die Definition des Grundes (V f. 60 a 2 = 142 b 6; T f. 194 a 4 und 6) sgrub byed bsdus pa'i tshig gtan tshigs so, die Definition des Beispiels (Tf. 194 b 2; 195 a 3) de nes par ston pa dpe'o, und die Definition der Zusammenfassung (T f. 195 a l und 4) bsgrub bya dan dpe dag gcig tu bya ba <ñe bar sbyar-ro>. Ferner ist den Darlegungen Dignāga's zu entnehmen, daß in dem bekämpften Sāņkhya-Text zu der angeführten Schlußfolgerung eine ausführliche Begründung gegeben war, und Jinendrabuddhi gibt mehrere Sätze dieser Begründung wieder (T f. 193 b 5 f.; 194 a 2–4; 194 b 5; 195 b 4f.; 196 b 6 f.). Dazu kommt folgendes. Die angeführte Schlußfolgerung dient dazu, das Vorhandensein der Urmaterie zu beweisen. Aus Andeutungen Dignāga's und Zitaten Jinendrabuddhi's ergibt sich, daß dafür in dem bekämpften Text noch vier weitere Schlußfolgerungen aufgeführt wurden, und aus Jinendrabuddhi erfahren wir manches über die daran geschlossenen Begründungen (T f. 196 h 2—4; 199 b 2 - 200 b 6). Schließlich zeigt ein weiteres Zitat (T f. Page #8 -------------------------------------------------------------------------- ________________ 195 h 6), daß die gleichen Schlußfolgerungen auch verwendet wurden, die Einheit der Urmaterie zu beweisen. So viel ergibt sich aus der Polemik Dignāga's, soweit sie sich gegen die Sāmkhya-Lehre von der direkten Begründung (vītaḥ) richtet. Anschließend daran geht er aber auch noch auf die indirekte Begründung (āvītah) ein. Allerdings sind seine Angaben hier recht dürftig und auch Jinendrabuddhi bringt wenig, was über Dignāga hinausgeht. An der Spitze steht eine Wiedergabe der bekämpften Lehre, die aus drei kurzen Sätzen besteht und folgendermaßen lautet: (Vf. 61 b 7 — 62 a 1= 144 b 4—5) kun gyi rjes thogs ma las bsal te ‘ons pa ‘grub bo zes pa / gzan gyi 'dod pa so sor bkag nas ran gi phyogs yons su gzun baʻi bya ba ni bsal te ‘ons pa‘o zes grag go // so sor ‘gegs pa'i thabs ni gñis te / dpe dan ‘gal ba dan khas blans pa dan 'gal ba żes so. Zum ersten Satz, den er als Definition (mtshan nid) bezeichnet, zitiert Jinendrabuddli eine Erklärung (bśad pa), die folgenden Wortlaut hat: (T f. 200 b 7 - 201 a 1) 'di ni ‘di las rnam pa gźan du srid pa ma yin te / 'di yan yod do // de'i phyir yons sù ba'i lhag ma las 'di ni gtan tshigs kho na'o zes nes par gzun ba'i 'bras bu grub na yan ston pa de'i tshe bsal te ‘ons pa zes par 'gyur ro zes so. Sonst gibt er nur einige Erläuterungen zu den übrigen Sätzen. Die anschließende Polemik Dignāga's richtet sich zuerst gegen den zweiten der angeführten Sätze, daß sich aus der Widerlegung der gegnerischen These die Richtigkeit der eigenen ergibt. Dann gegen die Unterscheidung von zwei Arten der Widerlegung, wie sie der dritte Satz lehrt. Schließlich bekämpft er ganz im allgemeinen die Lehre, daß die indirekte Begründung eine selbständige Form der Beweisführung neben der direkten Begründung darstellt. Als Grundlage dient ihm dabei wieder eine vom Gegner vorgebrachte Begründung. Über die Darstellung des Gegners erfahren wir also aus dieser Polemik Dignāga’s nicht viel und auch die Erklärungen Jinendrabuddhi's geben wenig aus. Doch können wir neben der Definition der indirekten Begründung wenigstens folgendes daraus entnehmen. Jinendrabuddhi führt unter anderem einen Satz des Gegners an, der folgendermaßen lautet: (T f. 204 a 3.-4) di Itar rnam par Idan pa Page #9 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Ina po 'di rnams kyis gtso bo yons su gzun ba byas nas slar yan bsal te 'ons pa rnams kyis bya'o. Der bekämpfte Samkhya-Text hatte also zunächst das Vorhandensein der Urmaterie durch fünf direkte Begründungen nachzuweisen gesucht und daran entsprechende indirekte Begründungen geschlossen. Diese waren, wie sich aus Bemerkungen Dignaga's ergibt (V f. 63 a 5 ff. 146 a 1 ff.), ebenfalls fünf. Und wie wir aus der Darstellung Dignāga's ersehen, waren auch diese indirekten Begründungen ziemlich breitgehalten, und Jinendrabuddhi gibt wenigstens einzelne kurze Sätze daraus wieder (T f. 202 b 7 a 2; 203 b 4-5; 204 b 4). = Alles in allem ist also das, was wir aus dem 3. Kapitel des Pramāṇasamuccayaḥ für das bekämpfte Samkhya-Werk gewinnen, nicht sehr viel. Immerhin zeichnet sich die Darstellung des Gegners wenigstens in großen Zügen ab. Er hatte, anschließend an die Lehre von der Schlußfolgerung im allgemeinen, zwei Formen der Begründung unterschieden, die direkte und die indirekte. Die direkte hatte er in fünf Glieder eingeteilt und diese definiert. Dann hatte er, in Übereinstimmung mit diesen Anschauungen, das Vorhandensein der Urmaterie durch direkte Begründung zu beweisen gesucht und fünf solche Begründungen gegeben. Anschließend war er zur indirekten Begründung übergegangen, hatte diese kurz erklärt und hatte dann, den fünf direkten Begründungen entsprechend, fünf indirekte vorgebracht. Dieser Gang der Darstellung kann wohl als sicher gelten. Aber im einzelnen bleibt manches fraglich. Und vor allem, an eine Herstellung des Wortlautes läßt das gewonnene Material nicht denken. Hier kommt uns aber eine weitere wertvolle Quelle zu Hilfe, nämlich das Dvādaśāranayacakram des Jaina Logikers Mallavādi und der Kommentar dazu, die Nyāyāgamānusāriņī des Simhasūri. Über diesen beiden Werken hat zwar leider ein Unstern gewaltet. Das Werk Mallavādī's selbst ist verloren und der Kommentar Simhasūri's ist, wie sich unter diesen Umständen verstehen läßt, schlecht überliefert und entstellt. Es ist daher in ihm vieles schwer zu deuten und manches vollkommen unverständlich. Doch enthält er eine Fülle wertvoller Nachrichten und gerade im vorliegenden Falle vermag er die 10 Page #10 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Aussagen Dignaga's und Jinendrabuddhi's aufs glücklichste zu ergänzen3). Im 3. Kapitel dieses Werkes kommt nämlich die Lehre des Samkhya von der Urmaterie zur Sprache (S. 260 ff.) und wird ausführlich widerlegt (S. 286 ff.), wobei zahlreiche Fragmente aus Samkhya-Werken zitiert werden. Am Schluße dieser Widerlegung sagt dann Simhasūri, daß die vom Gegner vorgebrachten direkten und indirekten Begründungen Trugschlüsse (anumānābhāsāḥ) seien, und nachdem er einige Worte Mallavādī's angeführt hat, fährt er fort (S. 313, 8314, 6): teṣām vītāvītānām lakṣaṇam tadyatha: prāg anumānam saprabhedam vyākhyāya, teṣām yad etat sāmānyato drstam seṣavat, esa hetur atīndriyāṇām bhāvānām samadhigame; tasya prayogopacāraviśeṣād dvaividhyam vīta <āvīta> iti sāmānyena. viseṣena tu: svarūpād vitasiddhiḥ. yada hetuḥ parapakṣam avyapeksya svenaiva rüpena kāryasiddhav apadisyate, tadā vītākhyo bhavati. pariseṣād āvītasiddhiḥ. yadā nedam ato 'nyatha sambhavati, asti cedam, tasmat pariseṣato hetur evayam ity avadhārya kāryasiddhav apadisỳate, tadāvītākhyo bhavatiti, prayogalakṣaṇam tv asya parapakṣapratiṣedhena svapakṣaparigrahakriyāvīta iti. vitasya vākyabhavaḥ pañcapradeśaḥ, pratijna hetur dṛṣṭanta upasamhāro nigamanam iti. tatra sädhyāvadhāraṇam pratijña, sadhanasamāsavacanam hetuḥ, tannidarśanam drṣṭāntaḥ, sadhyadrṣṭāntayor ekakriyopasamhāraḥ, pratijñābhyāso nigamanam iti purastād vītasya prayogam nyayyam manyante, paścād āvītasyeti. Nun folgen fünf direkte Beiweisführungen, welche das Vorhandensein der Urmaterie beweisen sollen (S. 314, 7-321, 3). Dann bemerkt Simhasuri (S. 321, 4-6): eteṣām eva pañcānām vītānām parisuddhyarthaḥ pañcaivāvītāḥ, evam ebhiḥ pañcabhir vitaiḥ pradhanasya parigraham kṛtva punar avitaiḥ karisyāmaḥ, parapakṣapratiṣedhena svapakṣaparigrahakriyāvīta ity apadiṣṭam purastāt. Und wieder folgen fünf Beweisführungen, diesmal indirekter Art. Der Text dieses ganzen Abschnittes ist vielfach entstellt und schwer verständlich. Simhasūri hat nämlich stark gekürzt. Besonders die 5) Ich zitiere nach der Ausgabe der Jain Atmanand Sabha von Muni Jambuvi. jaya, da diese allein einert wirklich brauchbaren Text bietet. 11 Page #11 -------------------------------------------------------------------------- ________________ direkten und indirekten Beweisführungen sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen. Trotzdem zeigt schon ein flüchtiger Vergleich mit dem, was wir aus Dignaga und Jinendrabuddhi festgestellt haben, daß Simhasuri denselben Text vor Augen hatte, wie diese, und daß er ihn großenteils wörtlich wiedergibt. Er beginnt mit demselben Satz, den Dignāga im 2. Kapitel des Pramanasamuccayah als letzten anführt und bekämpft (V f. 42 b 3—4 124 b 3-4) und den Jinendrabuddhi zusammen mit dem folgenden Satz am Anfang seines Kommentars zur Polemik des 3. Kapitels wiederholt (T f. 193 a 2; vgl. oben S. 88). Es folgen Definitionen der direkten und indirekten Beweisführung mit kurzen Erläuterungen. Davon wird die zweite von Dignaga bei der Bekämpfung der indirekten Beweisführung angeführt (V f. 61 b7 144 b 4) und von Jinendrabuddhi im Kommentar dazu samt der Erläuterung wiedergegeben (T f. 200 b 6 201 a 1; vgl. S. 90). Die Gliederung der sprachlichen Formulierung der direkten Beweisführung steht mit den gleichen Worten unter den Sätzen, die Dignaga seiner Bekämpfung der direkten Beweisführung vorausschickt (V f. 59 b5 142 b 2), und die folgenden Definitionen der fünf Glieder stimmen genau mit jenen überein, die Dignaga voraussetzt und Jinendrabuddhi wörtlich anführt (vgl. S. 5). Auch die von Simhasūri wiedergegebe nen fünf direkten Beweisführungen, welche das Vorhandensein der Urmaterie beweisen sollen, sind dieselben, auf die sich Dignaga bezieht, und mehrere Sätze daraus finden sich im genauen Wortlaut bei Jinendrabuddhi (z. B. T f. 65 a 7 b1; 121 b4; 193 b 5-6; 194 a 2-4; 196 b 6-7; 197 a 2). Den Satz, der zu den fünf indirekten Beweisführungen überleitet, haben wir ebenfalls bei Jinendrabuddhi gefunden (T f. 204 a 3-4; vgl. S. 90 f.). Und auch die indirekten Beweisführungen selbst sind die gleichen, die Dignaga voraussetzt und aus denen Jinendrabuddhi einzelne Sätze zitiert (z. B. Tf. 127 a 6; 202 b 7- 203 a 2; 203 b 4-5; 203 b 7 204 a 1; 204 b 4). - 12 - Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß Simhasuri denselben Text wiedergibt, gegen den Dignaga seine Polemik richtet. Der Inhalt und die Anordnung des Stoffes sind dieselben, wie wir sie aus Dignaga erschlossen haben. Und die Sätze, welche Dignaga Page #12 -------------------------------------------------------------------------- ________________ und Jinendrabuddhi wörtlich anführen, finden sich bei Simhasūri wieder. Wir sind also berechtigt, das Material, das er bietet, zur Ergänzung dessen zu verwenden, was wir aus Dignāga und Jinendrabuddhi gewonnen haben. Und damit erhalten wir die Möglichkeit, ein großes Stück des fraglichen Textes wiederherzustellen. Aber nicht nur das. Durch Simhasūri erfahren wir auch, um welchen Text es sich handelt. Am Schlusse des besprochenen Abschnittes, wo er die ausführliche Bekämpfung des Sāmkhya beendet und wieder zu seinem eigentlichen Gegenstand zurückkehrt, sagt er nämlich (S. 324, 11): Vārşagaạe tantre subhāṣitābhimatas tyājyo 'yam anupapannaparoksārthavādah. Wir dürfen also in dem bekämpften Text das berühmteste Werk der klassischen Schule des Sāmkhya, das Şaşțitantram Vrşagana’s erkennen. Daß wir dazu berechtigt sind, dafür sprechen außerdem noch andere Gründe. Zunächst dürfen wir annehmen, daß Dignāga seiner Polemik im Pramāṇasamuccayah, ebenso wie bei den übrigen Sy. stemen, das damals maßgebende Werk der Schule zugrunde legte). Wir können ferner Benutzung dieses Werkes und Zitate daraus in den wertvollsten Quellen feststellen, die wir für das klassische Sāņkhya-System besitzen, in der Yuktidīpikā und imVyāsabhāșyam?). Schließlich spricht auch der Inhalt des erschlossenen Werkes nachdrücklich für seine Gleichsetzung mit dem Şaşțitantram. Dieses behandelte nämlich, wie schon sein Name sagt, die 60 Lehrbegriffe, d. h. die 10 Grundlehren (mülikārthāh oder cūlikārthāḥ) und die 50 Begriffe (pratyayāh)8). In dem Abschnitt des fraglichen Werkes, den wir aus Dignāga und Simhasūri gewinnen, dient aber die breit vorgetragene Lehre von der Schlußfolgerung nur dazu, die fünf direkten und indirekten Beweise für das Vorhandensein der Ur ) Daß Dignāga bei den übrigen Systemen, Nyāya, Vaiseșika und Mimāmsā, die Sütren zitiert und bekämpft, beim Sāmkhya dagegen das Şastitantram, zeigt, daß schon damals die alten Samkhya-Sūtren, wenn es solche gab, in den Hintergrund gedrängt waren, und daß dies nicht erst durch die Samkhyakārikā geschah. ) Vgl. dazu weiter unten die Verweise in den Anmerkungen zur Rekonstruktion des Textes, sowie die Anmerkungen in der Ausgabe des Nayacakram von Jambuvijaya. 8) Vgl. meine Geschichte der indischen Philosophie, 1. Bd., S. 319 ff. 13 Page #13 -------------------------------------------------------------------------- ________________ materie einzuführen, also die erste von den 10 Grundlehren zu beweisen. Dann zählt Simhasūri mit dem Zusatz ittham iyatparijñānaphalanı ca śāstram die übrigen neun Grundlehren auf und bemerkt, daß sie auf die gleiche Art zu beweisen sind (S. 320,8 -321, 3). Und auch Dignāga und Jinendrabuddhi weisen mehrfach auf die 10 Grundlehren hin. Das fragliche Werk behandelte also in dem durch Dignāga und Simhasūri bezeugten Abschnitt in breiter Ausführlichkeit einen Gegenstand, der zum charakteristischen Inhalt des Şaşțitantram gehörte. Und so ist es auch aus diesem Grunde gerechtfertigt, in ihm das Şaştitantram selbst zu sehen. Dieses Ergebnis ist aber von größter Bedeutung. Es ist das erste Mal, daß uns ein Hauptwerk der klassischen Schule des Sāmkhya unmittelbar kenntlich wird, und damit können wir zum erstenmal über ein solches Werk aus eigener Anschauung urteilen und sind nicht auf Nachrichten aus zweiter Hand angewiesen. Tatsächlich läßt sich auch schon aus dem, was wir bisher gewonnen haben, obwohl es nur ein kurzer Abschnitt ist, manches erkennen. Im ersten Band meiner Geschichte der indischen Philosophie (S. 320 ff.) habe ich geschildert, welche Rolle Vrşagaña in der Ge. schichte des Sāņkhya spielte und welche Bedeutung die Aufstellung der 10 Grundlehren durch ihn hatte. Im Gegensatz zur früheren gleichmäßigen Behandlung der 25 Wesenheiten (tattvāni) an der Hand der Evolutionslehre waren damit unter Beschränkung auf das Wesentliche die entscheidenden Grundbegriffe herausgehoben und in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Nun sehen wir, wie das geschah. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Verbindung mit der Erkenntnislehre. An der Sāmkhyakārikā hat immer die Methodik Bewunderung erregt, mit der an die Spitze des Systems die Erkenntnislehre gestellt war, um daraus streng folgerichtig die wichtigsten Grundbegriffe abzuleiten. Nun zeigt sich, daß das bereits Leistung Vrşagana's war. Und es paßt auch zu dem Bild des Mannes, der so vorbildlich den wesentlichen Gehalt des Systems herausarbeitete, daß er gleichzeitig die strenge Begründung dafür schuf. Auch wie diese Begründung erfolgte, erkennen wir nun viel besser, als es an der Hand der Kārikā möglich war. Sie war sehr breit gehalten und 14 Page #14 -------------------------------------------------------------------------- ________________ erfolgte in starrer Regelmäßigkeit durch je fünf direkte und indirekte Begründungen. Aber auch die Samkhyakārikā und die Leistung ihres Verfassers Isvarakṛṣṇa läßt sich schon jetzt bedeutend besser beurteilen. Daß der erste Teil der Kārikā, die Prinzipienlehre, auf Vṛṣagana fußt, war klar, sobald dessen Bedeutung erkannt und seine Tätigkeit ins rechte Licht gerückt war. Das bestätigt sich also. Daneben zeigen sich aber stärkere Verschiedenheiten, als man bisher auf Grund der Karika allein vermuten konnte. Isvarakṛṣṇa erklärt nämlich am Ende seines Werkes, daß dieses, mit Ausnahme der Erzählungen und der Polemik, dieselben Gegenstände behandle wie das Șastitantram. Es lag also nahe, in der Kārikā nur einen Auszug aus diesem Werk zu sehen, besonders da Neuerungen, wie sie Vindhyavasi durchführte, in ihr vermieden sind. Daß mit Verschiedenheiten zu rechnen ist, daran war zwar nicht zu zweifeln. Besonders ein Punkt sprach eindeutig dafür. Neben den 10 Grundlehren behandelte Vṛṣagana nämlich in seinem Şaşṭitantram vor allem die 50 Begriffe (pratyayāḥ). Diese werden nun auch in der Karika besprochen, sind aber ganz in den Hintergrund gedrängt. Der Abschnitt, der sie behandelt, sieht fast wie ein Einschub aus. Im übrigen sind sie durch die acht Zustände (bhāvāḥ) ersetzt. Und das ist eine einschneidende Änderung. Darüber hinaus war jedoch bisher keine Möglichkeit gegeben, Änderungen nachzuweisen. Und so schien es eher ratsam, Übereinstimmung mit dem Şaṣṭitantram vorauszusetzen. Das erweist sich nunmehr als unrichtig. Was zunächst die Erkenntnislehre betrifft, so ist sie bei Isvarakṛṣṇa so knapp gebracht, daß wesentliche Züge der Lehre Vṛṣagana's unkenntlich geworden oder ganz verschwunden sind. Und auch Änderungen fehlen nicht, wie wir noch sehen werden. Aber auch die Prinzipienlehre weist starke Änderungen auf. Es erfolgt keine systematische Behandlung der 10 Grundlehren. Im Mittelpunkt der Darstellung stehen vielmehr Seele und Urmaterie allein, wobei vor allem ihre Eigenschaften behandelt werden. Und zwar werden bei der Urmaterie die Eigenschaften, welche Entfaltetes (vyaktam) und Unentfaltetes (avyaktam) miteinander gemeinsam haben, denen 15 Page #15 -------------------------------------------------------------------------- ________________ gegenübergestellt, welche jedem von beiden eigentümlich sind. Die systematische Beweisführung Vrşagana's ist auf einzelne Fälle beschränkt und auch hier nur kurz angedeutet. Außerdem werden nur die direkten Beweisführungen gebracht; die indirekten sind weggefallen. Alles das ist jedoch nur einiges Wenige, wie es sich auf den ersten Blick ergibt. Darüber hinaus vermag das bei Dignāga und Simhasūri erhaltene Material unsere Kenntnis des klassischen Sāņkhya-Systems noch ganz beträchtlich zu erweitern, vor allem, was die Erkenntnislehre angeht. Diese läßt sich nämlich aus unseren Quellen fast vollständig wiederherstellen, und damit tritt an die Stelle der knappen Andeutungen, auf welche sich Isvarakļšņa beschränkt, eine breite: Darstellung, und zwar die maßgebende Darstellung der klassischen Schule. Auf diese Weise ist uns aber die Möglichkeit gegeben, Leistung und Bedeutung des klassischen Sāmkhya auf diesem Gebiet in ihrem ganzen Umfang zu beurteilen. Und daher soll unser nächstes Ziel die Wiederherstellung dieser Erkenntnislehre sein. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir zunächst das bisher gewonnene Material soweit als möglich ergänzen, und zwar müssen wir vor allem sammeln, was sich aus den bisher noch nicht besprochenen Stücken der Polemik Dignāga's und Jinendrabuddhi's gèwinnen läßt. Ich beginne zu diesem Zwecke mit der Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung, welche von Dignāga im 1. Kapitel des Pramāṇasamuccayah behandelt wird. Auch hier stellt Dignāga eine kurze Wiedergabe der gegnerischen Lehre an die Spitze des Ab. schnittes, um dann seine Einwände dagegen vorzubringen (V f. 22 a 5—6 = 105 b 1–2). Die gegnerischen Sätze erscheinen dabei leicht um geformt. Den genauen Wortlaut hat Jinendrabuddhi erhalten). und zwar erscheinen sie bei ihm in folgender Gestalt (T f. 61 b 2–4): ci rjes su dpag pa gcig pu kho na tshad ma ‘am ze na / ma yin zes brjod par bya ste / rna ba la sogs pa‘i ‘jug pa yan no // mnon sum tshad ma zes pa lhag ma‘o // rna ba dan pags pa dan mig dan Ice 9) Daß Jinendrabuddhi den genauen Wortlaut wiedergibt, zeigen seine anschließenden Erörterungen, in denen er eben diesen genauen Wortlaut voraussetzt (vgl. z. B. T f. 69 a 1–2). 16 Page #16 -------------------------------------------------------------------------- ________________ dan sna rnams kyi yid kyis byin gyis brlabs pa'i “jug pa sgra dan reg bya dan gzugs dan ro dan dri rnams la rim pa ji lta bar ‘dzin pa la “jug bžin pa ni mnon sum gyi tshad ma‘o. Wieder hat Simhasūri das Sanskritoriginal erhalten, mit nur geringen Änderungen. Es lautet (S. 107, 24f.): śrotrādivsttiḥ pratyakşam. śrotratvakcakṣur jihvāghrāņānām manasādhisthitā vrttiḥ sabdasparsarasarūpagandheșu yathākramam grahaņe vartamānā pramāņam pratyakşam. Auch hier haben wir es mit einem Stück aus dem Şaşțitantram zu tun. Die Definition der sinnlichen Wahrnehmung śrotrādivrttih pratyakşam wird nämlich oft zitiert und dabei in mehreren Fällen ausdrücklich der Schule Vrşagaņa's zugeschrieben10). Eine weitere Bestätigung bringt ein Rückverweis Jinendrabuddhi's im Kommentar zum 3. Kapitel des Pramāṇasamuccayah, in dem Dignāga, wie wir gesehen haben, unzweifelhaft das Şaştitantram bekämpft (T f. 198 a 2—3). Außerdem gibt Jinendrabuddhi in diesem Rückverweis als Quelle des Zitats das bstan-bcos (śāstram) an, womit er in der Polemik gegen das Sāmkhya regelmäßig das Şaşțitantram meint. Aus den angeführten Sätzen ergibt sich für Vrşagaņa und seine Darstellung im Şaşțitantram zunächst rein äußerlich folgendes. Er hat die Definition der sinnlichen Wahrnehmung mit der Frage eingeleitet, ob die Schlußfolgerung das einzige Mittel richtiger Erkenntnis (pramāṇam) sei. Die Antwort lautete: Nein, auch die Tätigkeit des Gehörs usw. Er hat also bei der Besprechung der Mittel richtiger Erkenntnis die Schlußfolgerung an die Spitze gestellt. Das ist ungewöhnlich, denn in der Regel wird die sinnliche Wahrnehmung für das vorzüglichste Erkenntnismittel angesehen. Es entspricht aber der überragenden Stellung, welche das klassische Sāmkhya der Schlußfolgerung zuweist, da es ja sein ganzes System auf Schlußfolgerungen gründete. Und es hat wenigstens im Vaišeşika eine Entsprechung (Vaišeşikasūtram III, 1, 18). Ferner ist zu beachten: Die ausführliche Besprechung der ver. schiedenen Arten der Schlußfolgerung, welche wir aus dem 2. und 3. Kapitel des Pramāṇasamuccayaḥ gewonnen haben, ging, soviel 10) Vgl. Yuktidīpikā S. 39, 184.; Vācaspatimiśra’s Tātparyatīkā (Kashi Sanskrit Series 24) S. 155, 20, 17 Page #17 -------------------------------------------------------------------------- ________________ sich aus Dignāga und Simhasūri entnehmen läßt, unmittelbar in den Nachweis der 10 Grundlehren über, weil die dafür bestimmten Be. weisführungen unmittelbar im Anschluß daran zur Sprache kommen. Dann konnte aber die Definition der Wahrnehmung nicht hier eingefügt sein und wir müssen annehmen, daß Vrşagaņa zuerst die Mittel richtiger Erkenntnis im allgemeinen behandelte, wobei er die sinnliche Wahrnehmung an zweiter Stelle besprach. Dann griff er auf die Schlußfolgerung zurück, unterschied die verschiedenen Formen derselben und zeigte, welche davon zur Erschließung übersinnlicher Dinge geeignet ist. Schließlich ging er dazu über, auf dieser Grundlage die 10 Grundlehren zu beweisen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht die gleiche Reihenfolge der Darstellung in der Sāmkhyakārikā. Auch īśvarakrşņa bringt in den Versen 4—5 eine kurze Besprechung der Erkenntnismittel im allgemeinen. Dann greift er in Vers 6 auf die Schlußfolgerung zurück und gibt an. welche Form derselben zur Erkenntnis übersinnlicher Dinge dient, um anschließend daran zur Prinzipienlehre überzugehen. . Schließlich ist noch folgendes von Wichtigkeit. Dignāga’s Polemik gegen die Sāņkhya-Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung richtet sich ausschließlich gegen die in den angeführten Sätzen enthaltenen Lehren. Vor allem führt er aus, daß die Elementenlehre das Sānkhya keine Entsprechung zwischen den Sinnesorganen und den Eigenschaften der Elemente zuläßt (Vf. 22 a 5 -- 25 a 3 = 105 b 1 --- 108 a 4). Dann folgt eine ausführliche Auseinandersetzung, welche an die Worte grahane vartamānā anknüpft (V f. 25 a 3 — 26 a 4 = 108 a 4 — 109 a 2). Nichts deutet darauf hin, daß er weitere Aussagen Vrşagaņa’s über die sinnliche Wahrnehmung kanntell). Und ebenso wenig findet sich dergleichen bei Jinendrabuddhi. Das spricht dafür, daß die angeführten Sätze alles sind, was im Şaştitantram über die sinnliche Wahrnehmung gesagt war. Und das ist keineswegs unwahrscheinlich angesichts der geringen Bedeutung, welche die sinnliche Wahrnehmung für das System hatte. Auch konnte 11) Daß er zwischen der Polemik gegen Vrsagaņa unter ausdrücklicher Namennennung auf die Ansichten eines jüngeren Sāmkhya-Lehrers, Madhava, eingeht, ändert daran natürlich nichts. 18 Page #18 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Vrşagaņa, wenn nur wenige Sätze dazwischen standen, um so leichter, so wie wir es angenommen haben, auf die bereits behandelte Schlußfolgerung zurückgreifen und nunmehr ihre Einteilung besprechen. Wir kommen also, um es nochmals kurz zusammenzufassen, zunächst zu folgendem Ergebnis: Vrsagaña begann die Darstellung der Erkenntnislehre im Şaşțitantram mit einer kurzen Besprechung der verschiedenen Mittel richtiger Erkenntnis. Dabei gab er der Schlußfolgerung die erste, der Wahrnehmung die zweite Stelle. Diese besprach er in den wenigen kurzen Sätzen, welche bei Dignāga, Jinendrabuddhi und Simhasūri erhalten sind. Dann griff er auf die Schlußfolgerung zurück, unterschied ihre verschiedenen Formen und gab an, welche davon zur Erkenntnis übersinnlicher Dinge geeignet ist. Damit war die Darstellung der Erkenntnislehre abgeschlossen und er ging zu den 10 Grundlehren über, um sie den dargelegten Anschauungen entsprechend zu beweisen. Soweit ist alles einfach und klar. Nun beginnen aber schwierigere Probleme. Auf die angeführten Sätze des Şaşțitantram, welche Vrsagana's Lehre von der sinnlichen Wahrnehmung enthalten, folgen bei Jinendrabuddhi ausführliche Erläuterungen. Dann erst fährt er fort, den Text des Pramāṇasamuccayaḥ und die nun einsetzende Polemik Dignāga's zu erklären. Ähnlich steht es in anderen Fällen, in denen er Sätze des Şaşțitantram anführt. Die erwähnten Erläuterungen sind nun aber inhaltlich von größtem Interesse. Und somit stehen wir vor der wichtigen Frage, woher sie stammen, ob sie von Jinendrabuddhi herrühren, oder ob sie aus einem SāņkhyaWerk, vielleicht sogar aus dem Şașțitantram selbst genommen sind. Leider gibt Jinendrabuddhi selber auf diese Frage keine klare Antwort. Nach dem Brauche seiner Zeit nennt er nur selten seine Quellen, und wenn er welche nennt, sind seine Angaben meist so unbestimmt, daß sie nur wenig weiterhelfen. So ist es auch in den Abschnitten, welche sich mit dem Sāmkhya beschäftigen. Auch hier macht er nur vereinzelt Angaben über die Herkunft der angeführten Sätze und diese Angaben sind so allgemeiner Art, daß sie keine genaue Bestimmung der benützten Quellen ermöglichen. Verhält 19 2* Page #19 -------------------------------------------------------------------------- ________________ nismäßig oft spricht er von einem bstan-bcos (śāstram)12). Das bezieht sich allem Anschein nach auf das Şaştitantram selbst. Wenigstens ist bei einigen dieser Stellen die Herķunft der angeführten Sätze aus dem Şaşțitantram sicher13), bei den übrigen spricht zum mindesten nichts dagegen. Daneben nennt er einige Male ein bśad‘grel (bhāsyam) (Tf. 117 b 6; 119 b 6; 133 b 1). Darin könnte man versucht sein, einen Kommentar zum Şaşțitantram zu sehen. Aber das täuscht. In einem Fall stammt nämlich der angeführte Satz so gut wie sicher aus dem Şaşțitantram selbst (T f. 133 b1 = V f. 61 b 7 f. = V f. 114 b 4 f.; vgl. S. 90) und auch in den beiden anderen Fällen dürfte das der Fall sein, und zwar aus folgendem Grund. Schon aus dem zuerst von uns gewonnenen Stück des Şaşțitantram war zu ersehen, daß Vrşagaña öfter eine entscheidende Formulierung zunächst in wenigen knappen Worten gab und sie dann in einem weiteren Satz genauer erklärte, eine zu seiner Zeit sehr gebräuchliche Darstellungsform. In dem bei Simhasūri erhaltenen Abschnitt (oben S. 7 f.) ist das sowohl bei der Beschreibung der direkten wie auch der indirekten Beweisführung der Fall. Davon lautet die Beschreibung der indirekten Beweisführung: pariseșūd āvītasiddhih. yadā nedam ato ’nyathā sambhavati, asti cedam, tasmāt pariseşato hetur evāyam ity avadhārya kāryasiddhāv apadiśyate, tadāvītākhyo bhavati. Dieselben Sätze sind nun auch bei Jinendrabuddhi erhalten (T f. 200 b 6 - 201 a l; vgl. oben S. 90), doch trennt sie dieser und unterscheidet die Worte pariseşād āvītasiddhiḥ als Definition (mtshan-ñid) von der folgenden Erläuterung (bśad-pa). In beiden Fällen, in denen Jinendrabuddhi noch von bśad-grel spricht, handelt es sich aber ebenfalls um solche Erläuterungen, und zwar zur Definition der Schlußfolgerung, die ihnen ausdrücklich als mdo (sūtram; T f. 117 b6; 118 a 7) gegenübergestellt wird. Es dürften also auch hier Erläuterungen vorliegen, die dem Text das Şaştitantram selbst angehörten. Damit sind aber die Angaben Jinendrabuddhi's, welche einen Anhaltspunkt für die Bestimm c hmalspunkt Iur die bestimmung seiner Samkhya-Ouellen Qin S 12) Tf.69 a 2; 70 a 6; 72 a 2; 72 a 6; 73 b1; 120 a 7; 120 b 1; 124 a 3; 196 a 2; 196 b 7; 198 a 3; 202 b 7. 13) T f. 124 a 3 ; 196 b 7; 198 a 3 ; 202 b 7. Page #20 -------------------------------------------------------------------------- ________________ liefern könnten, bereits erschöpft. Sie ergeben fast nichts. Andere Werke als das Şastitantram lassen sich durch sie als Quellen Jinendrabuddhi's nicht erkennen. Und vor allem für die Beantwortung der Frage, woher die fraglichen erklärenden Abschnitte stammen, sind sie wertlos. Wenn wir also in dieser Hinsicht zu einem Ergebnis kommen wollen, müssen wir uns an diese Abschnitte selbst halten und müssen sehen, was sich aus ihrem Inhalt erschließen läßt. Zu diesem Zwecke gebe ich daher zunächst die Erklärungen zur Definition der sinnlichen Wahrnehmung wieder, und zwar in ihrem vollen Umfang, sowohl als Probe für die Art dieser Erklärungen überhaupt, als auch wegen der besonderen Wichtigkeit gerade dieses Abschnittes. Sie lauten (T f. 61 b 4 - 62 b 3): yid kyis zes pa yid kyi 'jug pa ste / ran bźin dan rnam 'gyur dag tha dad med par ñe bar btags pa las de skad du bśad do/ /byin gyis brlabs pa zes pa de dan lhan cig yul gcig la zugs pa zes pa'i don to // 'dir byin gyis brlabs pa'i don ni lhan cig pa'i don te/dper na rgyal po'i mis byin gyis brlabs sin zugs pa ni de dan Ihan cig go zes rtogs par bya ba bźin no/ /gźan rnams na re yid kyis byin gyis brlabs pa żes pa yid kyis yan dag par rig pa ste / ji skad du bśad pa / phyi rol gyi don rnams la dban po zen par byed na / dban po zen pa de la yid rjes su žen par byed do źes so // gźun 'di ni dban po'i 'jug pa kho na phyi rol gyi yul gyi rnam pa can ni yid kyi 'jug pas yan dag par rig par bya ba ste / dban po'i 'jug pa dan lhan cig pas phyi rol gyi don ni ma yin no źes rtogs par bya'o // de'i phyir gan rna ba la sogs pa rnams kyi 'jug pa yid kyi 'jug pas gzun bar bya ba de ni des byin gyis brlabs pa źes brjod de/ dban po rnams kyi jug pa ni / ran gi yul ñe bar gyur pa na / de'i rnam par yons su gyur bar ses par bya'o // de slar yan rnam pa gnis terkyen dan bcas pa dan rkyen med pa'o // rkyen ni skyes bu las byun ba'i rtogs par brjod par bya ste / sems pa can ñid kyi no bo yul ñams su myon ba'i ran bźin no // 'di yan bdag gi no bo yin gyi gzan 'ga žig gi ma yin te / sems pa med pa ñid kyi phir ro // skyes bu las byun ba'i rkyen de dan lhan cig 'dus pa gan yin pa de dan no bo gcig pa lta bur ston pa de ni rkyen dan bcas pa 21 Page #21 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ste / dper na bsregs paʻi gnas skabs na lcags kyi gon bu me dan 'dres pa las de'i ran bžin ma yin yan me'i ran bžin ñid lta bur 'byun ba de bźin du “jug pa ni ñams su myon ba'i no bo ma yin yan sems pa can dan ‘dres pa las sems pa can gyi no bo ltà bur 'byun no // gan yan ‘jug pa sgron ma'i 'od lta bu yul gsal bar byed pa 'ba' zig yin14) gyi sems pa can dan ‘dres pa las de'i no bo lta bur byun ba ni ma yin pa de rkyen med pa zes brjod do // de la rkyen med pa'i 'jug pa bzlog pa'i ched du ‘dzin pa la ‘jug bžin pa zes smras so / / sgra dan reg bya dan gzugs dan ro dan dri rnams la rim pa ji lta bar zes pa ‘dis ran gi yul la nes par “jug par brjod pa las yul nes pa ñid do / Io na rna ba la sogs paři ‘jug pa kho na sgra la sogs po rnams kyi ‘dzin par byed pa yin na / de la gan dzin pa la ‘jug par byed pa “jug pa gźan ci žig yin že na / kha cig smra ba'i dban poʻi yul bar ma chod pas 'jug pa kā śā yis mnon par bcom pa lta bu‘am / gyen du gton ba'i chu lta bu yul ran ñid la mi gnas pa’i jug pa brjod par bya zin / gnas pa ni yul gyi rnam pa yons su gyur pas yons su rdzogs pa'i dzin pa‘o zes pa ste / gan la bar chod pa med pa sna la sogs pa de la yan dban.poʻi yul dan ‘brel pa las bar ma chad par rnam par 'gyur ba skye bzin pa yul gyi rnam pa ñid kyis yons su ma rdzogs pa’i “jug par ses par bya'o // des yoňs su rdzogs pa ni nan gi dzin pa'o zes so / 15) / gžan rnams smra ba ni “jug pa rnams rtog pa med pa ñid du ñe bar bstan pa'i don du / sgra la sogs pa rnams kyi 'dzin pa la jug bãin pa zes ‘di tha dad par bśad de / 'di skad bśad par 'gyur te / ran gi no bo 'dzin pa tsam la “jug bžin pa ni mnon sum tshad ma ste / rnam pa gžan du ni ma yin no zes paʻo // gal te yan rnam par rtog pa la ‘di srid pa yod pa ma yin mod / de ita na yan rgyal dpog pa la sogs pa rnams kyis rnam par rtog pa can mnon sum du brtags pa de la ltos pas khyad par ‘dio // 'jug pa thams cad ni ‘dzin pa tsam la “jug ste / rnam par rtog pa can ma yin no zes pa'o // ‘dzin pa la ‘jug bžin pa zes pa de'i ran bžin no zes pa'i don to / 14) Von mir verbessert; der Blockdruck liest ma yin. 15) In diesem Absatz bleibt verschiedenes unklar. Page #22 -------------------------------------------------------------------------- ________________ | gžan rnams ni / rkyen med pa'i 'jug pa kho na tshad ma dan rkyen dan bcas pa ni 'bras bur 'dod do // 'dzin pa la ‘jug bzin pa zes pa yan ‘di ltar brjod par bya ste / 'dzin pa la ste / 'bras bu bya ba la ste / 'dzin pa'i rgyu mtshan ‘jug pa zes pa‘i don to. Diese Erklärungen erläutern Vrsagaña's Definition der sinnlichen Wahrnehmung, und zwar behandeln sie der Reihe nach die Ausdrücke: manasādhișthitā vrttih sabdasparśarūparasagandheșu yathākramam grahaņe vartamānā. Von besonderem Interesse ist dabei der erste Abschnitt, der sich mit den Worten manasādhisthitā, „vom Denken geleitet“, beschäftigt. Nach einer kurzen Bemerkung, daß „Denken“ (manah) hier „Tätigkeit des Denkens“ (manovsttih) bedeutet, werden zwei Ansichten vorgetragen. Nach der ersten bedeutet geleitet“ (byin gyis brlabs pa) soviel wie ,,begleitet“ (lhan cig pa), d. h. die Tätigkeit des Denkens richtet sich zugleich mit der Tätigkeit der Sinnesorgane auf ein und dasselbe äußere Objekt. Ganz anders die zweite Ansicht. Nach ihr richtet sich nur die Tätigkeit des betreffenden Sinnesorgans auf das äußere Objekt, und zwar, indem es dessèn Form annimmt. Die Tätigkeit des Denkens dagegen richtet sich auf die Tätigkeit des Sinnesorgans und macht diese bewußt (rig par byed pa). Als Beleg für diese Ansicht wird ein Satz angeführt, dem wir später noch begegnen werden und der dort dem bstan-bcos (śāstram), also dem Şastitantram zugeschrieben wird. Auch ohne daß wir auf die Bedeutung der hier ausgesprochenen Gedanken näher eingehen, können wir sagen, daß sie nicht aus dem Şastitantram selbst genommen sein können. Denn sie gehen weit über den Grundtext hinaus und tragen etwas in ihn hinein, was in · seinen Worten nicht liegt. Außerdem haben wir es dabei mit zwei Erklärungen verschiedener Herkunft zu tun. Denn es handelt sich bei ihnen nicht einfach um verschiedene Deutungsmöglichkeiten, wie sie gelegentlich ein und derselbe Kommentator vorträgt, sondern um voll durchgeführte Anschauungen, die einander schroff entgegenstehen und sich gegenseitig ausschließen. Ferner wird die zweite Erklärung in der Form einer Polemik gegen die erste vorgetragen. Sie scheint also eine jüngere Entwicklungsstufe der Sāmkhya-Psychologie zu vertreten. Schließlich beruft sie sich in ihrer Polemik auf 23 Page #23 -------------------------------------------------------------------------- ________________ das Şaştitantram selbst, betrachtet also dieses als anerkannt maß. gebenden Grundtext der Schule. Damit ist eigentlich die anfangs gestellte Frage nach der Herkunft dieser Erläuterungen bereits beantwortet, und zwar kommen wir zu dem Ergebnis, daß sie Jinendrabuddhi nicht aus dem Şastitantram selbst geschöpft hat. Sie sind aber inhaltlich so interessant und es eröffnen sich von ihnen aus Ausblicke nach den verschiedensten Richtungen, daß wir wenigstens etwas näher auf sie eingehen wollen. Zunächst können wir nach dem, was wir eben festgestellt haben, sagen, daß Jinendrabuddhi bei seinen Erläuterungen Erklärungen zum Şastitantram verwendete, und zwar handelt es sich offenkundig um Kommentare der Sāņkhya-Schule selbst. Dabei benützte er wenigstens zwei solche Kommentare, einen älteren und einen jüngeren. Für beide stellte das Şaşțitantram als maßgebender Text der Schule eine anerkannte Autorität dar und beide haben seine Lehren in beachtenswerter Weise weitergebildet. Daß dies richtig ist, läßt sich noch durch weitere Zeugnisse bestätigen. Denn die gleichen beiden Ansichten, welche in den angeführten Erklärungen ausgesprochen sind, kehren später nochmal wieder und werden dort ausführlicher und genauer vorgetragen. Wie wir nämlich bereits erwähnt haben16), beschäftigt sich Dignāga's Polemik gegen die Sāmkhya-Lehre von der Wahrnehmung vor allenı mit der Schwierigkeit, die sich daraus ergibt, daß jedes Sinnesorgan sein besonderes Objekt haben soll, während doch alle diese Objekte nur aus der einen Urmaterie und ihren drei Eigenschaften (guņāḥ) bestehen. Dann wendet er sich zu den Worten sabdādişu grahaņe tartamānā (V f. 25 a 3 - 26 a 4 = 108 a 4 — 109 a 2). In diesen findet er, der zweiten von den zwei eben angeführten Erklärungen det er, der zweiten von den zwei entsprechend, die Tätigkeit des Denkens ausgedrückt, welche die Tätigkeit der Sinnesorgane bewußt macht, und behauptet nun, daß dieselbe in die gegebene Definition nicht einbezogen und diese daher zu eng ist. Das führt er dann gegen verschiedene Rechtfertigungsversuche des Gegners weiter aus. Dieser ganze Abschnitt wird von Jinendrabuddhi eingehend erklärt. Aber während Dignāga die 18) Vgl. oben S. 99. 24 Page #24 -------------------------------------------------------------------------- ________________ verschiedenen gegnerischen Ansichten nur kurz andeutet und nicht klar auseinanderhält, gibt sie Jinendrabuddhi genau wieder. Und dabei zeigt es sich, daß es sich hier um die gleichen beiden Ansichten handelt, von denen vorhin die Rede war. Hier ist nun nicht der Platz dafür und es würde zu weit führen, den ganzen schwierigen Abschnitt wiederzugeben, und nicht nur die Gedankengänge Dignāga's zu erläutern, sondern auch die Erklärungen Jinendrabuddhi's, der vielfach über Dignāga hinausgeht und aus seinen Worten mehr herausliest, als sie enthalten. Ich will mich da. her darauf beschränken, aus Jinendrabuddhi, welcher das wichtigste Material bringt, das Wesentliche herauszugreifen und übersichtlich zusammenzustellen. Jinendrabuddhi geht bei seinen Erläuterungen von einem Satz des Şastitantram aus, der folgendermaßen lautet (T f. 68 b 5—6; vgl. f. 61 b 5—6; f. 69 a 3; f. 70 a 3–4; f. 70 a 7; V f. 26 a 1–2 = 108 b 7 -- 109 a 1): phyi rol gyi don rnams la dban pos žen par byed la / dban pos rtogs par byas ba de la ni yid kyis rjes su zen par byed cin / ji ltar ġan dban pos rtogs par byas pa la yid kyis rjes su zen par byed pa de bzin du / yid kyis zen pa dban pos yan dag par rig par byed do. Im zweiten Teil dieses Satzes findet er die Ansicht ausgesprochen, daß die Tätigkeit der Sinne und die Tätigkeit des Denkens sich gegenseitig wahrnehmen, und da diese Wahrnehmung nicht unter Vrsagaña's Definition der sinnlichen Wahrnehmung fällt, behauptet er, ebenso wie Dignāga, daß dieselbe zu eng ist. Dieser Auffassung wird von seiten des Sāņkhya zunächst folgende Lehre entgegengestellt17): Die Tätigkeit der Sinne und die Tätigkeit des Denkens nehmen sich nicht gegenseitig wahr, sondern richten sich beide auf das jeweilige äußere Objekt. Das läßt sich mit der Lehre des Şaşțitantram vereinbaren, da in dem angeführten Satz „wahrnehmen“ (rig-pa) soviel wie „erreichen“ (thob-pa) bedeutet. Der zweite Teil des angeführten Satzes besagt daher, daß ebenso, wie der betreffende äußere Gegenstand anschließend an die Erkenntnis durch die Sinne vom Denken bestimmt wird, dieser selbe durch das Denken bestimmte Gegenstand durch die Sinne erreicht wird. 12) Vgl. besonders T f. 69 a 1 ff. 25 Page #25 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Es ist damit also nur das Zusammenwirken von Sinnen und Denken zum Ausdruck gebracht. Und weil die dabei vorausgesetzte Tätig. keit des Denkens in Vrsagana's Definition der sinnlichen Wahrnehmung durch das Wort „auch“ (yan) angedeutet ist, ist diese nicht zu eng. Dieser Ansicht wird von anderen Vertretern des Sāņkhya folgendes entgegengehalten18): Es wäre zwecklos, wenn zwei Organe ihre Tätigkeit auf denselben Gegenstand richten. Dazu kommt im vor. liegenden Falle, daß das Denken, wenn es sich unmittelbar auf die äußeren Gegenstände richten würde, allein imstande wäre, alle Zwecke der Seele zu erfüllen. Die Sinnesorgane wären infolgedessen überflüssig. Auch gäbe es keine Blindheit, Taubheit usw. Schließlich wären Sinne und Denken nicht, wie es die herkömmliche Sāmkhya-Lehre verlangt, Tore (ilvārāni) und Torwächter (dvāri):19), sondern das Denken wäre ebenfalls Tor. Um diesen Einwänden zu begegnen, fügten die Vertreter der ersten Ansicht zu ihrer Lehre folgendes hinzu”'): Wenn sich das Denken auch unmittelbar auf die äußeren Gegenstände richtet, so ist es dabei doch von den Sinnesorganen nicht unabhängig, sondern wird von ihnen unterstützt. Wie nämlich eine Lampe dem Auge das Sehen ermöglicht, so ermöglichen die Sinne dem Denken das Erkennen. Daher sind die Sinne nicht überflüssig. Immerhin bleibt auch in diesem Falle die Schwierigkeit bestehen, daß unter diesen Voraussetzungen die Tätigkeit der Sinne nicht verständig (apratyayah), d. h. ungeistig (acetanah) ist, und daß sie daher nicht als Mittel richtiger Erkenntnis gelten kann, wie es doch die Definition Vrşagana's verlangt. Infolgedessen stellten die Gegner dieser ersten Ansicht ihrerseits eine andere Lehre auf, die folgendermaßen lautet21): Nur die Tätigkeit der Sinne richtet sich unmittelbar auf die äußeren Objekte, und zwar besteht ihre Tätigkeit darin, daß sie die Form der Objekte annehmen. Dann erfolgt im Anschluß 18) Vgl. T f. 69 biff. und 72 b 1 ff. 19) Vgl. Samkhyakārikā v. 35. 20) Vgl. T f. 72 b 5—7. 21) Vgl. vor allem T f. 70 b 3—5. 26 Page #26 -------------------------------------------------------------------------- ________________ daran die nachträgliche Bestimmung dieser Objekte durch das Denken. Auf diese Weise wird im Denken die Bestimmung der Objekte durch die Sinne mit ihrer Bestimmung durch das Denken verschmolzen. Nun spiegelt sich im Denken aber die Geistigkeit der Seele. Infolgedessen übernimmt die Tätigkeit der Sinne vom Denken die Geistigkeit oder Verständigkeit und wird ihrerseits verständig sapratyayah). Und dadurch wird sie in Übereinstimmung mit der Definition Vrsagana’s zum Erkenntnismittel sinnlicher Wahrnehmung. Mit dem anfangs angeführten Satz des Şaştitantram läßt sich diese Lehre vereinbaren22). Denn seine zweite Hälfte ist nach den Vertretern dieser Lehre so zu deuten, daß das Denken das durch die Sinne Erkannte bestimmt, d. h. die Tätigkeit der Sinnesorgane wahrnimmt, während die Sinne das Denken wahrnehmen lassen, d. h, einen dieser Wahrnehmung günstigen Einfluß darauf ausüben. Der Vorwurf schließlich, daß Vrsagaña's Definition der sinnlichen Wahrnehmung zu eng ist, trifft bei dieser Lehre nicht zu, weil nach ihr die Wahrnehmung der Tätigkeit der Sinne durch das Denken Erinnerung (dran-pa) ist, somit nicht in den Bereich der Definition zu fallen braucht. Denn nach einem anderen Ausspruch Vrsagana's kann die Erinnerung auch eine Art der wahrnehmenden Bestiminung (mnon sum gyi zen pa'i khyad par) sein. Fassen wir alles das zusammen, so können wir sagen: Jinendrabuddhi gibt in dem in Rede stehenden Abschnitt die Ansichten zweier Vertreter des Sāņkhya wieder, welche denselben Text Vrşagaņa's verschieden deuten. Davon bekämpft der Vertreter der zweiten Ansicht die erste. Auch ist seine Lehre wesentlich weiter . entwickelt, also offenbar jünger. Charakteristisch für die erste Ansicht ist vor allem, daß nach ihr Sinne und Denken beide die äußeren Objekte wahrnehmen. Nach der zweiten Ansicht dagegen richten nur die Sinne ihre Tätigkeit auf die äußeren Objekte, indem sie ihre Form annehmen, während das Denken die Tätigkeit der Sinne wahrnimmt. Alles das steht in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was wir bei der Besprechung der zwei Erklärungen festgestellt haben, 2) Vgl. Tf. 70 a 2-6. . 27 Page #27 -------------------------------------------------------------------------- ________________ welche Jinendrabuddhi zu den Worten manasādhisthitā in Vrşagana's Definition der sinnlichen Wahrnehmung gibt. Wir sind also zu der Annahme berechtigt, daß er hier wie dort aus der gleichen Quelle schöpft. Ferner beruft sich bei der Erklärung der Definition der sinnlichen Wahrnehmung der Vertreter der zweiten Ansicht auf den gleichen Satz Vrsagaņa's, der den Ausgangspunkt der zuletzt besprochenen Erörterung bildet, und setzt dabei die Deutung voraus, die hier als zweite Ansicht vorgetragen wird (vgl. S. 104). Damit ist die Beziehung zwischen beiden hergestellt. Umgekehrt bringt Jinendrabuddhi in dem zuletzt besprochenen Abschnitt bei der Wiedergabe der ersten Ansicht einen Rückverweis auf die erste Erklärung der Definition der sinnlichen Wahrnehmung (T f. 69 a 5f.). Wir dürfen es daher als gesichert betrachten, daß an beiden Stellen jeweils die erste und die zweite Ansicht aus der gleichen Quelle stammt und auf denselben Sāņkhya-Lehrer zurückgeht. Es bestätigt sich also, daß Jinendrabuddhi bei seiner Erklärung der Polemik Dignāga's gegen das Sāmkhya nicht nur Vrşagana's Şastitantram, sondern auch Kommentare dazu herangezogen hat, und zwar zwei, einen älteren und einen jüngeren. Den Anlaß dazu gab, daß schon Dignāga die Erklärungen dieser Kommentare bei seiner Polemik berücksichtigt hatte23). Und da Jinendrabuddhi nicht nur an den besprochenen Stellen, sondern auch sonst bei der Erklärung von Sätzen des Şaşțitantram zwei verschiedene Auffassungen wiedergibt24), scheint er diese beiden Kommentare laufend benützt zu haben. Aber nicht nur das läßt sich aus dem besprochenen Material erkennen. Von hier aus führen Fäden nach den verschiedensten Richtungen hin. Zunächst lassen sich daraus über das Şaştitantram selbst weitere Aufschlüsse gewinnen. Wir haben nämlich gesehen, daß Dignāga 23) Das zeigt sich z. B. darin, daß er im zweiten Abschnitt seiner Polemik ebenso die Auffassung berücksichtigt, nach der die Wahrnehmung der Tätigkeit der Sinne durch das Denken Erinnerung ist (V f. 25 a 6 ff. = 108 a 6 ff.), wie die Ansicht, daß sich das Denken auf die äußeren Objekte richtet (V f. 25 b 3 ff. = 108 b 2 ff.). 24) T f. 193 a 3—5; 201 a 2–4. 28 Page #28 -------------------------------------------------------------------------- ________________ und Jinendrabuddhi im Laufe der zuletzt besprochenen Auseinandersetzung verschiedene Fragmente aus dem Şastitantram anführen. Ein solches bildete bei Jinendrabuddhi den Ausgangspunkt der ganzen Erörterung (vgl. S. 106). Ein zweites war der Satz, der lehrt, daß die Erinnerung auch eine Art der wahrnehmenden Bestimmung sein kann (vgl. S. 108). Und dazu kommen noch einige andere. Diese Fragmente beschäftigen sich mit psychologischen Problemen, fügen sich aber nicht in den Rahmen der Erkenntnislehre. Und damit ergibt sich die Frage nach ihrer Herkunft. Zur Beantwortung derselben ist nun vor allem folgendes Fragment wichtig (T f. 73 b 1–2): bstan bcos su rna ba la sogs pa rnams kyi ran gi yul la rnam par “jug pa dan / da ltar ba'i dus la 'jug pa ñid du bsgrubs nas ‘di skad bśad do // de bžin du yid ni don thams cad la dus gsum pa ñid du rab tu “jug ste / phyi rol gyi don rnams la da ltar ba`i dus su gan gi tshe dban po 'ga' zig dan Idan par yid gyur pa de'i tshe dban po dan ni rkyen dan Idan paʻi “jug par 'gyur ro // 'ba' zig pa ni ‘das pa dan m ‘ons pa‘i < dus dag la jug go >25) zes pa la sogs pa sñar br jod la / phyis dri ba ‘di byas pa'o. Die Frage (dri-ba), auf die hier Bezug genommen wird, hat Jinendrabuddhi bereits früher angeführt. Sie lautet (T f. 72 a 6): ci phyi rol gyi don rnams la dban po dan yid dag gis lhan cig zen nam że na / ma yin zes brjod par bya'o // ci'i phyir ze na / don gcig byed pa'i dban po dag rtog pa na nur pa ñid ma yin no zes paʻo. Das Šāstram (bstan-bcos), d. h. das Şaştitantram, hatte also gelehrt, daß die äußeren Sinne, das Gehör usw., sich auf das ihnen entsprechende besondere Objekt richten und daß sich ihre Tätig· keit nur auf die Gegenwart erstreckt. Anschließend daran hieß es: „In entsprechender Weise richtet sich das Denken auf alle Gegenstände und auf alle drei Zeiten. Wenn sich das Denken äußeren Gegenständen gegenüber und in der Gegenwart mit irgendeinem Sinnesorgan vereinigt, dann betätigt sich dieses Sinnesorgan verständig (sapratyayah). Allein dagegen richtet sich (das Denken) auf Vergangenheit und Zukunft.“ Dann wurde gefragt und geantwortet: „Bestimmen Sinne und Denken die äußeren Gegenstände 95) Vgl. T f.70 b 6. . 29 Page #29 -------------------------------------------------------------------------- ________________ zugleich? Dazu ist zu sagen: Nein. Warum? Wenn man annimmt, daß zwei Sinne denselben Zweck erfüllen, dann sind sie unwirksam.“ Im Şastitantram war somit das Verhältnis der äußeren Sinne und des inneren Sinnes zu ihren Objekten und zu den verschiedenen Zeiten besprochen und schließlich die Frage aufgeworfen worden, ob sie zugleich wirken oder nicht. Die gleichen Gegenstände werden nun aber auch in der Sāmkhyakārikā knapp hintereinander behandelt, und zwar in den Versen 33–34 und 30. Ferner werden von Jinendrabuddhi im gleichen Abschnitt auch andere Fragmente zitiert, welche demselben Zusammenhang angehören, z. B. folgender Satz (T f. 72 b 3f.): yid la gcig tu ‘gyur ba'i dban poʻi zen pa rnams skyes bus sems par byed de / dban poʻi zen pa rnams kyis yid kyi zen pa rnams ni ma yin no zes pao // de'i phyir yid kho na sgo can dan sgo ni dban po rnams so. Auch dieser Satz hat seine Entsprechung in der Kārikā, nämlich in Vers 35. Das führt zu der Erkenntnis, daß das Şaşțitantrain nicht ausschließlich die 60 Lehrbegriffe behandelte, sondern, wie übrigens nach den Worten īśvarakrsna's am Ende der Kārikā zu erwarten war, auch den übrigen in der Kārikā enthaltenen Stoff. Dabei scheint die Anordnung ähnlich gewesen zu sein wie in dieser. Allerdings zeigen schon die wenigen Fragmente, daß īśvarakršņa auch hier nicht nur kürzte, sondern auch umstellte und änderte. Wir können also aus dem besprochenen Abschnitt bei Jinendrabuddhi über die Erkenntnislehre hinaus weitere Aufschlüsse über Inhalt und Aufbau des Şastitantram gewinnen. Außerdem fällt aber auch auf die übrige Sāņkhya-Literatur der klassischen Zeit neues Licht. Wir lernen eine Kommentatorenliteratur kennen, welche im Anschluß an das Şaştitantram die in ihm angeschnittenen Probleme weiter verfolgte und die Lehren Vrsagaņa’s ergänzte und vertiefte. und wir können sogar die Ansichten bestimmter Lehrer unterscheiden. Hier sind nun noch reiche Ergebnisse zu erwarten, denn das Material bei Jinendrabuddhi ist mit dem Vorgebrachten keineswegs ausgeschöpft. Außerdem läßt es sich noch durch die Heranziehung anderer Quellen ergänzen. Allerdings ergibt sich neben den neuen 30 Page #30 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Erkenntnissen auch eine Fülle neuer Fragen. Aber das ist schließlich nicht anders zu erwarten, wenn eine einst reiche Überlieferung zum erstenmal in dürftigen Resten kenntlich wird. Und dazu kommen auch noch Mängel des erhaltenen Materials. Vor allem giht Jinendrabuddhi die Erläuterungen der von ihm benützten Kommentare nicht wie die Stücke aus dem Şastitantram im Wortlaut wieder. Das zeigen deutlich gelegentliche wörtliche Zitate*6). Dadurch wird aber die Grundlage der Forschung unsicher, denn wir wissen unter diesen Umständen nicht, wie weit wir im einzelnen auf seine Angaben bauen können. Ferner ist seine Wiedergabe öfter lückenhaft. Das beweist z. B. fol. gender Fall. In der oben wiedergegebenen Erklärung von Vrşagana's Definition der sinnlichen Wahrnehmung wird anschließend an die Erläuterung der Worte manasādhisthitā der Begriff der „Verständigkeit“ (pratyayah) behandelt (vgl. S. 102 f.). Die Verständigkeit, so heißt es, welche ihrem Wesen nach Geistigkeit und Wahrnehmung der Objekte ist, kommt ausschließlich der Seele zu. Im übrigen kann nur etwas, das mit dieser Verständigkeit der Seele verschmilzt, verständig erscheinen. Das gilt auch für die Tätigkeit der Sinnesorgane, die nur so die Objekte wahrzunehmen vermögen. Würden sie die Objekte bloß wie eine Lampe zeigen, so wäre sie nicht verständig. Und diese Auffassung sollen daher die Worte grahane vartamānā in der Definition Vrsagana's ausschließen. Hier ist also einseitig eine bestimmte Auffassung wiedergegeben, und wir können nach dem Bisherigen sagen, daß sie den Anschauungen des zweiten der von uns festgestellten Kommentare entspricht. Daß es aber auch andere · Auffassungen gegeben hat, zeigt z. B. ein Blick in die Yuktidīpikā (S. 122, 3-33). Außerdem entspricht die hier abgelehnte Ansicht, daß die Sinne die Objekte wie eine Lampe zeigen, den Anschauungen des ersten Kommentars (vgl. S. 107), ohne daß dessen Meinung gesondert angeführt würde. Jinendrabuddhi's Bericht ist also im vorliegenden Fall einseitig und lückenhaft. Schließlich müssen wir auch damit rechnen, daß er neben den erwähnten beiden Kommentaren noch andere Quellen verwendete. ) Vgl. z. B. T f. 69 b 3f. 31 Page #31 -------------------------------------------------------------------------- ________________ So bringt er anschließend an den eben besprochenen Abschnitt, in dem er den Begriff der Verständigkeit behandelt, zur Erklärung der Worte grahane vartamānā zwei verschiedene Ansichten vor, die vermutlich wieder aus den beiden von ihm benützten Kommentaren stammen. Dann fügt er aber noch eine dritte ganz andersartige Erklärung hinzu, die übrigens später noch einmal in, ähnlicher Weise wiederkehrt27). Es läßt sich also kaum die Annahme umgehen, daß er mit mehr Quellen arbeitete, als mit den beiden von uns erschlossenen Kommentaren, Quellen, über deren Beschaffenheit sich vorläufig nichts Genaueres sagen läßt. Und dadurch wird die Forschung mit einem weiteren Unsicherheitsfaktor belastet. Es zeigt sich also eine Fülle von Aufgaben und Problemen, die noch umfassende und eingehende Arbeit erfordern und die der Zukunft überlassen bleiben müssen. Nur eine Frage soll hier noch kurz angeschnitten werden. Es scheint nämlich, daß sich der Verfasser des zweiten der von Jinendrabuddhi benützten Kommentare zum Şastitantram bestimmen läßt. Der wichtigste Unterschied zwischen den Anschauungen dieser beiden Kommentare, soweit wir sie oben besprochen haben, ist fol. gender (vgl. S. 104 und 106 ff.). Nach der Ansicht des ersten Kom. mentators richten sich die Tätigkeit der Sinne und des Denkens beide in gleicher Weise auf die äußeren Objekte und beide sind sinnliche Wahrnehmung. Nach der Ansicht des zweiten dagegen ist nur die Tätigkeit der Sinne auf die äußeren Objekte gerichtet und sie allein ist als sinnliche Wahrnehmung zu betrachten. Die Tätigkeit des Denkens dagegen schließt sich an die Tätigkeit der d ist ihrem Wesen nach Erinnerung. Diese Ansicht trennt also die Tätigkeit des Denkens als etwas Andersartiges von der Tätigkeit der Sinne und scheidet sie aus der sinnlichen Wahrnehmung aus. Das gleiche geschieht mit anderen Worten in der zweiten von den beiden Erläuterungen zu den Worten grahane vartamānā, die Jinendrabuddhi anführt und von denen wir die zweite wohl wieder auf den zweiten Kommentator zurückführen dürfen (vgl. S. 103). Hier heißt es nämlich, daß diese Worte den 27) T f.73 a 2 f. Page #32 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Zweck haben, die Vorstellung von der sinnlichen Wahrnehmung auszuschließen. Mit der Vorstellung kann natürlich nur die Tätigkeit des Denkens gemeint sein. Damit ist aber ein wertvoller Anhaltspunkt für die Bestimmung des Vertreters dieser Ansicht gegeben. Es ist nämlich mehrfach eine Definition der sinnlichen Wahrnehmung überliefert, welche Vindhyavāsī zugeschrieben wird und folgendermaßen lautet: śrotrādivíttir avikalpikā pratyakşam28). Vindhyavāsī hat also zur Definition der sinnlichen Wahrnehmung durch Vrsagaña das Wort avikalpikā gefügt, um die Vorstellung auszuschließen29). Er hat also genau dieselbe Ansicht vertreten wie der Verfasser des zweiten Kommentars, und wir dürfen daher in diesem mit zienlicher Wahrscheinlichkeit Vindhyavāsī sehen. Im allgemeinen ist Vindhyavāsī als Verfasser der Kanakasaptatiḥ bekannt, einer kurzen Darstellung der Sāmkhya-Lehre in 70 Versen30). Das schließt natürlich nicht aus, daß er auch andere Werke verfaßte, und manches spricht ausdrücklich dafür31). Verschiedene Fragmente Vindhyavāsī's sind in Prosa, können also nicht aus dem Verstext der Kanakasaptatih stammen, und eines davon ist sogar eine Erklärung zu einem Fragment eines älteren Textes32). Vācaspatimiśra schreibt zwar dieses ältere Fragment in seiner Tattvavaisāradi Pancasikha zu33), aber diese Zuteilung ist auf jeden Fall 28) Vgl. Jayanta, Nyāyamañjarī (Vizianagram S.S.) S. 100, 1; Abhayadeva, Tattvabodhavidhāyini S. 533, ,; Hemacandra, Pramānamimämsä (Singhi Jaina Series No.9) S. 24, 19; Gunaratna, Tarkarahasyadīpikā S. 108, Jayarāśi, Tattvopaplavasimhah S. 61, 12 2) Damit hat Vindhyavāsī die bekannte Definition Dignāga's zum Teil bereits vorweggenommen. 30) Vgl. Paramārtha, P’o seou p'an teou fa che tchouan, T 2049, p. 189 b 24 ff. und K'ouei ki, Tch'eng wei che louen chou ki, T 1830, p. 379 b 11 ff. 31) Bei dieser Gelegenheit möchte ich folgendes erwähnen. Im 1. Band meiner Geschichte der indischen Philosophie (S. 482, A. 212) habe ich gesagt, daß meiner Ansicht nach die Darstellung des Sāmkhya in Vyāsa's Yogabhāşyam auf den An. schauungen Vindhyavāsi's fußt. Nunmehr wird in dem neu veröffentlichten Nyāyaviniscayavivaranam des Vädirājasūri (S. 231,, usw.) das Yogabhāsyam ausdrücklich als Vindhyavāsino Bhāşyam bezeichnet. Damit ist die Beziehung dieses Werkes zu Vindhyavāsi durch Überlieferung bezeugt. 32) Bhojadeva, Rājamārtandaḥ (Anandāśrama S.S. No. 47) S.57, 2 33) Vācaspatimiśra, Tattvavaiśāradi (Anandāśrama S.S. No. 47) S. 89, 14 33 Page #33 -------------------------------------------------------------------------- ________________ irrig, und tatsächlich ist in einem anderen Fall ein von Vacaspatimiśra dem Pañcaśikha zugeschriebenes Fragment durch die weitaus verläßlichere Yuktidīpikā für Vrṣagana bezeugt34). Es wäre also mög. lich, daß das fragliche Fragment Vindhyavās?'s aus einem Kommentar zum Şastitantram stammt. Damit wollen wir nun aber diesen etwas lang gewordenen Exkurs beenden und zu unserem eigentlichen Gegenstand zurückkehren, nämlich zur Rekonstruktion der Erkenntnislehre des Sastitantram. Hier ist es nun unsere nächste Aufgabe, Vrsagana's Lehre von der Schlußfolgerung zu ergänzen. Wie wir nämlich bereits gezeigt haben (S. 98 ff.), war Vrsagana's Darstellung so aufgebaut, daß er zunächst die Mittel richtiger Erkenntnis aufzählte und besprach, und zwar zuerst die Schlußfolgerung, dann die Wahrnehmung, und daß er dann die verschiedenen Arten der Schlußfolgerung unterschied und anschließend daran zum Nachweis der 10 Grundlehren überging. Diesen letzten Teil haben wir bereits am Anfang unserer Untersuchung aus Dignaga, Jinendrabuddhi und Simhasuri wiedergewonnen. Es bleibt daher nur noch die Frage, wie Vrṣagana die Schlußfolgerung am Anfang unter den Mitteln richtiger Erkenntnis behandelte, und ob sich auch diese Darstellung aus unseren Quellen gewinnen läßt. Um nun diese Frage zu beantworten, wenden wir uns am besten der Polemik Dignaga's im 2. Kapitel des Pramāṇasamuccayah zu, dem Kapitel über die Schlußfolgerung für sich selbst. Von diesem haben wir nämlich erst den zweiten Teil besprochen (S. 86 ff.), der erste bleibt noch zu untersuchen. Und tatsächlich finden wir hier, was wir brauchen. Dignaga beginnt hier seine Polemik mit folgenden Worten, die ich der starken Schwankungen des Textes wegen in beiden Versionen wiedergebe: (V f. 39 a 6-b1) grans can pa rnams ni re zig 'brel pa mnon sum pa gcig las lhag par grub pa ni rjes su dpag pa o zes zer ro // de la 'brel pa ni rnam pa bdun te/ de rnams nas gan yan run ba'i mnon sum pa gcig gis lhag pa'i don mnon sum pa ma yin pa nes par grub pa'i gtan tshigs de ni rjes su dpag pa'o // rtags kyi ses 34) Vācaspatimiśra, Tattvavaiśāradī S. 129, 34 19 f.; vgl. Yuktidīpikā S. 72, 5 ff. Page #34 -------------------------------------------------------------------------- ________________ pa cun zad ma nes par gyur te don ji lta ba ni ma yin no źes pa de khyad par du bya ba'i phyir phyis kyi rtsom pa 'jug ste / mhon sum gyi spyi tsam las nes par ma bzun ba'i don gyi bye brag bstan pa las bye brag gi rtogs pa bskyed pa thams cad do źes so. pa (V f. 121 a 3 5) grans can pa rnams ni 'brel pa gcig las mhon sum las lhag pa grub pa ni rjes su dpag pa'o źes zer ro // de Itar *brel pa ni rnam pa bdun te/ de dag la ji ltar brel pa gcig las lhag pa ni mhon sum ma yin pa'i ‘brel pa can grub pa'i rgyu gan yin pa de rjes su dpag pa'o // rtags kha cig ni ma nes pa dan don ji lta ba bźin ma yin par yan gyur bas / khyad par du bya ba'i don du spyi mǹon sum du yin pa dan nes par ma gzun ba'i don khyad par mthon ba las khyad par can rtogs par byed do źes bya ba phyi ma thams cad brtsams pa yin no. - Dieser Text enthält, was wir suchen, eine Definition der Schlußfolgerung ähnlich der zuletzt besprochenen Definition der sinnlichen Wahrnehmung. Wir dürfen dieselbe daher bei unserem Versuch, die Erkenntnislehre des Şaşțitantram herzustellen, zuversichtlich in die Darstellung der Mittel richtiger Erkenntnis einfügen, und zwar an erster Stelle, wo die Definition der Schlußfolgerung ihren Platz hat. Allerdings müssen wir uns zuerst vergewissern, ob der Text, wie ihn Dignaga bietet, dafür ohne weiteres verwendbar ist. Wir konnten nämlich im Laufe unserer Untersuchung bereits beobachten3), daß Dignaga bei solchen Zitaten auch kürzt, einzelne Sätze herausgreift und diese gegebenenfalls dem Zusammenhang entsprechend umformt. Und wir werden daher gut tun, auch im vorliegenden Falle zunächst noch zu vergleichen, was Jinendrabuddhi zu den angeführten Sätzen sagt. Tatsächlich bringt er auch wichtige Ergänzungen. Allerdings ist seine Darstellung diesmal ganz anders als im Falle der sinnlichen Wahrnehmung und stellt uns vor neue Probleme. Jinendrabuddhi beginnt mit den Worten (T f. 117 b 5-6): grans can pa rnams kyi yań źes pa la sogs pa ste/rjes su dpag pa rgya cher rig par bya'o źes gnas pa la / de'i ran gi no bo yons su ses par 3* Vgl. z. B. S. 88 ff. 35 Page #35 -------------------------------------------------------------------------- ________________ bya ba'i ched du pha rol pos rjes su dpag pa zes bya ba ‘di ci żes brjod pa la smras p« / 'brel pa gcig las zes pa la sogs pa'o. Hier sind deutlich Stücke eines Grundtextes in fortlaufende Er. läuterungen eingeflochten. Lösen wir sie aus, so erhalten wir: rjes su dpag pa rgya cher rig par bya'o // rjes su dpag pa zes bya ba 'di ci / 'brel pa gcig las usw. Das ist ein genaues Gegenstück zu den Worten, welche nach dem Zeugnis Jinendrabuddhi's bei Vrsagaña die Definition der sinnlichen Wahrnehmung einleiteten. Wir dürfen daher auch hier die entsprechenden Worte dem Şaştitantram zuschreiben. Sie begründen mit der Bedeutung der Schlußfolgerung ihre Behandlung an erster Stelle, bestätigen also die von uns erschlossene Reihenfolge der Mittel richtiger Erkenntnis bei Vrsagana.. Die Definition der Schlußfolgerung selbst steht bei Dignāga. Jinendrabuddhi begnügt sich daher, darauf zu verweisen. Sie ist auch in verschiedenen Werken als Zitat im Sanskritoriginal erhalten36) und lautet: sambandhäd37) ekasmāt pratyaksāc chesasiddhir anumānam. Nun fährt Jinendrabuddhi fort (T f. 117 b 6-7): 'brel pa rnam pa bdun no zes pa / don rnams kyi 'brel pa ni rnam pa bdun ñid de / ñor dan bdag poʻi dños pos dan zes pa la sogs pa bśad "grel du bśad pa'i phyir ro // 'brel pa rnams kyi don rnams kyi zes nes par bstan pa las mdo ru las sgrub par 'brel pa'i sgrar ses par bya'o. Hier sind wieder Textstücke in die Erklärungen eingefügt, und zwar bringt Jinendrabuddhi hier den Anfang eines längeren Satzes, um die Worte 'brel pa rnam pa bdun no bei Dignāga zu rechtfertigen, die offenbar nicht dem Wortlaut des Şaşțitantram entsprachen. Dieser Satz stammt seiner Angabe nach aus einem ‘grelbśad (bhāsyam), das an die Worte der Definition, die hier als mdo (sūtram) bezeichnet wird, anschloß. Demzufolge könnte man als Quelle an einen Kommentar denken. Ich habe aber schon vorhin gezeigt (S. 100 f.), daß das täuscht. Es handelt sich vielmehr um einen erläuternden Satz des Şaşțitantram selbst, welcher den knappen 8) Nyayavärttikam (Kashi S. S. No. 33) S. 57, 14; Yuktidīpikā S. 4, vi Nyāyāgamānusāriņi S. 240, 11. $) Alte Variante sambaddhāt. 36 Page #36 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Worten der Definition als 'grel-bśad gegenübergestellt ist. Nach allem, was wir bisher kennengelernt haben, war nämlich das Şastitantram kein Sūtra-Text. Es war vielmehr teilweise sogar sehr breit gehalten. Ferner ist im Text des Şaştitantram neben der Definition der Schlußfolgerung nicht nur eine Erwähnung der sieben Arten der Verbindung zu erwarten, auf die sich der Schluß gründet, wie bei Dignāga, sondern auch eine Aufzählung, wie sie Jinendrabuddhi sofort unter Weiterführung des begonnenen Satzes bringt. Sie ist nämlich sinngemäß unentbehrlich, fügt sich gut in den Zusammenhang und wird überdies von Dignāga in der folgenden Polemik vorausgesetzt, die auf einzelne Verbindungen genauer eingeht. Dazu kommt schließlich folgendes. Simhasūri zitiert in seiner Nyāyāgamānusārini die Definition Vrşagaņa's und fährt dann fort (S. 240, 12 f.): sambadJhānām bhāvānām svasvāmibhāvena vetyādinā saptavidhena. Das sind, wenn auch verstümmelt, die Anfangsworte des gleichen Satzes, den Jinendrabuddhi anführt. Simhasūri zitiert aber sonst, soweit ich sehe, nie aus den Kommentaren zum Şastitàntram, die Jinendrabuddhi benützt, sondern nur aus dem Şaștitantram selbst. Daher sind aller Wahrscheinlichkeit nach auch diese Worte aus dem Sasțitantram selbst genommen. Nun bringt Jinendrabuddhi in Fortführung des begonnenen Satzes eine Aufzählung der sieben Arten der Verbindung, die folgendermaßen lautet (T f. 117 b 7 – 118 a 5): nor dan bdag poʻi dnos pos dan / zes pa / rgyal po dan bran bžin dan / gtso bo dan skyes bu bzin te / dper brjod pa gñis ni ‘jig rten dan bstan bcos la rab tu grags paʻi dban gis so // de bžin du phyi ma la yan ses par bya'o // nor dan bdag poʻi dros po ni phan tshun ltos pa ste / nor bdag poʻi nor yod pa dan / der run ba ñid de / de bzin du nor can (gyi) yan nor gyi nor yod pa'o // ran bžin dan rnam 'gyur gyi dños pos ni / zo dan 'o ma bžin dan / gtso bo dan chen po la sogs pa bžin no // rạn bžin ni rnam par dbyer med par rgyu ste / rnam 'gyur ni deʻi yons su gyur ba can gyi chos so // 'bras bu dan rgyu‘i dños pos ni / phan tshun phan 'dogs pa'i mtshan ñid kyis te / śin rta dan yan lag bãin dan / sñin stobs la sogs pa bžin te / sgra la sogs pa'i dnos pos yons su 'gyur ba na‘o // rgyu mtshan dan rgyu mtshan 37 Page #37 -------------------------------------------------------------------------- ________________ can gyi dnos pos ni / gan yan run bas phan dogs pa'i mtshan ñid kyis te/rdza mkhan dan bum pa bźin dan/skyes bu dan gtso bo'i 'jug pa bźin no // tsam po dan tsam po can gyi dños pos yan nao // yan lag dan yan lag can gyi dños poʻi mtshan ñid kyis ni yal ga la sogs pa dan sin bźin dan / sgra la sogs pa dan 'byun ba chen po bźin no // lhan cig spyod pa'i dnos pos ni / nur ba lta bu dan / sñin stobs la sogs pa bźin no // gnod bya gnod-byed pyi dios pos ni sbrul dan sbre mo bźin dan / yan lag dan yan lag can du gyur pa'i sñin stobs la sogs pa bźin no // sñin stobs la sogs pa rnams kyi ni gan gi yan lag can ñid des cig sos zil gyis gnon pa'i phyir ro. Wieder finden wir hier die gleiche Mischung von Textstücken und Erklärungen, wie in den bereits behandelten Abschnitten, nur sind die Textstücke nicht deutlich als Zitate gekennzeichnet. Trotzdem ist ihre Auslösung mit großer Wahrscheinlichkeit möglich. Zunächst wiederholt Jinendrabuddhi die letzten Worte des im vorigen Absatz angeführten Satzanfanges. Sie nennen die erste der sieben Verbindungen, und zwar erfolgt diese Nennung im Instrumental. Daher dürfen wir im folgenden die entsprechenden Nennungen der übrigen Verbindungen, die in der gleichen Form erfolgen, als Fortsetzung des gleichen Satzes betrachten. Das dürfte aber nicht allein den Satz gebildet haben. Neben der Aufzählung der sieben Verbindungen bringt Jinendrabuddhi nämlich auch Beispiele für die einzelnen Verbindungen, und zwar für jede Verbindung zwei. Hinzugefügt sind meist einige erläuternde Worte. Vor allem zu den ersten beiden wird bemerkt, daß eines von ihnen aus dem täglichen Leben genommen ist, das zweite aus der Lehre des Systems, und daß das gleiche für alle folgenden Beispiele gilt. Das ist die typische Art. wie Worte eines Grundtextes kommentiert werden. Und ich möchte daher auch die Beispiele unbedenklich dem Text des Sastitantram zuschreiben. - Nunmehr geht Jinendrabuddhi dazu über, den nächsten Satz Dignaga's zu erklären (T f. 118 a 5 b.1). Dieser schließt lückenlos an die Aufzählung der sieben Verbindungen an und wiederholt in etwas schärferer Form die übrigen Worte der Definition. Das ist verständlich und berechtigt. Denn nachdem die breite Aufzählung 38 Page #38 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der Verbindungen die Erklärung des Wortes sambandhaḥ gebracht hatte, war eine Wiederholung der übrigen zu erklärenden Worte wünschenswert. Von den Erläuterungen Jinendrabuddhi's zu diesem Satz ist wichtig, daß er anschließend an die Worte des na ji ltar srid pa bžin 'brel pa gcig las bemerkt: ji skad bśad pa don ‘ga“ žig dban po 'ga' zig gi mnon sum du 'gyur ba de las / da ltar dban poʻi mnon sum pa'i don las snar tshogs pa la ‘brel pa byas pa las blos ni khyad par du ma byas pa'i don yod pa ñid du rtogs par byed de / dper na snar du ba dan me dag gi 'brel pa mthon nas du ba mthon ba las me yan yod pa ñid du rtogs so zes so. Jinendrabuddhi bringt also hier ein weiteres Zitat. Dieses wird bei einer späteren Erwähnung (T f. 119 b 6) ausdrücklich dem "grel. bśad zugeschrieben. Und da es, wenn auch nur stückweise, auch von Simhasūri angeführt wird (S. 240, 12 f.), scheint seine Herkunft aus dem Şastitantram gesichert. Tatsächlich erläutert es den Rest der Definition, wie nämlich aus dem einen Sichtbaren das andere Unsichtbare erkannt wird. Damit schließt es aber unmittelbar an den von Dignāga zitierten Satz an, der mit seiner Wiederholung der restlichen Worte der Definition eine solche Erläuterung geradezu forderte. Nun folgt bei Jinendrabuddhi die Erklärung des letzten von Dignāga angeführten Satzes (T f. 118 b 1-6). Dieser behandelt, nachdem vorher vor allem die Verbindung von Grund und Folge als Grundlage der Schlußfolgerung klargestellt worden war, ein zweites wichtiges Problem, wie nämlich Irrtümer bei einer Schlußfolgerung möglich sind, und wie sie sich vermeiden lassen. Die Erklärı · Jinendrabuddhi's zu diesem Satz enthalten nichst Bemerkenswertes, nur am Schlusse sagt er (T f. 118 b 4 5): de yan ‘di lta ste / snan ba zan cin gzan par ba lan dan rta ‘os pa'i sa phyogs su ba lan gi tshad kyi gzugs dum pa mthon nas / the tshom dan Idan pa'i blo ni khyad par mthon ba las bye brag tu rtogs par byed de / ba lan ño // rtaʻo zes par yan no. Das geht über die sonstigen inhaltsarmen Worterklärungen in diesem Absatz hinaus und ist überdies durch Erläuterungen, die Jinendrabuddhi hinzufügt, als Zitat gekennzeichnet. Offenbar liegt also hier wieder ein Satz aus dem 39 Page #39 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Şaşṭitantram vor. Und da derselbe erklärt, wie ein Zweifel entsteht und wie er behoben wird, schließt er sinngemäß an den von Dignaga angeführten Satz an und wir dürfen ihn mit diesem verbinden. Damit sind Jinendrabuddhi's Erklärungen zu den von Dignaga angeführten Sätzen zu Ende. Es hat sich also gezeigt, daß Dignaga bei seiner Wiedergabe der Lehre Vrsagana's von der Schlußfolgerung gekürzt und einzelne Sätze herausgegriffen hat. Diese Sätze lassen sich jedoch aus Jinendrabuddhi ergänzen, so daß ein lückenloser Zusammenhang entsteht. Die so wiedergewonnene Lehre Vrṣagana's dürfte vollständig sein. Wenigstens deuten weder in der Polemik Dignaga's noch in Jinendrabuddhi's Erläuterungen dazu irgendwelche Anzeichen darauf hin, daß etwas fehlt. Auch kann die Behandlung der Schlußfolgerung im allgemeinen im Rahmen der Mittel richtiger Erkenntnis nicht sehr breit gewesen sein, da, wie wir gesehen haben38), Vrsagana ja kurz nachher wieder auf sie zurückkam und nunmehr ausführlich ihre Einteilung besprach. Im übrigen ist bei diesem Abschnitt nur noch bemerkenswert, daß Jinendrabuddhi hier in seinen Erläuterungen keine SamkhyaKommentare heranzieht. Doch zeigen einzelne Zitate späterhin39), daß er sie auch hier zur Hand hatte. Damit ist aber auch erschöpft, was sich aus der Polemik Dignaga's und Jinendrabuddhi's Erläuterungen dazu für Vrsagana's Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis gewinnen läßt. Es hat sich ein fortlaufender Zusammenhang ergeben und ich glaube, daß damit dieser Abschnitt des Saṣṭitantram fast vollständig wiederhergestellt ist. Nur eine Lücke bleibt noch. Nach den Angaben Isvarakṛṣṇa's kannte das klassische Samkhya-System neben Wahrnehmung und Schlußfolgerung noch ein drittes Mittel richtiger Erkenntnis, die Mitteilung. Und wir müssen uns daher die Frage vorlegen, ob auch Vrsagana die Mitteilung als Erkenntnismittel kannte. Ich glaube nun, daß diese Frage zu bejahen ist. Dignāga und Jinendrabuddhi hatten in den von uns herangezogenen Abschnitten keinen Anlaß, über die Mitteilung zu sprechen. Immerhin liegen auch bei 35) Oben S. 98 f. 3) T f. 119 a 3-5; 119 b 2-3. 40 Page #40 -------------------------------------------------------------------------- ________________ ihnen Andeutungen vor, daß das von ihnen bekämpfte Sāmkhya Vrsagaña's, die Mitteilung kannte. In dem Abschnitt über die sinnliche Wahrnehmung, dort wo Dignāga dem Gegner vorwirft, daß die Tätigkeit des Denkens, welche die Tätigkeit der Sinne bewußt macht, aus dem Rahmen seiner Definition fällt40), erwägt er so wie Jinendrabuddhi die Möglichkeit, daß sie als Schlußfolgerung oder Mitteilung (lun) zu betrachten ist, und lehnt dieselbe ab. Und da Dignāga selbst die Mitteilung als Mittel richtiger Erkenntnis nicht anerkennt, kann er bei dieser Erwägung nur die Lehre des Gegners im Auge gehabt haben. Dazu kommt ferner folgendes. Am Anfang der Yuktidīpikā (S. 4, 9 f.) kommt die Rede auf die Mittel richtiger Erkenntnis. Dabei werden Vrşagana's Definitionen der Wahrnehmung und der Schlußfolgerung wiedergegeben. Dann folgen zwei Sätze, welche sich auf die Mitteilung beziehen und folgendermaßen lauten: yo yatrābhiyuktaḥ karmaṇi cādustaḥ, sa tatrāptah. tasyopadeśa āptavacanam. Diese Sätze stammen offenkundig aus der gleichen Quelle wie die vorhergehenden Definitionen, nämlich aus dem Şastitantram, und beweisen somit, daß Vrşagaña auch die Mitteilung als Erkenntnismittel anerkannte. Allerdings halte ich es ohne weiteres für möglich, daß sie bei ihm verhältnismäßig noch kürzer abgetan wurde als in der Kārikā. Denn gerade er hatte die Schlußfolgerung als Grundlage des Systems in den Vordergrund gestellt. Und die. Anerkennung der Mitteilung, welche die Anerkennung der Offenbarung mit einschloß, war doch nur ein äußerliches Zugeständnis an die brahmanische Orthodoxie. Damit ist unser Versuch, Vrşagana's Erkenntnislehre wiederzugewinnen, abgeschlossen und ich gehe nunmehr dazu über, die Ergebnisse zusammenzufassen. Zu diesem Zwecke gebe ich zuerst den Text des Şaştitantram wieder, soweit er sich aus den gewonnenen Fragmenten herstellen läßt. Und zwar gebe ich ihn, soweit der ursprüngliche Wortlaut erhalten ist, in Sanskrit, das Übrige tibetisch41). 40) Vgl. oben S. 109. Dazu V f. 25 a 45 (f. 108 a 5—6) = Tf.68 b 7 - 69 a 1. 6) Ich verfahre auch hier eklektisch und folge der jeweils besseren Version. Geändert habe ich nur einige Kleinigkeiten in der sprachlichen Form. Verweise gebe ich nur, soweit sie nicht schon im Vorhergehenden gebracht wurden. Yd.= Yuktidipikā, Ny. = Nyāyāgamānusāriņi. 41 Page #41 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Darauf lasse ich eine Übersetzung folgen. Schließlich will ich versuchen, daraus abzuleiten, was sich aus ihm für die Leistung Vrşagaņa’s und für seine Stellung in der Geschichte der Sāmkhya-Schule und der indischen Philosophie überhaupt ergibt. Text rjes su dpag pa rgya cher rig par bya'o // rjes su dpag pa zes bya ba ‘di ci / sambandhād ekasmāt pratyaksāc chesasiddhir anumānam. ‘brel pa rnams kyi don rnams kyi 'brel pa ni rnam pa bdun ñid de / nor dan bdag poʻi dnos pos dan / rgyal po dan bran bžin dan | gtso bo dan skyes bu bzin te / ran bžin dan rnam 'gyur gyi dños pos ni / zo dan 'o ma bžin dan / gtso bo dan chen po la sogs pa bzin no // 'bras bu dan rgyu‘i dños pos ni / sin rta dan yan lag bzin dan / sñin stobs la sogs pa bżin te / rgyu mtshan dan rgyu mtshan can gyi dños pos ni / rdza mkhan dan bum pa bžin dan / skyes bu dan gtso boʻi jug pa bžin no // tsam po dan tsam po can gyi dnos pos dan / yal ga la sogs pa dan sin bžin dan / sgra la sogs pa dan 'byun ba chen po bžin no // lhan cig spyod pa'i dños. pos ni / nur ba lta bu dan / sñin stobs la sogs pa bžin no // gnod bya gnod byed kyi dnos pos ni / sbrul dan sbre mo bãin dan / yan lag dan yan lag can du gyur pa'i sñin stobs la sogs pa bžin no // de dag la ji ltar < srid pa bžin > brel pa gcig las lhag pa ni mnon sum ma yin pa'i 'brel pa can grub pa'i rgyu gan yin pa de rjes su dpag paʻo // don 'ga“ zig dban po 'ga' zig gi mnon sum du 'gyur ba / de las da ltar dban poʻi mnon sum pa'i don las snar tshogs pa la ‘brel pa byas pa las blos ni khyad par du ma byas pa'i don yod pa ñid du rtogs par byed de / dper na sñar du ba dan me dag gi 'brel pa mthon nas du ba mthon ba las me yan yod pa ñid du rtogs so / 4f. sambaddhānām bhāvānām < sambandhaḥ saptavidha eva > svasvāmibhāvena ..... Ny. 240, 12. 19f. kaścid arthaḥ kasyacid indriyasya pratyakṣo bhavati, tasmād idānīm indriyapratyakşāt ..... avisistasya ..... agner astitvam pratipadyate Ny. 240, 12 : 42 Page #42 -------------------------------------------------------------------------- ________________ | rtags kyi ses pa cun zad ma nes par 'gyur te / don ji lta ba ni ma yin no zes pa de khyad par du bya ba'i phyir spyi mnon sum du yin pa dan nes par ma gzun ba'i don khyad par mthon ba las khyad par can rtogs par byed do zes bya ba phyi ma thams cad brtsams pa yin no // de yan 'di lta ste / snan ba zan cin gžan par ba lan dan rta "os pa'i sa phyogs su ba lan gi tshad kyi gzugs dum pa mthon nas / the tshom dan Idan pa'i blo ni khyad par mthon ba las bye brag tu rtogs par byed de / ba lan no // rtaʻo zes par yan no / | ci rjes su dpag pa gcig pu kho na tshad ma'am że na / ma yin żes brjod par bya ste / śrotrādivrttiś ca, mnon sum tshad ma zes pa lhag ma‘o // śrotratvakcakṣur jihvāghraņānām manasādhișthitā vrttiḥ śabdasparśarūparasagandheșu yathākramam grahaņe vartamānā pramāṇam pratyakşam. yo yatrābhiyuktaḥ karmaņi cādustaḥ, sa tatrāptaḥ. tasyopadeśa āptavacanam. rjes su dpag pa ni rnam pa gñis te / bye brag mthon ba dan spyi mthon ba'o // de la khyad par mthon ba ni / gan gi tshe me dan du ba ‘brel pa mthon nas du ba de kho nas me de kho na'i yan dan yan du me de kho na 'di‘o zes yod pa ñid du rtogs par byed pa'o // spyir mthon ba ni gan ‘ga zig tu du ba dan me 'brel par mthon nas dus phyis du ba tsam mthon ba las me spyir rjes su dpog pa'o / / spyir mthon baʻi rjes su dpag pa ‘di yan rnam pa gñis te / sna ma dan ldan pa dan lhag ma dan ldan pa'o // de la sña ma dan Idan pa ni gan gi tshe rgyu ma tshan ba med pa mthon nas bras bu ‘byun bar ‘gyur ba ñid rtogs pa ste / dper na sprin byun ba mthon nas char ba 'byun bar 'gyur ba ñid lta buo // lhag ma dan Idan pa ni gan gi tshe 'bras bu grub pa mthoń nas rgyu byun zin pa ñid rtogs pa ste / dper na chu kluń gsar du chu ‘phel ba mthon ba nas sprin byun bæ ñid lta buo // de la sña ma dan Idan pači 43 Page #43 -------------------------------------------------------------------------- ________________ rjes su dpag pa ni 'khrul pa'o // lhag ma dan Idan pa rnam par dyad pa dan bcas pg ni 'khrul pa med pao // teṣām yad etat sāmānyato dṛṣṭam anumānam seṣavat, eṣa hetur atīndriyāṇām bhāvānām samadhigame. tasya prayogopacaraviseṣād dvaividhyam, vīta āvīta iti. svarūpad vītasiddhiḥ. yada hetuḥ parapakṣam avyapekṣya svenaiva rūpeņa karyasiddhav apadiśyate, tadā vītākhyo bhavati. pariseṣād āvītasiddhiḥ. yadā nedam ato 'nyatha sambhavati, asti cedam, tasmāt pariseṣato hetur evayam ity avadhārya kāryasiddhāv apadiśyate, tadāvītākhyo bhavati. vītasya vākyabhavaḥ pañcapradeśaḥ, pratijñā hetur dṛṣṭānta upasamhāro nigamanam iti. tatra sādhyāvadhāraṇam pratijñā, sādhanasamāsavacanam hetuḥ, tannidarśanam dṛṣṭāntaḥ, sādhyadṛṣṭāntayor ekakriyopasamhāraḥ, pratijñābhyāso nigamanam iti purastād vitasya prayogam nyāyyam manyante, paścād āvītasya. ..... asti pradhanam, bhedānām anvayadarśanāt. ādhyātmikānām bhedānām kāryakaraṇātmakānām ekajātisamanvayo dṛṣṭaḥ. <ādhyātmikānām kāryātmakānām vakṣyāmaḥ.> ādhyātmikāḥ kāryātmakā bhedaḥ sabdasparśarasarūpagandhāḥ pañca trayāṇām sukhaduḥkhamohānām sanniveśamātram. kasmāt? pañcānām pañcānām ekakaryabhāvāt. sukhānām sabdasparśarasarūpagandhānām prasādalāghavaprasavabhiṣvangoddharṣapritayaḥ kāryam, duḥkhānām šoṣatāpabhedopaṣṭambhodvegāpadveṣāḥ, mūḍhānām varaṇasadanāpadhvamsanabaibhatsyadainyagauravāņi usw. ..... evam ebhiḥ pañcabhir vitaiḥ pradhanasya parigraham kṛtvā punar āvītaiḥ kariṣyāmaḥ, parapakṣapratiṣedhena svapakṣaparigrahakriyāvītaḥ, so sor 'gegs pa'i thabs ni gñis te / dpe dan 'gal ba dan khas blans pa dan 'gal ba'o //..... 4f. vgl. Yd. 47, 7. 5 ff. vgl. Yd. 47, 13f. 7 ff. vgl. Yd. 47, 14 ff. 11 pratijñā Yd. 48, 5; 49, 5. 11f. hetuḥ Yd. 48, 5; 49, 8. 12 dṛṣṭāntah Yd. 48, 9 f.; 49, 12 f. upasamhāraḥ Yd. 48, 12 f. Yd. 48, 17. 13 f. vgl. Yd. 51, 14. 16 ff. Ny. 314, 7. 194 a 2-4 und 196 b 6-7; Yd. 49, 11. 17 f. 26 Ny. 321, 5f. 44 13 nigamanam und 12, 17.; Tf. T f. 204 a 3 f. Page #44 -------------------------------------------------------------------------- ________________ yudi vyaktusyāsata utpattiḥ, yonyabhāvād ekatvaprasangah. pradhānābhāvāt sāmānyamātram idam vyaktam nirvisesam ity etat prasajyeta. kasmāt? sūmānyapūrvakatvād višeşāņām. sāmānyapür. vakä hi loke viseșāh ... drstāḥ, tadyathā kṣīrapūrvakā dadhimastudrapsanavanītaghrtäristakilätakūrcikābhāvāḥ. na tv asati bhāvaḥ kaścid asti, yatpūrvakā vyaktiviseșāḥ syuh, tasmāt sāmānyamátram idam vyaktam nirviseșam ily etat . na tv idam tādrk. tasmān nedam vyaktam asata utpadyate. pāriseșyāt pradhānād evedam vyaktam utpadyate usw.... 1ff. Ny. 321, 128 ; T f. 202 b 7 — 203 a 2; f. 203 b 4 f. und 204 b 4. Übersetzung (Vorausgeschickt war offenbar eine Aufzählung der Mittel richtiger Erkennt. nis. Dann hieß es:) Vor allem soll man die Schlußfolgerung kennen. Was ist das, was ihr Schlußfolgerung nennt? Die Schlußfolgerung ist der Nachweis des Restlichen durch das Sichtbare auf Grund einer bestimmten Verbindung. Die Verbindung verbundener Dinge ist siebenfach, durch das Verhältnis von Herr und Eigentum (svasvāmibhāvah) wie bei König und Diener oder Seele und Urmaterie, durch das Verhältnis von Grundstoff und Umwandlung (prakrtivikārabhāvah) wie bei Milch und saurer Milch oder Urmaterie und Großem usw. (mahadādi), durch das Verhältnis von Ursache und Wirkung (kāryakāraṇabhāvah) wie bei einem Wagen und seinen Bestandteilen oder der Güte usw. (sattvādi), durch das Verhältnis von Anlaß und Veranlaßtem (nimittanaimittikabhāvah) wie bei Töpfer und Topf oder Seele und Tätig. keit der Urmaterie, durch das Verhältnis von Stoff und Gebilde (mātrāmātrikabhāvah) wie bei Zweig usw. und Baum oder Ton usw. und großen Elementen, durch das Verhältnis des gemeinsamen Vorkommens (sahacāribhāvah) wie bei Cakravāka-Enten oder bei der Güte usw., und durch das Verhältnis von Hemmendem und Ge 45 Page #45 -------------------------------------------------------------------------- ________________ hemmtem (vadhyaghātakabhāvah) wie bei Schlange und Ichneumon oder bei der Güte usw., sofern sie Hauptsache und Nebensache sind (angangibhūtaḥ). Was nun die Ursache ist, daß man auf Grund einer von diesen Verbindungen, wie es sich gerade trifft (yathāsambhavam), durch das Sichtbare das unsichtbare Restliche, das damit verbunden ist, nachweist, das ist (das Mittel richtiger Erkenntnis) Schlußfolgerung. Irgendein Gegenstand wird nämlich irgendeinem Sinnesorgan sichtbar. Durch diesen gegenwärtig dem Sinnesorgan sichtbaren Gegenstand, der früher in einer Vereinigung (samudayaḥ) verbunden war, wird von der Erkenntnis (buddhih) ein in seiner Besonderheit nicht bestimmter (avisistaḥ) Gegenstand als vorhanden erkannt. So erkennt man, wenn man früher die Verbindung von Rauch und Feuer gesehen hat, durch das Sehen des Rauches das Feuer als vorhanden. Manchmal ist die Erkenntnis des Merkmals nicht bestimmt oder entspricht nicht dem Gegenstand. Daher ist alle spätere Bemühung darauf gerichtet, es in seiner Besonderheit zu bestimmen. Ein Gegenstand, welcher dem Gemeinsamen nach sichtbar aber nicht bestimmt erfaßt ist, wird nämlich durch das Sehen einer Besonderheit in seiner Besonderheit erkannt. Damit verhält es sich folgendermaßen: Wenn man bei schwachem Licht an einem für Kühe oder Pferde geeigneten Ort eine Gestalt von der Größe einer Kuh teilweise gesehen hat, dann erkennt sie die (zunächst) zweifelhafte Erkenntnis durch das Sehen einer Besonderheit in ihrer Besonderheit (indem man denkt:) ,,Das ist eine Kuh; das ist ein Pferd". Ist die Schlußfolgerung allein Mittel richtiger Erkenntnis? (Dazu) sagen wir: Nein, auch die Tätigkeit des Gehörs usw., ist ein Mittel richtiger Erkenntnis, (nämlich) sinnliche Wahrnehmung; das ist zu ergänzen. Die vom Denken geleitete Tätigkeit des Gehörs, der Haut, des Auges, der Zunge und des Geruchs, welche sich der Reihe nach beim Erfassen des Tones, der Berührung, der Form, des Geschmacks und des Geruchs betätigt, ist das Erkenntnismittel sinnliche Wahrnehmung. 46 Page #46 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Wer einem Objekt gegenüber erfahren und frei von Fehlern ist, der ist in bezug darauf glaubwürdig. Seine Mitteilungen sind die Rede eines Vertrauenswürdigen.... Die Schlußfolgerung ist von zweierlei Art, Sehen dem Besonderen nach (višeşato drstam) und Sehen dem Gemeinsamen nach (sämānyato drstam). Davon liegt Sehen dem Besonderen nach vor, wenn man Feuer und Rauch verbunden gesehen hat und nun immer wieder durch denselben Rauch dasselbe Feuer als vorhanden erkennt, (indem man denkt:) „Das ist eben dieses Feuer“. Sehen dem Gemeinsamen nach liegt vor, wenn jemand einmal Rauch und Feuer verbunden gesehen hat und nun in späterer Zeit durch das Sehen des bloßen Rauches Feuer im allgemeinen erschließt. Auch diese (Art der) Schlußfolgerung, das Sehen dem Gemeinsamen nach, ist zweifach, (Schlußfolgerung) mit Früherem (pūrvavat) und mit Restlichem (seşavat). Davon liegt (Schlußfolgerung) mit Früherem vor, wenn man Ursachen vollzählig gesehen hat und daraus das bevorstehende Eintreten der Wirkung erkennt, wie das bevorstehende Eintreten von Regen, wenn man das Aufsteigen der Wolken gesehen hat. (Schlußfolgerung) mit Restlichem liegt vor, wenn man das Eintreten einer Wirkung sieht und daraus erkennt, daß die Ursache vorhanden war, z. B. (wenn man erkennt), daß Wolken vorhanden waren, weil man sieht, daß das Wasser eines Flusses neuerdings anschwillt. Davon ist die Schlußfolgerung mit Früherem fehlerhaft (vyabhicāri). Die Schlußfolgerung mit Restlichem, wenn sie wohl überlegt ist, ist nicht fehlerhaft. Davon ist das Sehen dem Gemeinsamen nach in der Form der Schlußfolgerung mit Restlichem die Ursache für das Erkennen übersinnlicher Dinge. Sie ist nach der verschiedenen Art der Formulierung zweifach, direkt (vītah) und indirekt (āvītah). Der direkte Nachweis erfolgt in der eigenen Gestalt. Wenn die Begründung zum Nachweis der Folge ohne Rücksicht auf die geg. nerische These in ihrer eigenen Gestalt vorgebracht wird, dann heißt sie direkt. Der indirekte Nachweis erfolgt auf Grund der einzigen verbleibenden Möglichkeit. 47 Page #47 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Wenn die Begründung zum Nachweis der Folge vorgebracht wird, indem man erklärt: „Das ist nicht anders als dadurch möglich. Es ist aber der Fall. Daher ist auf Grund der einzigen verbleibenden Möglichkeit das der Grund“, so heißt sie indirekt. Die sprachliche Form des direkten Nachweises ist fünfgliedrig: Behauptung, Begründung, Beispiel, Zusammenfassung und Folge. rung. Davon ist die Behauptung die Feststellung des zu Beweisen n. Die Begründung ist das zusammenfassende Vorbringen des Beweisenden. Das Beispiel ist der Beleg dafür. Die Zusammenfassung ist die Vereinigung von Beispiel und zu Beweisendem. Die Folgerung ist die Wiederholung der Behauptung. Es gilt als Regel, daß zuerst der direkte Nachweis zu formulieren ist, dann der indirekte. (Von den nun folgenden fünf direkten Begründungen des Vorhandenseins der Urmaterie gebe ich als Probe den Anfang der ersten.) Die Ur materie ist vorhanden, weil man bei den Einzeldingen eine Übereinstimmung be o bachtet. Bei den inneren Einzeldingen, mögen sie Wirkung oder Ursache sein, läßt sich das übereinstimmende Vorkommen einer einzigen Gattung beobachten. Zunächst wollen wir von den inneren (Einzeldingen) sprechen, sofern sie Wirkung sind. Die inneren Einzeldinge, sofern sie Wirkung sind, Ton, Berührung, Geschmack. Form und Geruch, sind alle fünf nur eine Vereinigung der drei (Eigenschaften) Lust, Leid und Verblendung. Wieso? Weil je fünf eine einzige Wirkung haben. Sofern Ton, Berührung, Geschmack, Form und Geruch lustvoll sind, haben sie Klarheit, Leichtigkeit, Anregung, Zuneigung, Freude und Befriedigung zur Wirkung. Sofern sie leidvoll sind, Trockenheit, Hitze, Trennen, Stützen, Erregung und Haß. Sofern sie verblendet sind, Hemmen, Erschlaffen, Zerfallen, Abscheu, Niedergeschlagenheit und Schwere.... Nachdem auf diese Weise der Nachweis der Urmaterie durch fünf direkte Begründungen erbracht ist, wollen wir ihn durch indirekte erbringen. Die indirekte (Begründung) besteht im Nachweis der eigenen 48 Page #48 -------------------------------------------------------------------------- ________________ These durch Widerlegung der gegnerischen Thesen. Die Mittel der Widerlegung sind zwei, Widerspruch mit einem Beispiel und Widerspruch mit der eigenen Annahme.... (Wieder gebe ich als Probe ein Stück aus der ersten indirekten Begründung.) Wenn das Entfaltete aus einem Nichtsein entsteht, dann folgt daraus seine Einheit, weil ein Ursprung fehlt. Weil eine Urmaterie fehlt, würde daraus folgen, daß das Entfaltete bloße Gemeinsamkeit ohne Besonderheiten ist. Wieso? Weil den Besonderheiten eine Gemeinsamkeit vorausgeht. Es läßt sich nämlich im gewöhnlichen Leben beobachten, daß den Besonderheiten, sofern ihnen dieselbe Gattung innewohnt, eine Gemeinsamkeit vorausgeht. So geht z. B. der sauren Milch, Rahm, Butter usw. die süße Milch voraus. Im Nichtsein gibt es aber kein Wesen, das den verschiedenen Einzeldingen vorausgehen könnte. Daraus folgt aber, daß das Entfaltete bloße Gemeinsamkeit sein müßte ohne Besonderheiten. Das ist aber nicht der Fall. Daher entsteht das Entfaltete nicht aus einem Nichtsein. Infolgedessen entsteht das Entfaltete als einzige bleibende Möglich. keit aus der Urmaterie. (Nun folgten die übrigen indirekten Begründungen und anschließend daran die Behandlung der restlichen Grundlehren.) Nachdem wir so die Erkenntnislehre Vrsagana's wiedergewonnen haben, bleibt uns als letztes noch die Aufgabe, sie in die allgemeine Entwicklung einzuordnen und ihre Bedeutung zu beurteilen. Den Anfang muß dabei die Einordnung bilden, da sie die Grundlage für die Beurteilung abgibt. Und zwar steht an erster Stelle die Frage nach der Zeit Vrsagana's und des Șastitantram. Zur Beantwortung dieser Frage bietet uns zunächst die Überlieferung über Vindhyavāsī einen Anhaltspunkt, wie wir sie in Paramartha's Lebensbeschreibung des buddhistischen Kirchenlehrers Vasubandhu finden+2). Danach war Vindhyavāsī ein Schüler Vṛṣa 42) P'o seou p'an teou fa che tchouan, T 2049, p. 189 b 42 ff. Vgl. J. Takakusu, La Samkhyakarika, étudiée à la lumière de sa version chinoise, BEFEO IV (1904). S. 40 f. 4 49 Page #49 -------------------------------------------------------------------------- ________________ gana’s, der dessen Lehre änderte und weiterbildete. Die legendenhafte Erzählung von seiner persönlichen Schülerschaft beim NāgaKönig Vrşagaņa ist zwar ohne jede Gewähr. Aber daß er das System Vrsagaña's weiterbildete, wird durch alles, bestätigt, was wir von seinen Anschauungen wissen43). Seine oben angeführte Definition der sinnlichen Wahrnehmung ist ein sprechendes Beispiel dafür44). Daraus folgt aber, daß Vrşagaņa älter war als Vindhyavāsī. Und da dieser als älterer Zeitgenosse Vasubandhu's in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts lebte, können wir Vrsagana nicht nach 400 n. Chr. ansetzen. Wenn sich ferner unsere Annahme bestätigt, das Vindhyavāsī der Verfasser des zweiten von Jinendrabuddhi benützten Kommentars zum Şaşțitantram war, dann scheint es eher ratsam, ihn weiter hinaufzurücken. Denn dieser Kommentar setzt nicht nur eine ältere Kommentatorentätigkeit voraus, sondern vertritt auch eine wesentlich fortgeschrittenere Form der Lehre. Schließlich ist folgendes zu berücksichtigen. Der berühmte buddhistische Philosoph Nāgārjuna bekämpft in seiner Vigrahavyāvartanī und vor allem in seinem Vaidalyasūtram eingehend die Erkenntnislehre des Nyāya, doch deutet, soviel ich sehe, weder bei ihm noch bei seinem Schüler Āryadeva etwas auf eine Kenntnis der Lehre Vrsagaña’s. Dagegen scheint der Kommentator zu Āryadeva's Sataśāstram und Akşaraśatakam, der Bodhisattva Vasu, eine solche Kenntnis besessen zu haben45). Und wenn dieser mit dem älteren Vasubandhu, dem Bruder Asanga's identisch ist, rückt damit Vrşagana an den Anfang des 4. Jahrhunderts. An dieser Berechnung ist manches unsicher. Immerhin möchte ich unter Berücksichtigung aller Umstände als Arbeitshypothese annehmen, daß die Abfassung des Şastitantram und damit die Lebenszeit Vrsagaña's um 300 n. Chr. fällt. 43) Vgl. meine Geschichte der indischen Philosophie, 1. Bd., S. 401 ff. ") Oben S. 114. 45) Vgl. W. Liebenthal, Satkārya in der Darstellung seiner buddhistischen Gegner (Beiträge zur indischen Sprachwissenschaft und Religionsgeschichte, 9. Heft), Stuttgart-Berlin 1934, S. 25. Dabei gilt das, was Liebenthal für die Zeitbestimmung der Sāmkhyakārikā anführt, für due Şastitantram, da die Kārikā in den betreffenden Punkten nur das Şastitantram wiedergibt. 50 Page #50 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Nun als zweites folgende Frage: Welcher Entwicklungslinie gehört die Erkenntnislehre Vrşagaņa's an? Die Logik des Nyāya und des Buddhismus ist unzweifelhaft aus der Dialektik hervorgegangen und wir können deutlich ihre Entwicklung verfolgen 46). Den Ausgangspunkt bildete eine Zusammenstellung dialektischer Kategorien, in deren Mittelpunkt der Beweis (avayavāh) stand. Dieser gründete sich zuerst auf einen bloßen Analogieschluß und über diese Stufe vermochte man lange nicht hinauszukommen. Man beschäftigte sich inzwischen damit, im Anschluß an die praktische Erfahrung falsche Einwände der Gegner (jātayah) zusammenzustellen, und zeigte, wie sie zu wiederlegen sind. Und man behandelte eingehend die Frage, unter welchen Umständen einer der beiden Disputanten als unterlegen zu erklären ist (nigrahasthānāni). Aber schließlich gelang es buddhistischen Logikern, dem Verfasser des Tarkaśāstram, Vasubandhu und Dignāga, das formale Verhältnis von Grund und Folge klarzustellen und so die Grundlage für eine exakte Beweisführung zu schaffen. Demgegenüber wurde die Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis nicht nachdrücklich gepflegt und blieb lange ohne wesentliche Veränderungen auf dem gleichen Stand. Erst Dignāga brachte hier einen durchgreifenden Wandel. Ganz anders das Bild, das uns das Şaşțitantram zeigt. Hier treffen wir zwar auch auf die Lehre vom Beweis, sie tritt aber ganz zurück. Das rein. Dialektische, das der Nyāya so breit behandelt, fehlt vollkommen. Die Entwicklung vollzog sich hier auf dem Boden der Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis. In diesem Rahmen wurde auch die Lehre vom Schluß geschaffen. Und es ist nicht das formale Verhältnis von Grund und Folge, welches das entscheidende Problem darstellt, sondern ganz andere Fragen. Wir haben es also beim Nyāya und Buddhismus auf der einen und beim Sāņkhya auf der anderen Seite mit zwei vollkommen ver. schiedenen Entwicklungen zu tun, die voneinander unabhängig sind, ja sich geradezu ausschließen. Der Nyāya hat seinen Ursprung in der Dialektik. Das Sāmkhya dagegen hat mit der Dialektik nichts 48) Vgl. dazu meinen Aufsatz über Vasubandhu's Vādavidhih im ersten Bande dieser Zeitschrift S. 104 ff: 49 Page #51 -------------------------------------------------------------------------- ________________ zu tun. Die Wurzeln seiner Erkenntnislehre sind vielmehr anderswo zu suchen, und zwar glaube ich, sie in folgendem zu finden. Indien kennt seit alter Zeit eine wissenschaftliche Systematik, d. h. man stellte Regeln für die Abfassung wissenschaftlicher Werke (tantrayuktayah) auf. Zusammenstellungen solcher Regeln finden wir in dem berühmten Lehrbuch der Staatswissenschaften des Kautilya und in dem medizinischen Werk des Suśruta47). In beiden Fällen handelt es sich um lose Aneinanderreihungen einschlägiger Begriffe mit angefügten kurzen Erklärungen. Darunter findet sich manches, was der wissenschaftlichen Beweisführung dient. Doch ist weder die Lehre vom Beweis als solche, noch die Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis darin enthalten.. Nun findet sich in dem wertvollsten Kommentar zur Samkhyakārikā und dem inhaltsreichsten Werk der älteren SāmkhyaLiteratur, das uns erhalten ist, nämlich in der Yuktidīpikā, eine Besprechung dieser Regeln zur Abfassung wissenschaftlicher Werke, und zwar ist die Yuktidīpikā das einzige Werk der damaligen philosophischen Literatur, in dem das der Fall ist. Das ist gewiß kein Zufall. Dabei erfolgt diese Besprechung nicht nebenher und sie ist keineswegs äußerlich angefügt. Es heißt vielmehr ausdrücklich, das vorliegende Werk könne den Anspruch erheben, als wissenschaftliches Werk (tantram) zu gelten, weil in ihm alle Regeln für die Abfassung wissenschaftlicher Werke berücksichtigt sind48). Und das wird an der Hand der Besprechung dieser Regeln gezeigt. Ferner ist folgendes bemerkenswert. Die hier besprochenen Begriffe sind zum größten Teil auch in den alten Listen bei Kauțilya und Suśruta enthalten. Nur einige wenige sind hinzugekommen. Unter diesen wenigen aber befinden sich die Mittel richtiger Erkenntnis und der Beweis, und diese haben ihren Platz an zweiter und dritter Stelle gleich am Anfang der Liste erhalten. Sie sind außerdem mit der späteren Darstellung der Erkenntnislehre in Beziehung gesetzt, auf die bereits an dieser Stelle verwiesen wird49). ) Eine kurze Aufzählung findet sich auch am Ende der Carakasamhita. 48) Yuktidīpikā S. 2, 13 t. und 6, 22 f. 19) Yuktidipika S. 3, 10 - 13. 52 Page #52 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Dieser Befund ist meiner Ansicht nach folgendermaßen zu deuten. Das Samkhya hat früh die Regeln für die Abfassung wissenschaftlicher Werke (tantrayuktayaḥ) übernommen. Es hat unter ihnen der Lehre von den Mitteln richtiger Erkenntnis und vom Beweis eine hervorragende Stelle eingeräumt. Und es hat auf diesem Boden seine besondere eigenartige Erkenntnislehre entwickelt. Das gilt insbesondere für die Erkenntnislehre Vṛṣagana's, der wahrscheinlich sein Hauptwerk mit Absicht als Tantram bezeichnete, ein Name, der in der philosophischen Literatur der damaligen Zeit nicht gebräuchlich war. Damit ist die Frage beantwortet, welcher Entwicklungslinie das Samkhya angehört. Nur ein Punkt bleibt noch zu klären: Steht das Samkhya in dieser Entwicklungslinie vollkommen allein oder gibt es auch andere Systeme, deren Erkenntnislehre hierher gehört, und in welchem Verhältnis steht es zu ihnen? Dazu ist zu sagen, daß sich im Vaiseṣika der Vaiseṣika-Sūtren etwas ähnliches findet, und zwar im 1. Ahnikam des 3. Adhyāyaḥ. Hier treffen wir auf eine Schlußlehre, die ebenfalls von der Dialektik unabhängig ist, und welche sich auf die feste Verbindung zweier Dinge gründet, wobei man die Arten dieser Verbindung zu bestimmen sucht. Auch hier ist die Wahrnehmung hinter die Schlußlehre an die zweite Stelle gerückt. Und das Vaiseṣika verwendet auch die Schlußfolgerung aus der einzigen bleibenden Möglichkeit5o). Diese Ähnlichkeiten sprechen für einen Zusammenhang mit der Erkenntnislehre des Samkhya, doch läßt es sich leicht zeigen, daß die Abhängigkeit auf Seiten des Vaiseṣika liegt. Meiner Ansicht nach entscheidet hier schon ein Punkt, nämlich die Stellung der sinnlichen Wahrnehmung. Im allgemeinen galt immer die sinnliche Wahrnehmung als das vornehmste Mittel richtiger Erkenntnis, das von allen Schulen, selbst den Materialisten, anerkannt wurde, und das daher stets die erste Stelle einnahm. Daß Vṛṣagana sie an die zweite Stelle rückte, hatte seinen guten Grund. Denn er leitete die wichtigsten Grundbegriffe des Sāmkhya ausschließlich mit Hilfe 5) Ich fasse mich hier kurz, da ich über die Erkenntnislehre des Vaiseṣika an anderer Stelle ausführlicher zu sprechen denke. 53 Page #53 -------------------------------------------------------------------------- ________________ der Schlußfolgerung ab. Und darum mußte diese in den Vordergrund treten und besonders ausgearbeitet werden. Für das Vaišeşika fällt dieser Grund weg. In ihm hat die sinnliche Wahrnehmung volle Gültigkeit. Nur in einzelnen Fällen, wo die Wahrnehmung versagt, wie beim Wind, bei der Seele usw., wird die Schlußfolgerung zum Nachweis herangezogen. Und daß ihr Vorrang im System nicht weiter begründet ist, zeigt sich auch darin, daß die späteren Darstellungen, sowohl Candramati's Daśapadārthaśāstram wie Prašastapāda's Padārthadharmasamgrahaḥ, sie an der gebräuchlichen Stelle bringen. Die Erkenntnislehre im 3. Adhyāyaḥ der Sūtren steht also offenkundig unter dem Einfluß des Samkhya51). Wir kommen somit hinsichtlich der Stellung Vrşagana's und seiner. Erkenntnislehre zusammenfassend zu folgendem Ergebnis. Die Erkenntnislehre Vrsagaña's stammt etwa aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. Sie ist also wesentlich älter als die maßgebende Ausgestaltung der Schlußlehre durch die buddhistischen Logiker Vasubandhu und Dignāga. Aber nicht nur das. Sie ist von der Entwicklung im Nyāya und im Buddhismus überhaupt unabhängig und gehört einer eigenen Entwicklungslinie an. Und auch hier stellt sie eine selbständige Schöpfung dar, da die Erkenntnislehre der VaiseșikaSūtren, welche zur gleichen Entwicklungslinie gehört, von ihr ab. hängt. Vrsagana's Erkenntnislehre ist somit seine eigene Leistung und sein Verdienst. Welcher Art ist nun diese Leistung? Hier haben wir zweierlei zu unterscheiden, die wissenschaftliche Methodik und die Ausgestaltung der Erkenntnislehre selbst. Was zunächst die wissenschaftliche Methodik betrifft, so ist bei ihr Gedanke und Durchführung gleich groß. Die Erkenntnislehre als Voraussetzung jedes systematischen Philosophierens zu betrachten, liegt auf einer gewissen Stufe der Entwicklung nahe, und wir finden sie in Indien öfter in einer ähnlichen Rolle. Aber ein System regelrecht auf sie zu gründen, zu diesem Zweck eine geeignete Form der Schlußfolgerung als Werkzeug zu schaffen und mit ihrer Hilfe in strenger Folgerichtigkeit 5) Daraus folgt übrigens, daß dieser Abschnitt der Vaišesika-Sūtren erst nach Vrsagaña entstanden sein kann. 54 Page #54 -------------------------------------------------------------------------- ________________ die grundlegenden Lehren des Systems abzuleiten, war auschließlich Verdienst Vrşagaņa’s. Etwas Ähnliches hat es weder zu seiner Zeit gegeben, noch hat sein Vorbild ebenbürtige Nachfolge gefunden. Was ferner die Erkenntnislehre selbst und vor allem die Lehre von der Schlußfolgerung anbelangt, so finden wir auch hier eine Fülle neuer und fruchtbarer Gedanken. Die ältere Schlußlehre hatte drei Arten von Schlüssen unterschieden, mit Früherem (pūrvavat), mit Restlichem (seșavat) und Sehen dem Gemeinsamen nach (sāmānyato drstam), eine altertümliche und einfache Einteilung. Vrşagaña stellte dem Sehen dem Gemeinsamen nach das Sehen dem Beson. deren nach (visesato drstam) gegenüber. Damit war ein klares Einteilungsprinzip gegeben und gleichzeitig die wichtige Frage nach der Allgemeingültigkeit der Schlußfolgerung angeschnitten. Die Einteilung in Schlußfolgerung mit Früherem und mit Restlichem übernahm er und benützte sie zu einer Unterteilung des Sehens dem Gemeinsamen nach. Unter Schlußfolgerung mit Früherem verstand man in der Regel einen Schluß von der Ursache auf die Wirkung, unter Schlußfolgerung mit Restlichem einen Schluß von der Wir. kung auf die Ursache. Das ließ er gelten, lehrte aber, daß nur der Schluß von der Wirkung auf die Ursache unbedingt sicher ist, eine Erkenntnis, welche erst in der späteren buddhistischen Logik von Dharmakīrti wieder aufgegriffen und vollständig durchgeführt wurde.. Viel freier als bei dieser Einteilung der Schlußfolgerung, bei der er ältere Überlieferung in seinem Sinn umformte, bewegte sich Vrşagaņa bei der Lehre von der Schlußfolgerung im allgemeinen. Vor ihm hatte man nur mit Analogieschlüssen gearbeitet, welche sich auf die Ähnlichkeit mit irgendeinem Beispiel gründeten. Er lehrte dagegen als Grundlage der Schlußfolgerung die feste Verbindung zweier Dinge und suchte die Arten dieser Verbindung festzustellen. Auch dieser Gedanke wurde erst von Dharmakīrti wieder aufgenommen und folgerichtig zu Ende gedacht. Ferner versuchte Vrşagaņa festzustellen, wie Fehlschlüsse möglich sind. Da ihm die feste Verbindung zwischen Grund und Folge die Sicherheit eines Schlusses zu verbürgen schien, suchte er die Fehlerquelle in einer mangelhaften Erkenntnis des Grundes. Das gab wertvolle Anregun 55 Page #55 -------------------------------------------------------------------------- ________________ gen für die Theorie des Zweifels und Irrtums. Den Beweis (avayavāḥ). der im Nyāya selbständig neben der Schlußfolgerung stand, ver. knüpfte er mit derselben, indem er ihn bloß als sprachliche Formu. lierung des Schlusses auffaste. Auch diese Erkenntnis wurde erst bedeutend später von den Buddhisten wieder aufgegriffen und gewürdigt, und zwar von Dignāga, der Schluß und Beweis als Schlußfolgerung für sich selbst (svārthānumānam) und andere (parārthānumānam) nebeneinanderstellte. Wertvoll und neuartig war schließlich, wie Vrşagaņa die indirekte Beweisführung verwertete und in sein System der Schlußfolgerung eingliederte. Vrşagaņa's Erkenntnislehre enthält also eine Fülle neuer und be. deutender Gedanken. Manches mag uns heute einfach und altertümlich erscheinen, aber historisch im Rahmen seiner Zeit gesehen war seine Leistung gewaltig und bahnbrechend. Wir dürfen also. mögen wir auch nur einen Teil seines Werkes überschauen, in ihm einen der ganz Großen der indischen Philosophiegeschichte erkennen. Und wenn er auch in seiner Schule keinen ebenbürtigen Fortsetzer seines Werkes fand, so hat doch das, was er geschaffen, noch lange nachgewirkt, und manchen Gedanken, den wir bei den großen Logikern des Buddhismus bewundern, hat er bereits vorausgedacht. Summary Dignāga in his Pramāṇasamuccayah refutes the teachings of a Sāmkhya text from which he quotes single sentences. These fray. ments can be augmented and completed from Jinendrabuddhi's Tīkā. Further, Mallavādi in his Nayacakram and Simhasūri in his commentary thereon are drawing from the same work. This work must have been the most authoritative text of the classical school of the Sāmkhya and may be identified with the famous Şastitantram of Vrşagaņa. By combining the materials supplied by the different sources the epistemology of Vrşagaņa can be restored almost completely. Dignāga and Jinendrabuddhi are also making use of several commentaries on the Şaşțitantram. This points to a higher antiquity of Vrşagana's work which, tentatively, might be ascribed to the beginning of the 4th century A. D. 56 Page #56 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Anhang Zum Schluß noch eine Bemerkung zur Zeitbestimmung Vrsagaña's. Ein oft angeführter Vers, der ausdrücklich dem Şaşțitantram und Vrşagana zugeschrieben wird, lautet: 1) guņānām paramam rūpam na drstipatham rcchati / yat tu drstipathaprāptam tan māyeva sutucchakam // An diesem Vers ist merkwürdig, daß in ihm eine Auffassung der Erscheinungswelt ausgesprochen ist, welche den sonstigen Anschauungen des klassischen Sāņkhya-Systems ganz und gar nicht entspricht. Eine Erklärung dafür gibt ein anderer Vers aus dem Şastitantram, den Bhatphari in seiner Vịttiḥ zum 1. Kapitel des Vákyapadiyam anführt und der offenbar aus dem gleichen Zusammenhang stammt. Er lautet: 2) idam pheno na kaścid vā budbudo vã na kaścana / māyeyam vata duşpārā vipaścid iti paśyati // Das richtet sich gegen eine Lehre, in der die Erscheinungswelt der Reihe nach mit Schaum, Wasserblasen und einem Zaubertrug verglichen wurde. Diese Lehre ist buddhistisch, und zwar finden wir schon in Texten des alten Kanons einen Vers, der folgendermaßen lautet: 3) phenapindūpamam rūpam vedanā bubbulūpamā / maricikūpamā saññā sankhārā kadalupamā / māyāpamañ ca viññāņam dīpitādiccabandhunā || Diese Lehre bekämpft Vrsagaña in den angeführten Versen in der Weise, daß er seiner Auffassung von der Urmaterie und ihrem Verhältnis zur Erscheinungswelt eine Form gibt, durch welche er die 1) Dignāga, Pramāṇasamuccayaḥ V v. 42 (Pramāṇasamuccayavșttiḥ f. 85 a 7 = f. 169 a 4); Vyāsa, Yogabháşyam (Anandāśrama S. S.) S. 187, 137.; Simhasūri, Nyāyāgamănusāriņi S. 63,954 usw. 2) Bhartrhari, Vákyäpadīyavrttiḥ (Lahore 1934) S. 18, 37; dazu die sīkā: Şastitantragranthaś cāyam. 3) Samyuttanikāyo 22, 95, 15 (Vol. III, p. 142) = Tsa a-han king 265 (T. 99. p. 69 a 18—20). Page #57 -------------------------------------------------------------------------- ________________ Anschauungen des Gegners in seinem Sinn umbiegt und diesem damit gewissermassen den Wind aus den Segeln nimmt. Nun ist nicht anzunehmen, dass Vrsagana gegen ein Sutram des buddhistischen Kanons polemisierte. Anlass zu einer solchen Polemik war vielmehr erst gegeben, als diese Lehre von angesehenen philosophischen Schulen aufgegriffen und verfochten wurde. Das ist aber erst in der Schule der Madhyamika, sowie spater in der Yogacara-Schule geschehen. So wird der oben angefuhrte Vers aus dem Samyuttanikayo in Candrakirti's Prasannapada (S. 41, 9-11 und 549, 2 - 1) in folgender Form zitiert: phenapindopamam rupam vedana budbudopama / maricisadrsi sam jna samskarah kadalinibhah / mayopamam ca vijnanam uktam adityabandhuna // Dieselben Verse finden sich als v. 12-13a in Nagarjuna's Bodhicittavivaranam*). Ferner wird derselbe Gedanke mit geringen Anderungen in zahlreichen Sutren und Lehrschriften der genannten beiden Schulen wiederholto). Es scheint somit nach dem Gesagten ratsam, Vrsagana nicht fruher anzusetzen als die fuhrenden Vertreter der Madhyamaka-Schule. Und so fuhren auch diese Erwagungen zu der oben als Arbeitshypothese vorgeschlagenen Datierung. ") Vgl. Prabhubhai Patel, Bodhicittavivarana (Indian Historical Quarterly Vol. 8/1932, pp. 790--793). 5) Zum Beispiel: Aryadeva, Catuhsatakam XIII v. 25; Maitreyanatha, Mahayanasutralamkarah XI v. 30; Asanga, Mahayanasamgrahah II, 27 usw.