Book Title: Vorattische Philosophie
Author(s): Thales Von
Publisher: Thales Von

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Page 2
________________ 42 VORATTISCHE PHILOSOPHIE HERODOT mit Zurückhaltung (I 75: DK 11 A 6). AETIOS läßt Thales die jährliche Nilüberschwemmung durch die Windstauung des Wassers erklären, eine Theorie, die bereits HERODOT neben anderen erwähnt (Aetios IV 1,1; Herod. II 20: DK 11 A 16). 6. Schriften. Obwohl dem Thales eine Reihe von Werken mathematischen und astronomischen Inhalts zugeschrieben wurden, bezweifelte schon das Altertum, daß er überhaupt etwas geschrieben habe (Simpl. Phys. p. 23, 29 Diels; DL I 23; Suda s.v.: DK 11 B 1). Das ihm von SIMPLIKIOS zugeschriebene Werk über einen nautischen Sternkalender wird von DIOGENES LAERTIOS dem Samier Phokos zuerkannt. Weder ARISTOTELES noch seine Schüler THEOPHRAST und EUDEMOS scheinen ein Werk von ihm in Händen gehabt zu haben oder zu kennen. Die Berichte, die Aristoteles über die kosmologischen Ansichten des Thales gibt, stammen, wie Aristoteles selbst sagt, aus zweiter Hand. = 7. Mathematik. Schon für HERODOT ist Ägypten das Ursprungsland der Geometrie, die dort der Landvermessung nach der jährlichen Flut diente (II 109). In seinem Werk über die Geschichte der Geometrie und Arithmetik hat EUDEMOS den Ursprung der Geometrie den Ägyptern, den der Arithmetik den Phönikern zugesprochen (nach Prokl. In Euclidem p. 65, 3 ff. Friedl. : DK 11 A 11) und dem Thales nicht nur die Übertragung, sondern auch eine Erweiterung des geometrischen Wissens der Ägypter zuerkannt. HIERONYMOS VON RHODOS (s. S.), der selbst wahrscheinlich EUDEMOS folgt (doch hatte DIOGENES LAERTIOS offenbar nur dessen Geschichte der Astronomie, nicht aber die Geschichte der Geometrie und Arithmetik zur Verfügung), schreibt Thales eine einfache Methode zur Messung der Höhe der Pyramiden zu. Man mißt die Länge des Schattens zu einer Tageszeit, da der Schatten eines Menschen genau seiner Körpergröße entspricht (DL I 27; Plin. Nat. hist. XXXVI 82: DK 11 A 1; A 21). PLUTARCH (Conv. sept. sap. 2 p. 147 A: DK 11 A 21) verallgemeinert zu der Proportion « Länge des Schattens irgendeines meßbaren Gegenstandes: Höhe dieses Gegenstandes Pyramidenschatten : Pyramidenhöhe>>. Ebenso berichtet EUDEMOS (Prokl. In Euclidem p. 352 Friedl.: DK 11 A 20) eine Methode zur Messung der Entfernung von Schiffen auf hoher See. Mit Hilfe eines einfachen Theodoliten stellt man den Winkel zwischen der Horizontalen und der Sichtlinie fest und kann dann, wenn der Abstand des Auges von der Meeresoberfläche bekannt ist, die Entfernung des Schiffes errechnen. Thales mag durchaus diese beiden praktischen Methoden gekannt haben, aber Eudemos unterlag sicher dem gleichen Irrtum wie die Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts, die den Ägyptern die Kenntnis des pythagoreischen Lehrsatzes zuschrieb, weil sie aus der Seitenproportion 3:4:5 ein rechtwinkliges Dreick herzustellen wußten. So hat Eudemos dem Thales die grundsätzliche Kenntnis des Kongruenzsatzes zugesprochen. Im Anschluß an ihn spricht PROKLOS dem Thales die Kenntnis von vier wichtigen geometrischen Grundsätzen zu (die ausdrückliche Berufung auf Eudemos erfolgt nur bei den beiden letzten): 1. die Halbierung des Kreises durch den Durchmesser (p. 157, 10 Friedl.); 2. die Gleichheit der Basiswinkel eines gleichschenkligen Dreiecks (p. 250, 20 Friedl.); 3. die Gleichheit der Scheitelwinkel (p. 299, 1 Friedl.); 4. die Kongruenz von Dreiecken bei Gleichheit einer Seite und der beiden anliegenden Winkel (p. 352, 14 Friedl. DK 11 A 20). PAMPHILOS erkennt ihm die Einsicht zu, daß ein dem Halbkreis einbeschriebenes Dreieck rechtwinklig ist (Lehrsatz des Thales DL I 24: DK 11 A 1). Es ist durchaus wahrscheinlich, daß Thales von den Ägyptern eine Reihe von praktischen mathematischen Kenntnissen übernahm, nicht aber, daß er bereits

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