Book Title: Vorattische Philosophie
Author(s): Thales Von
Publisher: Thales Von

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Page 11
________________ S 10 ANAXIMANDER sich unter den modernen Forschern vor allem BURNET an, während ZELLER die erste Auffassung als allein für Anaximander in Frage kommend vertrat. Seine Ansicht wurde mit neuen Argumenten durch CORNFORD gestützt, denen KIRK noch den Gedanken hinzufügte, daß Theophrast bei seiner Berichterstattung über Anaximander sich durch Gesichtspunkte atomistischer Herkunft beeinflussen ließ. Tatsächlich scheint Anaximander von der Entstehung der gegensätzlichen Elemente Luft und Feuer zur Entstehung eben dieser Welt vorangegangen zu sein. Auch die genauere Analyse des einzigen Fragments führt wohl zu einer Stützung dieser These von der Aufeinanderfolge unzähliger Welten oder unzähliger Formen dieser Welt. Das Fragment sagt uns, daß die seienden Dinge einander Strafe und Vergeltung leisten für ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit». Anaximander kennt die Vergänglichkeit alles Bestehenden und faßt seinen Untergang als Zeichen ausgleichender Gerechtigkeit. Der Vollstrecker dieser Gerechtigkeit ist die Zeit. Wir haben das wohl zunächst für den Wechsel der Jahreszeiten und die Lebensabläufe zu verstehen. Der Sommer hat seine Zeit mit seiner Hitze und Dürre, er wird vom Winter abgelöst, aber auch dieser hat seine Zeit. So hat alles seine Zeit, und nichts dauert ewig. Die dem Zitat vorangehende Bemerkung, woraus etwas werde, dahin vergehe es wieder, ist wohl als peripatetische Interpretation und nicht als Meinung des Anaximander zu verstehen. Während ein Teil der modernen Forscher sie mehr oder weniger als Wiedergabe eines Anaximandrischen Gedankens versteht und also die Rückkehr aller Dinge in das Unbestimmte hier ausgesprochen findet (Cherniss, Vlastos), wiesen andere darauf hin, daß diese Deutung Theophrasts in Widerspruch mit dem Wortlaut des Zitats steht, das von einer gegenseitigen Buße spricht, welche die Dinge zu leisten haben. Auch der Begriff der Gegensätze darf dabei nicht in peripatetischem Sinne überspannt werden, es handelt sich vielmehr wohl nur um Verschiedenheit der Gegenstände, wie Winter - Sommer, Tag - Nacht, Wind, Eisen, Feuer, Mann - Frau. 6. Zusammenfassung. Aus dem Unbestimmten, das ewig, unvergänglich und göttlich ist, scheiden sich Feuer und feuchte Luft ab. Die Feuerhülle birst und bildet feurige Räder, die von Luft umschlossen werden wie der Baum von der Rinde. Durch Öffnungen in der Lufthülle erscheinen uns die Gestirne. Unter dem Einfluß der Sonne sich verdünnende Luft bringt als Wind die Räder zur Drehung. Die Sonne läßt die Erde austrocknen, die als zylindrische Säule in der Mitte schwebt. In den Meeren bildet sich als weitere Wirkung der Sonne das Leben. Doch wie eines das andere ablöst, so werden auch dieser Welt andere Weltbildungen in unendlicher Reihe folgen. Es ist ein großartiger umfassender Weltentwurf, den Anaximander entwickelt. Mit wenigen Mitteln werden die gesamten Phänomene der Erfahrungswelt aus einem Uranfang abgeleitet. Der Verstand hat begonnen, dem anthropomorphen Bild des Mythos ein anderes entgegenzustellen, das die Erscheinungen mit rationalen und in der Erfahrung nachprüfbaren Mitteln zu deuten versucht. Sekundärliteratur Gesamtdarstellungen, allgemeine Studien. H. RITTER/L. PRELLER: Hist. philos. graec. (°1934 [E. WELLMANN]). - ED. ZELLER/W. NESTLE: Die Philos. der Griechen in ihrer gesch. Entwicklung 1 (*1920). - J. BURNET: Early Greek philos. (Lond. *19-5; dtsch. 1913). -

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