Book Title: Gott Urbild Der Emanzipierten Existenz Im Yoga Des Patanjali Author(s): Gerhard Oberhammer Publisher: Gerhard Oberhammer View full book textPage 3
________________ Die Gottesidee im Yoga des Patanjali 199 Sieht man von den nur für den Philosophie-Historiker bedeutsamen technischen Details ab, so enthüllt sich eine sehr deutliche und folgerichtige Struktur der geistigen Bewegung, welche durch die verschiedenen Stufen der Versenkung zur Erfahrung des emanzipierten Seins des Geistes führt: Alles, was Bewußtseinsinhalt und nicht nur reines Bewußtsein ist, muß systematisch ausgeschaltet werden, bis schließlich auf der vierten Stufe der ,,mit Erkenntnis versehenen Versenkung" lediglich die ,,Ich-heit", das ,,Einheit-Bewußtsein" als Gegenstand der Erfahrung bleibt. In der ,,erkenntnislosen Versenkung" besteht hingegen der entscheidende Schritt gerade darin, auch dieses ,,Einheit-Bewußtsein", mit anderen Worten das Erkenntnissubjekt als Inhalt des meditierenden Bewußtseins auszuschalten, insofern auch dieses „Einheit-Bewußtsein" noch Inhalt des Bewußtseins ist. Im Zustand der „erkenntnislosen Versenkung ohne Keim" ist gleichsam das Denken, jedes begrifflich-gegenständliche Erkennen geschwunden, geblieben ist allein der Geist, der in seiner eigenen Seinsform west". Gerade diese letzte Bemerkung des Textes ist aber philosophische Interpretation. Tatsächlich scheint der Meditierende in dieser höchsten Versenkungsstufe etwas zu erfahren, das grundsätzlich nicht Inhalt seines Erkennns ewerden kann - könnte es dies nämlich, so müßte es der Meditierende ebenfalls zum Schwinden bringen - und das daher überhaupt nicht mehr als etwas Bestimmtes erfahren werden, sondern außerhalb der Versenkung nur in der philosophischen Reflexion als notwendiger Möglichkeitsgrund des Erkennens erschlossen werden kann. Direkt kann dieses , Quasi-Etwas "niemals erfahren werden, es sei denn durch das Ausschalten jedes Bewußtseinsinhaltes einschließlich der Subjekts. erfahrung Damit scheint sich aber das in der yogischen Versenkung erfahrene ,,Objekt" als das Sein zu enthüllen, welches der a priorische Horizont ist, auf den das menschliche Erkennen in jeder Erkenntnis transzendiert. Bei der Erfahrung dieses ,,Objektes" aber scheint es sich, sofern dieses ,,Objekt" grundsätzlich nicht in einem begrifflich-gegenständlichen Erkenntnisakt erfaßt werden kann, sondern nur in einem ungegenständlichen „Bewußt-Sein" (svarûpapratistha citiçaktih) gegenwärtig ist, um das Thematisch-Werden der den Geist konstituierenden Transzendenz auf das Sein zu handeln, welche im gewöhnlichen Erkenntnisakt nur unthematisch erfahren wird. Der Vorgang der ,,erkenntnislosen Versenkung" kann daher am besten als „Seinsmystik" bezeichnet werden, sofern nämlich in ihr nicht der persönliche Gott erfahren wird, sondern das personal unbestimmte „Sein", und sofern die Erfahrung selbst noch kein gnadenhaftes Geschehen bedeutet, sondern eine natürliche Möglichkeit des menschlichen Geistes zu sein scheint. Diese Seinsmystik" wird historisch im Patañjala-Yoga zum Mittel der ,,Emanzipation" des menschlichen Geistes, da das in der Versenkung erfahrene Sein in einer philosophisch ungenauen Interpretation mit der Geistnatur des Menschen identifiziert wird und diese daher als wesentlich ,,a-kosmisch" und ewig unveränderlich verstanden wird. Daß die ,,Emanzipation" tatsächlich nach dem Modell der ,,erkenntnislosen Versenkung ohne Keim" vorgestellt wurde, geht deutlich aus der Darstellung dieser ,,Emanzipation" (kaivalyam) hervor, die ganz analog zur ,,erkenntnislosen Versenkung" geboten wird. Dieser Ansatz 7 Vgl. K. Rahner: Das Dynamische in der Kirche (Quaestiones Disputatae 5) Freiburg 1958, 126 ff; besonders Anm. 48 sowie Ders., Hörer des Wortes München 21963, besonders 91 ff. 8,,Wenn das Sattva d'es Denkens frei von der Unreinheit des Rajas und Tamas und nur noch Erkennen des vom Geist Verschiedenseins ist und der Keim seiner [des Denkens] Befleckungen (kleçãh) verbrannt ist, dann hat es gleichsam die Reinheit (cuddhisar û pyam) des Geistes erlangt, und tritt für den Geist der Wegfall des fauf ihn] übertragenen Genießens ein, d. h. seine Reinheit. In diesem Zustand tritt für den Yogin] ...... die Emanzipation (kaivalyam) ein .......Page Navigation
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